Polnischer Vize-Außenminister: Brüssel will ungarische Regierung ersetzen

Sie ist kompliziert, die Beziehung zwischen Brüssel und der ungarischen Regierung. Hinter der offiziellen Rüge um die Verwendung von EU-Geldern und Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sehen Kritiker weitreichendere Pläne. Eine von Brüssel unterstützte Schattenregierung soll bereits existieren.
Titelbild
Die Flaggen der Länder der Europäischen Union sind vor der EU-Erweiterungszeremonie am 30. April 2004.Foto: Ian Waldie/Getty Images
Von 24. September 2022

Die EU-Kommission ist der Meinung, dass sie einen Teil der Mittel für Ungarn einbehalten sollte. Grund seien Bedenken wegen der schlechten Verwaltung von EU-Geldern. Dies gilt vor allem dann, wenn die Regierung ihren Verpflichtungen zur Behebung der Verstöße nicht fristgerecht nachkommt.

Der stellvertretende polnische Außenminister Piotr Wawrzyk hält die von der Kommission vorgebrachten Argumente indes für einen bloßen Vorwand. Gegenüber der Nachrichtenagentur PAP fand Wawrzyk am Dienstag, 20. September, bezüglich des EU-Vorschlags, Ungarn EU-Mittel in Höhe von 7,5 Milliarden Euro zu streichen, klare Worte:

Das eigentliche Ziel Brüssels ist es, die ungarische Regierung zu ersetzen.“

Weiter sagte er, es gebe Mitgliedstaaten, in denen die Europäische Kommission schwerwiegende Korruptionsprobleme bei der Verwendung von EU-Mitteln feststelle, gegen die jedoch noch kein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden sei.

Die Kommission „mag bestimmte Regierungen nicht, weil sie die Ansichten des sogenannten europäischen Mainstreams nicht teilen“. Das Gremium wende daher „verschiedene juristische Tricks“ an, um zu versuchen, diese Regierungen zu ersetzen, so Wawrzyk und fügte hinzu, dass „dieses Verfahren bisher praktisch erfolglos war“.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am 20. Dezember 2018 in London. Foto: Niklas Halle’n – WPA Pool/Getty Images

Ungarn zuerst, Regierung in Polen könnte folgen

Der stellvertretende Minister sagte auch, dass einer der Gründe für die aktuellen Ereignisse darin bestehen könnte, an Ungarn ein Exempel zu statuieren, um andere Regierungen abzuschrecken, die nicht die von ihnen geforderte Politik verfolgen wollen.

Wie „Hungary Today“ berichtet hat, hatte auch bereits der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am Sonntag, 18. September, erklärt, Polen werde sich entschieden dagegen wehren, dass die europäischen Institutionen Ungarn EU-Gelder vorenthalten.

Darüber hinaus wird in polnischen Expertenkreisen darüber diskutiert, ob die Europäische Kommission ähnliche Maßnahmen gegen Polen anwenden möchte wie gegen die Budapester Regierung, berichtet „Notes from Poland“.

Auch Janusz Kowalski, stellvertretender Minister in der polnischen Regierung, warnte in einem Twitter-Post, dass Polen nach Ungarn das nächste Ziel für einen „illegalen Entzug von Geldmitteln“ sein könnte, da „Eurokraten das Rückgrat souveräner Staaten brechen, die NEIN zur EU-Föderalisierung sagen“.

Warschau hat sich in den letzten Monaten mit Brüssel über die Freigabe von rund 36 Milliarden Euro aus dem EU-Fonds für den Wiederaufbau nach der Pandemie gestritten, den die Europäische Kommission wegen Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingefroren hat, so „Notes from Poland“.

Slowakischer Abgeordneter: Gemeinsam gegen die zentralistischen Eliten in Brüssel

Miroslav Radačovský, Europaabgeordneter der slowakischen Partei Slovak PATRIOT, sprach am Mittwoch, 21. September, nach der Debatte über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn:

„Ich bin mit der Entschließung des Europäischen Parlaments zu Ungarn nicht einverstanden. Es gibt wohl keinen Staat in Europa, der sich der Kritik entziehen kann, gegen Artikel 2 über die Funktionsweise der EU verstoßen zu haben. Aber Sie haben sich für Ungarn entschieden. Nur Ungarn und Polen.“

Er stellte die Frage: „Seien wir ehrlich: Sie sind wütend darüber, dass die Bürger Ungarns trotz der breit angelegten EU-Kampagne gegen Viktor Orbán und die Fidesz in demokratischen und freien Wahlen erneut für eine christlich-konservative Regierung gestimmt haben. Dies ist eine objektive Realität, eine unbestreitbare Tatsache.“

Der Abgeordnete sprach daraufhin auf Ungarisch:

„Liebe ungarische Freunde, bewahrt den Glauben! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die derzeitige slowakische Regierung stürzt. Dann werden wir gemeinsam gegen die zentralistischen Eliten in Brüssel kämpfen. Ungarn und die Slowakei, aber es wird auch andere Länder geben. Hebe deinen Kopf, Ungarn.“

Kroatischer Premierminister gegen „Brüsseler Klugscheißer“

Auch der kroatische Staatschef Zoran Milanovic kritisierte den Vorschlag der Europäischen Kommission scharf.

Laut dem kroatischen öffentlichen Fernsehen (HRT) sagte Milanovic, er werde dafür kämpfen, dass Ungarn nicht aus ideologischen Gründen Geld entzogen werde. Er nannte die Mitglieder der EU-Exekutive „Brüsseler Klugscheißer“.

Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic am 18. Dezember 2015 in Brüssel. Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

„Das ist eine Katastrophe und ich werde der erste sein, der dafür kämpft, dass so etwas in Ungarn nicht passiert“, sagte er.

Milanovic betonte jedoch auch, er dürfe nicht müde werden, objektive Kritik zu üben, wenn Ministerpräsident Viktor Orbán „in bestimmten Fällen etwas falsch macht. Aber ihm zwei Drittel seines Geldes wegnehmen? Was ist der nächste Schritt? Sollen wir ihn nach Russland drängen?“

Zerstrittene Opposition: Linke Schattenregierung(en) auf EU-Kurs

Und was sagt Ungarn? Laut Orbán laufen die Vorbereitungen seiner vermeintlichen Nachfolger bereits: Eine neue linke Schattenregierung, die ihn ablösen soll, werde von Brüssel unterstützt.

Die Demokratische Koalition, die Partei der ungarischen Linken, bildete am 16. September ihre Schattenregierung. Nach Ansicht der Europaabgeordneten Klára Dobrev, Premieministerin der inoffiziellen Regierung, ist die Krise nicht in erster Linie durch den Krieg verursacht, sondern durch die Orbán-Regierung. Dobrev betonte, dass die Demokratische Koalition eine linke Alternative biete. Weiter sagte sie:

Nur wenn die Regierung von Viktor Orbán fällt, wird es endlich Frieden in diesem Land geben, nur wenn die Regierung von Viktor Orbán fällt, wird es eine Zukunft für das europäische Ungarn geben. Und das ist unsere Aufgabe.“

Im Zusammenhang mit der Politik und den Beziehungen zur EU sagte sie:

Ich glaube, dass Ungarn nur stark sein kann, wenn es enge Verbündete in Europa hat. Als Schattenministerpräsidentin sehe ich eine meiner wichtigsten Aufgaben darin, die Partnerschaften, die durch Orbáns Anti-EU-Politik zerbrochen sind, wiederherzustellen“, so Dobrev in einem ihrer letzten Facebook-Posts.

Die Schattenregierung ist dem britischen Modell nachempfunden. In der Tat wurde ein alternatives Gremium geschaffen, das der Ministerstruktur der amtierenden Regierung folgt. Es geht darum, zu zeigen, wie die Oppositionspartei handeln würde, wenn sie an der Regierung wäre.

Die ungarische Opposition ist jedoch nicht geeint und die Bewegung unter der Führung des ehemaligen Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten Péter Márki-Zay hat bereits ihre „Koalition der Reinen“ angekündigt. Die Einzelheiten sind noch nicht bekannt, aber sie haben sich als Rivalen von Dobrevs Schattenregierung definiert.

Regierung Ungarns hat überwältigende Mehrheit

Die ungarische Regierungspartei reagierte in einer Erklärung auf die Bildung der Schattenregierung und erklärte, dass es die Linke sei, die das Land an den Rand des Bankrotts gebracht habe. Die Ungarn wollen damit nichts zu tun haben.

„Bei den Wahlen im April hat sich eine überwältigende Mehrheit der Menschen zum vierten Mal gegen die Ära Gyurcsány [den ehemaligen linken Parteiführer] ausgesprochen. Es ist an der Zeit, dass die Linke den Willen der Wähler akzeptiert“, steht in der Erklärung.

Ministerpräsident Viktor Orbán sagte laut der regierungsnahen Zeitung „Magyar Nemzet“ auf der Fraktionssitzung der Fidesz-Partei, dass Brüsseler Bürokraten und Soros-NGOs diese Schattenregierung an die Macht bringen wollten. Seiner Ansicht nach gehe dies auch aus der Tatsache hervor, dass sie sie bezahlten. Das hätten sie im Wahlkampf getan und das täten sie auch jetzt, wurde Orbán zitiert.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion