Österreich: Hofer geht von Verzicht Straches auf EU-Mandat aus – Comeback 2020 in Wien?

Am heutigen Donnerstag will der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer mit seinem Amtsvorgänger Heinz-Christian Strache zusammentreffen und unter anderem über die Annahme des Vorzugsstimmenmandats im EU-Parlament sprechen. Sollte Strache darauf verzichten, könnte dies einen strategischen Grund haben.
Titelbild
Der designierte Bundesparteichef der FPÖ, Norbert Hofer, will mit Heinz-Christian Strache über das EU-Mandat sprechen.Foto: Michael Gruber/Getty Images
Von 13. Juni 2019

Der designierte Bundesparteichef der FPÖ, Norbert Hofer, glaubt nicht, dass sein zurückgetretener Amtsvorgänger Heinz-Christian Strache sein Vorzugsstimmenmandat im Europäischen Parlament annehmen wird. Am Mittwochabend (12.6.) erklärte Hofer in der „ZiB 2“: „Ich habe den Eindruck, dass er eher dazu tendiert, das Mandat nicht anzunehmen.“

Wie die „Kronen Zeitung“ berichtet, will Hofer am heutigen Donnerstag mit Strache zusammentreffen und unter anderem über die Annahme des Mandats sprechen, das dem früheren Vizekanzler zustehen würde, weil 45 000 Wähler ihm bei der EU-Wahl eine Vorzugsstimme gegeben hatten.

Strache, der bis dato offengelassen hatte, ob er das Mandat annehmen wird, müsste allerdings aktiv seinen Verzicht erklären. Äußert er sich bis zur Konstituierung des neu gewählten EU-Parlaments am 2. Juli nicht, gilt das Mandat automatisch als angenommen. 

Strache will auf jeden Fall „einfaches Parteimitglied“ bleiben

Bislang galt es als Stand der Dinge, dass Strache, sollte er das EU-Mandat annehmen, gleichzeitig auf sämtliche Funktionen innerhalb der Partei verzichten würde. Strache selbst erklärte zuletzt am 4. Juni auf Facebook, über die Frage, ob er das Mandat annehmen werde, noch nicht entschieden zu haben:

„Nicht aus Unsicherheit, sondern vielmehr aufgrund meines unbedingten Willens und Wunsches, zunächst aufzuklären und erst dann für mich und mit meiner Familie zu befinden, wie meine politische Zukunft aussehen wird. Ich bin und bleibe mit Leidenschaft ein Vollblut-Politiker. Dennoch muss und wird der nächste Schritt von mir sorgfältig abgewogen werden. Es geht hierbei nicht um mich, sondern darum, was für die Partei und dieses Land das Beste ist. Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich Wort halte und die richtige persönliche Entscheidung treffen werde, wenn es soweit ist.“

Wie immer seine Entscheidung ausfalle, bleibe er „als einfaches Mitglied der FPÖ auch Teil der Freiheitlichen Familie, die gerade in diesen schweren Zeiten einen beachtenswerten Zusammenhalt und damit Stabilität und Verlässlichkeit unter Beweis stellt“.

Als „einfaches Parteimitglied“ hatte sich auch der 2008 verstorbene, langjährige frühere Parteichef Jörg Haider bezeichnet, nachdem er im Jahr 2000 seinen Vorsitz zurückgelegt hatte, um die ins Visier der EU-Kommission geratene, neu konstituierte schwarz-blaue Bundesregierung aus der Schusslinie zu bringen. Als „einfaches Parteimitglied“ übte Haider auch weiterhin erheblichen Einfluss aus, unter anderem 2002, als seine Anhänger auf der „Knittelfelder Versammlung“ das Kabinett Schüssel I vorzeitig zu Fall brachten.

Parteiausschluss vom Tisch

Hofer wies gegenüber der „ZiB 2“ Spekulationen zurück, Strache drohe im Fall der Annahme des EU-Mandats ein Parteiausschlussverfahren. Vereinzelte Äußerungen von Provinzfunktionären hatten diese genährt und zu heftigen Reaktionen von FPÖ-Anhängern in sozialen Medien geführt.

Was Strache im Ibiza-Video aus dem Jahr 2017 gesagt habe, sei „komplett falsch“ gewesen, betonte Hofer, aber es sei auch „nie umgesetzt worden“. Man könne die Lebensleistung Straches nicht auf der Basis der sieben Stunden des illegal angefertigten Videos beurteilen. Diese sei „in Bilanz positiv“.

Der frühere Haider-Vertraute und spätere BZÖ-Klubchef Stefan Petzner hingegen rechnet in einem Interview mit „heute.at“ damit, dass Strache das EU-Mandat annimmt. Der frühere FPÖ-Chef habe „keine Alternative“, meint Petzner. „Was macht ein 50-jähriger Berufspolitiker wie Strache, wenn er nicht mehr Politiker ist? Dass er wieder Zahntechniker wird, halte ich für unwahrscheinlich.“

Einen Parteiausschluss halte er nicht für empfehlenswert. Zudem teile er Befürchtungen nicht, ein EU-Mandat für Strache könne der Partei schaden. Außerdem werde dieser „das wahrscheinliche Ende der strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn auch als eine Art Persilschein seitens der Justiz zu verwenden wissen“.

Juristen gehen davon aus, dass Straches Gedankenspiele im „Ibiza-Video“ über mögliche Wege, die Kontrolle über Medien zu übernehmen oder öffentliche Aufträge im Gegenzug zu finanziellen Zuwendungen politisch zu beeinflussen, rein hypothetische Spekulationen ohne jedwede rechtliche Relevanz darstellen.

Enttarnung der „Ibiza“-Hintermänner bis 2020 erhofft

Sollte Strache sein Mandat nicht annehmen, könnte dies jedoch auch mit strategischen Überlegungen zusammenhängen. Spätestens 2020 wird in Wien ein neuer Gemeinderat gewählt, der dort gleichzeitig die Funktion des Landtags hat. Strache gilt insbesondere in der Bundeshauptstadt immer noch als wichtiges Zugpferd – und es ist damit zu rechnen, dass bis dahin die Ermittlungen wegen des Ibiza-Videos eingestellt und möglicherweise auch dessen Hintermänner enthüllt sein werden. Dies könnte dem langjährigen FPÖ-Chef Rückenwind für ein Comeback in seinem Heimatverband verleihen.

Gleichzeitig würde ein möglicher EU-Mandatsverzicht Straches dessen innerparteilichen Gegnern die Möglichkeit nehmen, diesem ein allfälliges durchwachsenes Ergebnis der Partei bei den bevorstehenden Nationalratswahlen anzulasten. Jüngsten Umfragen zufolge schwanken die Freiheitlichen zwischen 17 und 21 Prozent. Bei den vorangegangenen Nationalratswahlen des Jahres 2017 hatten sie knapp 26 Prozent erzielt.

Sowohl der designierte Landeschef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, als auch Generalsekretär Christian Hafenecker haben sich jüngst für ein Strache-Comeback bei der Wien-Wahl ausgesprochen, insbesondere für den Fall, dass aufgeklärt werde, „welche Mächte und Kräfte hinter dem Video stecken“.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion