Österreich: Große Erfolge im Kampf gegen Corona – aber zunehmender Unmut über Maßnahmen

Was die Entwicklung der Fallzahlen anbelangt, hat sich Österreich in der Corona-Krise zum Musterbeispiel entwickelt. Kanzler Sebastian Kurz sieht das als Erfolg der drastischen Eindämmungsmaßnahmen. Kritiker befürchten, dass diese einen zu hohen Preis fordern könnten.
Titelbild
Pressekonferenz mit Sebastian Kurz.Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa/dpa
Von 23. April 2020

Österreich hat sich, was den Umgang mit der Corona-Pandemie anbelangt, zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Dies gilt zumindest, was die Fallzahlen angeht. Am gestrigen Mittwoch (22.4.) teilte das Gesundheitsministerium mit, dass die prozentuelle tägliche Zunahme der Corona-Neuerkrankungen auf einen bisherigen Tiefstwert von 0,34 Prozent gesunken ist.

Die tägliche prozentuelle Zunahme der Corona-Fälle beinhaltet allerdings keine statistisch aussagekräftige Aussage, da sich die Bezugsgröße täglich ändert. 50 Neu-Infizierte bezogen auf insgesamt 15.000 Infizierte (aktueller Stand, etwa 0,33 Prozent) wären nach dieser Aussage besser als 50 Neu-Infizierte bei 10.000 (0,5 Prozent) oder 5.000 Fällen (1 Prozent), wobei sich die Zahl der neuen Infektionen überhaupt nicht ändert. Anders gesagt: je mehr Fälle es gibt, desto „besser“ sind 50 Neu-Infizierte.

Aber auch in absoluten Zahlen zeigt sich Österreich auf der Siegerstraße: Die Zahl der aktiven Fälle ist von 9.334 am 3. April auf mittlerweile 2.786 gesunken, davon 169 in einem kritischen Zustand.

Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich entsprechend zufrieden in seiner gestrigen Erklärung vor dem österreichischen Nationalrat. Die Entwicklung der Fallzahlen, so Kurz, sei „in Europa so gut wie einzigartig“ und zeige, dass „wir einiges richtig gemacht haben“ in den vergangenen Wochen. Deshalb habe man diese Phase der Krise besser gemeistert als andere Staaten und könne jetzt daran denken, das Land in geordneter Weise wieder hochzufahren.

Kurz: „Regierungschefs anderer Länder rufen an, weil sie von Österreich lernen wollen“

Die Erfolge seien das Ergebnis einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“, die im Konsens von allen politischen Kräften des Landes, auch der Opposition, mitgetragen worden wären. Die Frage, ob die Einschränkungen wirklich nötig gewesen wären, lasse sich auf der Basis der „Grundregeln der Mathematik“ beantworten. Hätte man die Schritte der vergangenen Wochen nicht gesetzt, hätte man eine Situation wie in Italien, Frankreich oder Spanien erwarten können. Regierungschefs anderer Länder würden danach fragen, was sie von Österreich lernen könnten.

Kurz bekannte sich zu einer schrittweisen Strategie zur Wiederherstellung der Normalität:

Ja, wir werden das Land wieder hochfahren, aber wir machen das nicht unverantwortlich. Wir wollen ein Maximum an Freiheit, aber ich sage auch ehrlich: Es wird weiter auch Einschränkungen brauchen.“

Am Mittwochabend nahm Kurz auch an der ARD-Talkshow „Maischberger“ teil und erneuerte dort seine auch schon im Parlament gemachte Ankündigung, sich um eine Wiederöffnung der Grenzen mit Ländern zu bemühen, die bei der Corona-Bekämpfung ähnlich erfolgreich agierten wie Österreich – namentlich nannte er diesbezüglich Deutschland und Tschechien.

Kogler fürchtet zweite Corona-Welle

Die geltenden Ausgangsbeschränkungen in Österreich sollten Ende April weitgehend auslaufen, von da an soll es auch wieder möglich sein, Familienmitglieder und Freunde zu treffen.

Vizekanzler Werner Kogler mahnte, es sei bezüglich des weiteren Verlaufes der Krise „nicht alles prognostizierbar“. Eine zweite Welle der Corona-Pandemie könne nicht ausgeschlossen werden, und sie hätte eine fatale psychologische Wirkung.

Ob die angekündigten Öffnungsschritte wie geplant durchgeführt werden könnten, sei von der Entwicklung der Fallzahlen abhängig. Es sei „keine Schande“, im einen oder anderen Fall einen vorübergehenden Rückzieher zu machen – auch ein Land wie Südkorea, dessen Erfolge gegen Corona man überall in der Welt würdige, habe die Öffnung seiner Schulen viermal verschoben.

Mittlerweile mehrt sich jedoch auch die Kritik an den Maßnahmen – sowohl in der Opposition als auch in der Bevölkerung.

Kickl beklagt „Denunziantenkultur“

Für die SPÖ kritisierte Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner, dass die „neue Normalität“, von der die Regierung stetig spreche, etwas von einem „Ausnahmezustand“ habe. Es dürfe „jetzt nicht Monate oder Jahre per Erlass oder Verordnung regiert werden“, betonte die SPÖ-Chefin, stattdessen sollten auch „NGOs und Sozialpartner“ in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Zur Bewältigung der Krise müssten nun „auch Onlinekonzerne, Finanzmärkte und Millionäre“ ihren Beitrag leisten.

Der NEOS-Abgeordnete Josef Schellhorn erklärte, die Unternehmerschaft habe das Vertrauen in die Regierung verloren. Statt „Testballons“ müsse es nun einen „kompetenten und guten Plan“ sowie eine „zentrale Koordination“ hinsichtlich des weiteren Vorgehens geben.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl verwies wiederum auf die Entwicklung in Schweden, wo es keine nennenswerten Einschränkungen des öffentlichen Lebens gegeben habe und dennoch weder die Zahl der Toten in sechsstellige Höhen gestiegen noch das Gesundheitssystem kollabiert sei. Stattdessen sei in Österreich eine neue Denunziantenkultur entstanden und man habe sich durch das Medienpaket eine freundliche Berichterstattung erkauft.

Die Darstellung des Kanzlers, sein Vorgehen sei „alternativlos“ gewesen, sei durch die Entwicklung in Schweden widerlegt, meint Kickl.

Deutlich höhere Todesrate in Schweden

In Schweden, wo eine geringe Bevölkerungsdichte soziale Distanzierung erleichtert, ist die Zahl der Infektionen insgesamt noch unwesentlich höher als in Österreich. Bei den aktiven Fällen, derzeit 13.517, ist jedoch nach wie vor ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Mit 192 Toten auf eine Million Einwohner ist die Corona-bedingte Sterblichkeit dort zudem knapp viermal so hoch wie in Österreich und auch um ein Drittel höher als in den USA.

Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache wirft der Bundesregierung vor, diese betreibe „seit Wochen lediglich PR-wirksame Ankündigungspolitik, während hunderttausende Betriebe und Arbeitslose vor dem Abgrund stehen“. Er kritisiert vor allem die Entkernung des alten Epidemiegesetzes von 1950, das eine vollständige Entschädigung für die Folgen staatlicher Corona-Maßnahmen vorgesehen hätte. Stattdessen habe die Regierung „400.000 Klein- und Mittelbetriebe sowie EPUs schlichtweg entrechtet und zu Bittstellern ohne Rechtsanspruch auf staatliche Entschädigungen degradiert“.

Auch in der Bevölkerung insgesamt macht sich zunehmend Unmut über pandemiebedingten Einschränkungen breit. Wie die „Oberösterreichischen Nachrichten“ (OÖN) berichten, ist einer aktuellen Umfrage des Instituts Market die Zustimmung zu den Maßnahmen von 90 Prozent vor etwa vier Wochen auf mittlerweile 79 Prozent gesunken.

Market-Umfrage: Sinkende Zustimmung zu Restriktionen

Von den 1.000 repräsentativ befragten Österreichern bezeichneten 21 Prozent die Maßnahmen als übertrieben – vor allem bei Unternehmern und Anhängern der Rechtsopposition sei diese Ansicht weit verbreitet. Insgesamt sind 88 Prozent der Befragten der Auffassung, in Österreich sei das Virus unter Kontrolle.

Leicht rückläufig seien auch die Zustimmungswerte zu Kanzler Kurz und Vizekanzler Kogler. Allerdings äußerten auch 63 Prozent der Befragten, sie hätten den schwedischen Weg zum Umgang mit der Krise nicht bevorzugt.

Gegenüber der Epoch Times spricht der österreichische Musiker und Produzent Flo Daxner von einer „gemachten“ Corona-Krise, die dazu beigetragen habe, „die gesamte Wirtschaft innerhalb eines Tages zu zerstören“. Lediglich die Lebensmittelhändler würden in dieser Situation profitieren. Daxner bedauerte, dass es noch zu wenig öffentlichen Druck gäbe, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen.



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