Organbeschaffung in China: Neue Publikation zeigt Missbrauch der Hirntod-Definition

Chinesische Publikationen legen den Schluss nahe, dass Mediziner in dem weltweit bevölkerungsreichsten Land Menschen einfach für hirntot erklärten, um ihre Organe entnehmen zu können.
Neue Publikation zeigt Missbrauch der Hirntod-Definition in China
Ärzte bei einer Operation.Foto: iStock
Von 26. September 2022

Ein Ende Juli veröffentlichter Artikel in der Fachzeitschrift „Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics“ kommt zu dem Schluss, dass chinesische Mediziner Menschen für hirntot und somit für lebende Organspender erklärt hätten, ohne eine Hirntoddiagnose durchgeführt zu haben. Die Opfer hätten weder die Kriterien für einen Hirntod noch des Herztods erfüllt und seien durch Organentnahme schließlich getötet worden, heißt es in dem Bericht.

Für ihre Auswertung, erschienen unter dem Titel „Cases Abusing Brain Death Definition in Organ Procurement in China“, nutzten die Autoren ausgewählte Publikationen aus chinesischen Medizinzeitschriften. Die Organentnahme fand in Militärkrankenhäusern, Universitätskliniken und anderen zivilen Krankenhäusern statt.

„Organspende nach Hirntod“ wird in China seit 2003 praktiziert, obwohl es keine Rechtsvorschriften zum Hirntod gibt. Es existieren allerdings eine im Jahr 2003 erstellte Abfassung von Standards zur Feststellung des Hirntodes sowie entsprechende technische Spezifikationen durch das chinesische Gesundheitsministerium. Diese sind 2009 und 2013 durch das Ministerium überarbeitet worden und seien laut einer Vergleichsstudie strenger als die in den Vereinigten Staaten.

Allerdings würden diese Kriterien und technischen Spezifikationen nur einen Vorschlag für einen medizinischen Standard darstellen, so die Autoren. Es handele sich weder um ein Standardverfahren noch um eine verbindliche Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift für Ärzte. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis: „In China gibt es noch keine Gesetzgebung zum Hirntod, und der Kreislauftod ist der gesetzliche Standard.“

„Es wurde einfach behauptet, dass sie hirntot waren“

Ähnlich wie bei internationalen Standards umfassen die chinesischen Hirntodempfehlungen für Diagnosekriterien drei Dinge: Koma, das Fehlen von Hirnstammreflexen und das Fehlen der Spontanatmung. „Nach den chinesischen Kriterien muss das Fehlen der Spontanatmung mit einem Apnoe-Test überprüft werden. Dabei wird das Beatmungsgerät für acht Minuten abgeschaltet, um eine Spontanatmung zu provozieren“, so die Autoren des Artikels.

Die chinesischen Empfehlungen zur Feststellung des Hirntods würden betonen, dass „Apnoe und die vollständige Abhängigkeit von einem mechanischen Beatmungsgerät zur Aufrechterhaltung der Beatmung für die Feststellung des Hirntods notwendig sind“. Anders gesagt: Ein Patient, bei dem der Hirntod festgestellt wird, muss bereits an einem Beatmungsgerät angeschlossen sein.

In den von den Autoren vorgefundenen 21 Fällen, die in China veröffentlicht wurden, wäre die Intubation zur künstlichen Beatmung jedoch erst nach dem „Hirntod“ durchgeführt worden. „Und auf die Intubationen folgte unmittelbar die Organentnahme. Das deutet darauf hin, dass die mechanische Beatmung nur dem Zweck der Organentnahme diente“, heißt es im Artikel. Weder der Begriff „Hirntodfeststellung“ noch der Begriff „Hirntoddiagnose“ seien in den betreffenden chinesischen Publikationen zu finden. Auch sei keine Rede von einem Apnoe-Test.

Daraus schlussfolgern die Autoren in dem Artikel: „Es wurde einfach behauptet, dass die ‚Spender‘ hirntot waren, ohne dass ein Bestimmungsverfahren oder Kriterien genannt wurden. Im Gegenteil, eine Hirntodbestimmung wurde offensichtlich nicht durchgeführt, da die Spender vor der Organbeschaffung nicht beatmet wurden.“

„90 Prozent der Ärzte wissen nicht, wie Hirntod funktioniert“

Für die Autoren ist es rätselhaft, wie solch oberflächliche Fehler wie die „Nach-Hirntod-Intubation“ veröffentlicht werden konnten. „Eine Erklärung ist, dass es den Autoren egal ist, was sie veröffentlichen, weil es ohnehin keine Konsequenzen hätte.“

Die wahrscheinlichere Möglichkeit sei aber, dass die Autoren den Hirntod nicht verstanden hätten und sich nicht bewusst gewesen seien, dass sie damit ihr eigenes Verbrechen dokumentieren würden, schlussfolgern die Autoren in dem Artikel. Bei den 21 entdeckten Fällen geht es um Organentnahme, die zwischen 2003 und 2013 stattfand.

Huang Jiefu gab 2013 als Leiter der Stiftung zur Entwicklung der Organtransplantation in China gegenüber chinesischen Medien zu, dass „90 Prozent der [chinesischen] Ärzte nicht wissen, wie der Hirntod funktioniert“. Daher sei es wahrscheinlich, dass die Autoren der betreffenden chinesischen Publikationen den Begriff „Hirntod“ nur als Vorwand nutzten, um die tatsächliche Quelle der Organe zu verschleiern – da sie offenbar illegal gewesen sei, heißt es im Artikel.

Illegale Transplantationen

Bereits seit Jahren steht China in der Kritik, seine Transplantationsmedizin immer wieder zu missbrauchen. Huang Jiefu, früherer Vizeminister für Gesundheit und späterer Leiter des chinesischen Transplantationssektors, schrieb im Jahr 2007, dass 95 Prozent aller Organtransplantationen von Todeskandidaten stammen würden. 2014 versprach er, dass man ab 1. Januar 2015 keine Organe mehr von Todeskandidaten nutzen würde, sondern nur noch Organe aus dem nationalen Organvergabesystem COTRS, die von Bürgern freiwillig gespendet werden.

Jüngste Erkenntnisse würden laut den Autoren des Artikels allerdings darauf hindeuten, dass auch nach 2015 ein beträchtlicher Teil der in China für Transplantationen verwendeten Organe auf illegalem Weg gewonnen würde. Ein durchgesickerter interner Datenüberprüfungsbericht des COTRS hätte ergeben, dass eine relativ große Zahl von Transplantationsorganen nicht vom COTRS stamme.

Bei den Transplantaten handelt es sich laut dem internen COTRS-Bericht um Organe aus „unbekannten Quellen“ und somit – nach chinesischer Definition – um illegale Transplantationen. Entdeckt wurden die Fälle, als man die Daten der China Liver Transplant Registry (CLTR) und des Chinese Scientific Registry of Kidney Transplantation (CSRKT) mit dem zentralen Organvergabesystem COTRS abglich.

Im Zeitraum von Januar 2015 bis April 2018 seien laut dem chinesischen Bericht 102 Transplantationen, die in der Provinz Zhejiang durchgeführt wurden, nicht im COTRS registriert worden, berichten die Autoren. In ganz China seien mehr als 2.000 Transplantationen aus „unbekannten“ Quellen festgestellt worden. In mehr als 10.000 Fällen seien zudem die Patientendaten im COTRS eine Stunde vor der Organvergabe manipuliert worden.

Das scheint jedoch noch nicht alles zu sein: „Es ist denkbar, dass mehr illegale Transplantationen diesem Register erst gar nicht gemeldet wurden und daher in den COTRS-Datenprüfberichten unerkannt blieben“, schlussfolgern die Autoren aus den Zahlen verschiedener chinesischer Publikationen. Sie gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der illegalen Organtransplantationen noch viel höher ist.

Studie: Spender während des chirurgischen Eingriffs wohl noch am Leben

Genau davon sprach auch eine Anfang April 2022 im „American Journal of Transplantation“ veröffentlichte Studie von Matthew P. Robertson und Jacob Lavee. Diese untersuchte Tausende chinesische medizinische Veröffentlichungen, die von Transplantationschirurgen zum Thema Herz- und Lungenentnahme verfasst wurden.

Robertson und Lavee belegen, dass in China Organentnahmen von lebenden Menschen ohne Feststellung des Hirntods systematisch durchgeführt worden seien. Bei ihrer Untersuchung fanden die Wissenschaftler insgesamt 71 – zwischen 1980 und 2015 – veröffentlichte Arbeiten, in denen chinesische Ärzte beschrieben, wie sie „Hirntodspendern“ Organe entnommen hätten, ohne den Hirntod des Spenders mittels eines Apnoe-Tests überprüft zu haben. Der Apnoe-Test gilt als internationale Standardmethode zur Feststellung des Hirntodes.

Zudem wurden andere Unregelmäßigkeiten festgestellt, die darauf hindeuten würden, dass die Spender während des gesamten chirurgischen Eingriffs noch am Leben gewesen seien. Dr. Jacob Lavee erklärt: „Diese Ärzte haben selbst zugegeben, dass sie der Organbeschaffung Vorrang vor der Einhaltung des grundlegendsten ärztlichen Eids – [nämlich] zuerst keinen Schaden anzurichten – einräumten.“

Die Studie weist auch auf die ungewöhnlich kurzen Wartezeiten für Organe in China hin. Dies gilt als weiteres Indiz dafür, dass die Organe offensichtlich von lebenden Opfern stammen würden.

Wer sind die Opfer der illegalen Organentnahme? Im März 2020 kam das unabhängige China-Tribunal in London unter dem Vorsitz des britischen Rechtsanwalts Sir Geoffrey Nice zu dem Schluss, dass erzwungene Organentnahme an mehreren Orten in Festlandchina über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren in China stattgefunden hätte und weiter fortgesetzt würde.

Zuvor gab es eine Beweisaufnahme samt Anhörung von 30 Zeugen, Ermittlern und Experten. Das Tribunal kam am Ende zu dem Schluss, dass in ganz China seit Jahren in großem Umfang Zwangsorganentnahmen durchgeführt worden seien und dass Falun-Gong-Praktizierende eine Quelle – und wahrscheinlich auch die Hauptquelle – für Organe seien. Eine weitere Quelle seien laut dem Tribunal auch uigurische Muslime.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 63, vom 24. September 2022.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion