Orbán: „Die Deutschen sollten mehr an die Interessen der Deutschen denken“

Ungarns Ministerpräsident forderte bei seinem Besuch in Deutschland im Ukraine-Krieg den sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen – und zwar zwischen Russland und Amerika. Der Mann, der aus seiner Sicht Frieden bringen könnte, sei Donald Trump, auch wenn es „brutal“ klinge.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban setzt auf Donald Trump.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bei einer Podiumsdiskussion am 11. Oktober in Berlin.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 12. Oktober 2022

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán traf sich bei seinem zweitägigen Aufenthalt in Deutschland mit Bundeskanzler Scholz, CDU-Vertretern und Angela Merkel. Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion am 11. Oktober der „Berliner Zeitung“ und des Politikmagazins „Cicero“ sprach er ausführlich über den Ukraine-Krieg. Die Sanktionspolitik der Europäischen Kommission bezeichnete er als „katastrophal“. Die Rolle des Westens in der Welt sei schwächer denn je.

Gäste und zugleich Moderatoren im Gespräch mit Ungarns Regierungschef waren Holger Friedrich, Verleger der „Berliner Zeitung“ und der Chefredakteur des politischen Magazins „Cicero“, Alexander Marquier. Die Veranstaltung trug den Titel „Sturm über Europa – der Ukrainekrieg, die Energiekrise und geopolitische Herausforderungen“.

Donald Trump soll Konflikt lösen

Ein sofortiger Waffenstillstand und Friedensverhandlungen sind laut Orbán der Schlüssel für die Lösung der Konflikte. Allerdings dürfe dieser nicht zwischen der Ukraine und Russland, sondern zwischen Amerika und Russland geschlossen werden, erklärte Orbán.

Der ukrainisch-russische Krieg sei heute offen, weil die Amerikaner ihn offen haben wollten und ihn deshalb auch schließen könnten.“, so der Ministerpräsident.

Orbán betonte auch, dass die politische Sympathie der ganzen Welt für die Ukraine von den amerikanischen Medien aufrechterhalten werde.

Der derzeitige US-Präsident sei laut Orbán zu weit gegangen. Er habe Dinge gesagt, die nur schwer wieder rückgängig zu machen seien, wie etwa, dass Putin ein Massenmörder und Kriegsverbrecher sei und dass er scheitern müsse. Daraus leitete Orbán die folgende Lösung für einen dringenden Dialog zwischen Amerika und Russland ab:

Es wird brutal klingen, dies zu sagen, aber der Name der Hoffnung auf Frieden ist: Donald Trump!“

Der Konflikt war abzusehen

Vor Kriegsbeginn war Orbán drei Wochen in Moskau gewesen und habe fünf Stunden lang mit Putin „in einer Art Friedensmission“ gesprochen, sagte er.

Putin machte damals deutlich, dass er einen NATO-Beitritt der Ukraine niemals zulassen würde“, so Orbán.

Der ungarische Ministerpräsident habe damals schon an der Ernsthaftigkeit des Gesprächs erkannt, dass es ein Problem gab und sich zum NATO-Hauptquartier in Brüssel begeben, um den Generalsekretär zu informieren. Kurze Zeit später hätten sich seine Befürchtungen bestätigt und der Krieg sei ausgebrochen.

Deutschland sollte an das Interesse der Deutschen denken

Nach Ansicht des Premierministers besteht einer der größten strategischen Fehler darin, dass sich der gesamte Diskurs über den Krieg zu sehr auf Putin konzentriere. Jeder spreche darüber, was der russische Präsident wohl plant, morgen als Nächstes zu tun und so weiter …

So wie Orbán an Ungarn und Europa interessiert ist, sollten seiner Meinung nach auch die Deutschen daran denken, was im deutschen Interesse liegt, und nicht daran, was Putin im Sinn haben könnte.

Ich bin nicht bereit, den Ukrainern zu helfen und gleichzeitig Ungarn zu zerstören, während die Ungarn sterben“, sagte Orbán.

Bei Verhandlungen sollte natürlich auch die Position der Ukrainer berücksichtigt werden, betonte er: „Und ich denke, die Position der Ukrainer wird von den Ungarn am besten verstanden. Früher sprach man von Butscha, 1956 hieß Butscha noch Budapest. Wenn jemand weiß, was militärische Angriffe und Unterdrückung bedeuten, dann wir“.

‚Unser Zelensky‘ wurde nach der 56. Revolution gehängt“, sagte Orbán.

Orbán: Unter Merkel wäre der Krieg sicher nicht ausgebrochen

„Den Ungarn muss man nicht erklären, wie brutal ein russischer Krieg sein kann. Und deshalb muss alles für die Ukraine getan werden, und das Beste, was wir jetzt tun können, ist ein Waffenstillstand“, betonte der Politiker.

Die Suche nach einer Lösung warf aber auch die Frage auf, ob ein Krieg hätte vermieden werden können.

Orbán sagte diesbezüglich, er hätte zwar in der Vergangenheit ein paar „brutale Scharmützel“ mit Angela Merkel gehabt, aber was Merkel während der Krim-Krise 2014 getan habe, sei eine Meisterleistung gewesen.

Wäre Merkel Bundeskanzlerin, wäre der Krieg in der Ukraine mit Sicherheit nicht ausgebrochen, bestätigte Orbán. „Was Angela Merkel getan hat, war ein Meisterwerk“.

Der jetzige Krieg hätte schon damals ausbrechen können, aber die Deutschen hätten sofort Verhandlungen aufgenommen und den Konflikt ausgeräumt. Als der Krieg diesmal ausbrach, habe es in Europa leider niemanden gegeben, der versucht habe, das Problem aus dem Weg zu räumen, sagte er.

„Die Russen profitieren sogar von den Sanktionen“

Der Ungar wies darauf hin, dass seine Position in der EU derzeit heikel sei, da es in der Debatte darum gehe, den Ungarn erhebliche Mittel zu entziehen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, die EU-Sanktionen offen als „katastrophal und primitiv“ zu bezeichnen.

Die EU müsse nüchtern bleiben und die Sanktionen überdenken. Im Moment sei es nicht so, dass Russland unter ihnen leidet. Im Gegenteil würden die Russen sogar von den Sanktionen profitieren.

Die Preise sind in die Höhe geschossen, und wir haben den Russen wegen der primitiven Sanktionen noch zusätzliches Geld gegeben“, sagte er.

Laut dem Ministerpräsidenten liege das längerfristige europäische Interesse nicht darin, die russische Energieabhängigkeit durch die amerikanische zu ersetzen, sondern unabhängig zu sein. „Wir wollen nicht den Besitzer wechseln“. D.h. die Option zu haben im Wettbewerb, Energie von mehr Ländern kaufen zu können.

„Die Zukunft unserer Kinder steht auf dem Spiel“

Auch die Konflikte Orbáns mit der EU waren bei der Diskussion Thema. Orbán zufolge kämen die Konflikte mit den EU-Institutionen daher, dass diese den Ungarn vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben.

„Ich kann unseren eigenen Kindern kein Land übergeben, das die Familie, die Migration, den Multikulturalismus auf der Grundlage einer Brüsseler Richtlinie regelt, das ist unmöglich“, sagte Orbán. Auch könne er ein verschuldetes Land nicht an seine Kinder übergeben.

Orbán mahnte auch die Deutschen zur Vorsicht: Wenn die EU die Einstimmigkeitsregel in außenpolitischen Fragen in eine Mehrheitsregel umwandelt, ginge das seiner Meinung nach in die falsche Richtung.

Zu den Gesprächen mit Olaf Scholz sagte der Ministerpräsident, diese seien „sehr spannend“ gewesen.

Scholz versteht die Dinge schnell und umfassend, mit ihm kann man gut reden. Dass ich nichts erreicht habe, ist eine andere Sache, aber die Verhandlung selbst war trotzdem gut, und ein Ungar weiß das zu schätzen.“, sagte er.

Scholz hatte sich Orbáns Position angehört, sie aber weder abgelehnt noch unterstützt.

Trennlinie verläuft durch Europa

Während des Interviews erklärte Orbán, was die Ungarn antreibt und wohin er als Ministerpräsident sein Land steuern will.

Zu Fragen des Nationalstolzes, des Familienkonzepts und der Geschlechterpolitik gebe es eine Trennlinie, die durch Europa verlaufe. Östlich dieser Linie werde die Migration eher als Bedrohung denn als Bereicherung gesehen.

Für die Deutschen hört sich das sicher schrecklich an, aber östlich dieser Linie ist der Nationalstolz eine wichtige Triebkraft“, so Orbán.

Diese Auffassung werde von den progressiven Liberalen ständig angegriffen. Deshalb ist es für die Visegrád-Staaten so wichtig, geschlossen für konservative Werte einzutreten.

Auf die kritische Frage, warum viele Menschen den Politiker beschuldigen, ein trojanisches Pferd Putins zu sein, antwortete er, dass er immer nur die ungarischen Interessen vertrete.

„Das Nationalgefühl ist sehr stark in Ungarn. Wenn du nicht frei bist als Nation, bist du nicht frei als Individuum“, so Orbáns Fazit.

(Susan Berg hat zu dem Artikel beigetragen)



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