Nun unterschrieben: Putin setzt atomaren Abrüstungsvertrag „New Start“ aus
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag „New Start“ mit den USA außer Kraft gesetzt. Dazu habe Putin ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet, teilte der Kreml in Moskau mit. Der Präsident hatte den Schritt bereits in seiner Rede an die Nation am 21. Februar angekündigt.
Putin betonte, dass dies kein Ausstieg aus dem Abkommen sei. Er hatte zuvor immer wieder gewarnt, dass ein Ende der Vereinbarung, die 2026 ausläuft, zu einem neuen atomaren Wettrüsten führen könnte. Vorerst will sich Russland weiter an die vereinbarten Obergrenzen für Atomwaffen halten.
Was „New Start“ bedeutet
Der Abrüstungsvertrag „New Start“ ist das einzige noch verbliebene große Abkommen zur atomaren Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. „Start“ steht für „Strategic Arms Reduction Treaty“, also „Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen“. Das „New Start“-Abkommen trat am 5. Februar 2011 in Kraft, berichtete der „Spiegel“. Zu diesem Zeitpunkt schlossen die Vertragspartner Washington und Moskau das Abkommen für eine Laufzeit von zehn Jahren. 2021 unterzeichneten sie eine Verlängerung für weitere fünf Jahre.
Im Jahr 1968 entstand aus einem Deal zwischen Washington und Moskau der Atomwaffensperrvertrag – für viele Staaten das Fundament der nuklearen Ordnung. Die Atomwaffenstaaten verpflichteten sich demzufolge dazu, ihr nukleares Arsenal abzurüsten; der Rest der Welt verzichtete auf die Bombe, berichtete die „Zeit“.
Im Januar 2023 erklärte Sergej Rjabkow, stellvertretender russischer Außenminister, dass man das Abkommen nach seinem Auslaufen 2026 „sehr wahrscheinlich“ nicht mehr verlängern würde. Schuld daran seien allerdings die Vereinigten Staaten, nicht Russland. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Atomwaffen weltweit gesunken.
Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1.550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Inspektionsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.
Keine gegenseitigen Kontrollen mehr
Aufgrund der Coronapandemie ruhten die vertraglich vereinbarten Inspektionen seit März 2020. Nach der russischen Invasion in der Ukraine verwehrten sowohl Moskau als auch Washington Kontrolleuren die Einreise, ohne den Vertrag an sich auszusetzen.
Noch im Januar 2022 hatten die fünf wichtigsten Atommächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sich zum Atomwaffensperrvertrag bekannt. Diese Nationen sind zugleich ständige Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat. In einer gemeinsam veröffentlichten Erklärung schrieben sie: „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.“
Nuklearexperte: Wettrüsten läuft bereits
In einem Interview vom Spiegel erklärt der Nuklearexperte James Acton, was Putins Aussetzung von „New Start“ für den Ukrainekrieg bedeutet. Kurzfristig sieht er dadurch keine Gefahr einer nuklearen Eskalation während des Ukraine-Kriegs. Langfristig nehme jedoch die Gefahr, dass Kernwaffen eingesetzt werden, bei ausgesetzter Rüstungskontrolle zu.
Putins Ankündigung bedeute, dass die USA und Russland wohl keine Informationen mehr über ihre Arsenale austauschen werden, vermutet Acton.
„Gegenseitige Inspektionen in Bezug auf „New Start“ waren bereits ausgesetzt. Aber die beiden Länder haben viele gegenseitige Benachrichtigungen ausgetauscht, was die Bewegung ihrer Raketen und den Ab- und Aufbau ihrer Anlagen betraf. Das endet nun“, sagte Acton. Dieser Umstand mache es für die USA schwieriger zu überprüfen, ob sich Russland noch an den Vertrag hält – und umgekehrt. Ob Moskau nun beabsichtigt, weit über die Grenzen von „New Start“ hinaus aufzurüsten, ist selbst für den Experten unklar.
Bedeutet Putins Aussetzung, dass die Welt jetzt wie zu Beginn des Kalten Krieges einen erneuten Rüstungswettlauf beobachten wird? Damals bauten die Supermächte praktisch grenzenlos Sprengköpfe und Raketen. Laut Acton habe das nukleare Wettrüsten bereits vor der Aussetzung von „New Start“ begonnen. „Der Niedergang dieses Vertrages wird diese Entwicklung beschleunigen. Und diesmal ist es ein Wettrüsten zwischen drei Supermächten: Russland, China und den USA.“
Was Deutschland tun kann
Der deutschen Außenpolitik könne laut der „Zeit“ diese Entwicklung nicht gelegen sein. Jedoch habe sie nur beschränkt Einfluss, diese Entwicklung hin zu einem atomaren Wettrüsten der Supermächte umzukehren. Angesichts der Bedeutung von „New Start“ für die nukleare Ordnung solle die Bundesregierung Gespräche für mehr Rüstungskontrolle unterstützen.
Die Bundesregierung solle insbesondere China und Indien ermutigen, ihren Einfluss in Moskau geltend zu machen. Denn ein neues Wettrüsten würde auch deren Sicherheit bedrohen.
Ein längerfristiges und endgültiges Aus der russisch-amerikanischen Rüstungskontrolle hätte weltweit ausschließlich Verlierer. Um dieser globalen Bedrohung eines möglichen nuklearen dritten Weltkrieges entgegenzutreten, sei auch ein globaler Konsens notwendig.
(Mit Material von dpa)
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