Patt in Italien: Linke hält historische Hochburg – Salvini und die Rechte triumphiert in Kalabrien

Italiens Linker gelang es bei den Regionalwahlen in Italien, ihre jahrzehntelange Hochburg Emilia Romagna zu halten. Ein vorzeitiges Ende der Koalition in Rom ist damit vorerst abgewendet. Sie verlor jedoch Kalabrien deutlich – und die „Fünf Sterne“ verglühten.
Titelbild
Der Vorsitzende der italienischen Lega, Matteo Salvini, und die Mitte-Rechts-Senatorin und Regionalkandidatin Lucia Borgonzoni auf einer Wahlkampfkundgebung am 18. Januar 2020 in Maranello.Foto: ANDREAS SOLARO/AFP über Getty Images
Von 27. Januar 2020

Für Italiens Linke ist die norditalienische Region Emilia Romagna in etwa das, was Bayern bis vor kurzem für die CSU war oder der Norden Ostfrieslands für die SPD ist: Sogar als die Kommunistische Partei Italiens (KPI) noch unter ihrem ursprünglichen Namen auftrat, gelangen ihr regelmäßig Ergebnisse nahe der 50-Prozent-Marke. Addierte man die Ergebnisse aller linken Kräfte, lagen diese zusammen über fast sieben Jahrzehnte hinweg deutlich über der absoluten Mehrheit.

Das Durchschnittsalter in der Region ist hoch, sie gilt als eine der wohlhabendsten in ganz Italien. Auch die Unternehmerschaft hatte sich über die Jahrzehnte hinweg mit der Linken arrangiert, der genossenschaftliche Sektor hat einen hohen Stellenwert in der Emilia Romagna. Es war demnach eine riskante Wette für Lega-Chef Matteo Salvini, mit einem Sieg des Mitte-Rechts-Lagers ausgerechnet in der als uneinnehmbar geltenden Festung der Linken die Regierung in Rom in die Knie zwingen zu wollen.

Hätte das Bündnis aus Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia tatsächlich die Mehrheit in der Region geholt, wäre ein vorzeitiges Ende des Regierungsbündnisses aus sozialistischer Demokratischer Partei (PD) und linkspopulistischer „Fünf Sterne“-Bewegung (M5S) als unausweichlich erschienen. Bereits im Oktober des Vorjahres hatte das Rechtsbündnis in Umbrien einen Erdrutschsieg gegen die Linke in einem ihrer Kernländer errungen. Umbrien ist im Unterschied zur Emilia Romagna jedoch arm und weist nur eine geringe Bevölkerungszahl auf.

George Soros lobte im Vorfeld der Wahl „Sardinen“-Bewegung

Im November sahen Umfragen Linksbündnis und die Lega-geführte Rechtsallianz noch gleichauf, zum Teil lag die Rechte sogar voran. Dass die Regierung in Rom mit einer Öko-Abgabe auf Plastik auch noch der exportintensiven Verpackungsindustrie in der Region Kopfzerbrechen bereitete, steigerte die Unsicherheit auf der Linken noch zusätzlich. Am Ende entschloss sich die Zentralregierung jedoch, die Sondersteuer zu halbieren und deren Inkrafttreten bis Juli aufzuschieben.

Gleichzeitig mobilisierte die Linke – teils auch mit Unterstützung ausländischer Gönner – bis zum Wahltag massiv und konnte von einer deutlich höheren Wahlbeteiligung profitieren. Der „EU-Observer“ nannte in diesem Zusammenhang die „Sardinen“-Bewegung, die mobil gemacht hatte in Anbetracht der Drohung Salvinis, die Region von der Linken zu „befreien“. Mit Massendemonstrationen und Initiativen zur Steigerung der Wahlteilnahme war die vermeintliche Graswurzelbewegung, die unter anderem mit dem US-Milliardär George Soros einen prominenten Fürsprecher gewinnen konnte, bis zum Wahltag in der Öffentlichkeit präsent und trommelte für Regionalpräsident Stefano Bonaccini.

Die Rechte konterte mit Social-Media-Kampagnen. Dem EU-Observer zufolge soll Salvinis Lega allein in den vergangenen 30 Tagen nicht weniger als 143 000 Euro für Facebook-Anzeigenschaltungen ausgegeben haben. Zudem engagierte Salvini, der in seiner Kampagne vor allem auf EU-Kritik und das Thema Migration setzte, sich auch persönlich im Haustür-Wahlkampf. Dieser blieb nicht frei von Irritationen: So fragte Salvini einen seit Jahren in Bologna beheimateten Tunesier, der ihm geöffnet hatte, ob dieser ein Drogendealer sei.

Erdrutschsieg für Rechte in Kalabrien

Am Ende stieg die Wahlbeteiligung von 37 Prozent im Jahr 2014 auf 67 Prozent. Mit 51,4 Prozent konnte Bonaccini seine führende Position behaupten. Herausforderin Lucia Borgonzoni kam auf 43,6 Prozent. Im Parlament kann sich die Lega nach bisherigen Prognosen von „Parma Today“ von 19 auf knapp 32 Prozent und 22 Sitze steigern. Der PD kommt auf 34,7 Prozent und 24 Mandate, die Fratelli auf 8,6 (3 Sitze). Aufseiten des Linksbündnisses kommt die Liste „Presidente Bonaccini“ auf 3 Sitze, zwei gehen an die Liste „Mutige Emilia Romagna“ und einer an die Linksgrünen. Ein mögliches Mandat für Forza Italia (2,8 Prozent) ist noch nicht abgesichert.

Einen Erdrutschsieg konnte das Rechtsbündnis hingegen im bis dato ebenfalls von der Linken gehaltenen Kalabrien verbuchen. Seine Kandidatin Jole Santelli von Silvio Berlusconis Forza Italia kam auf 55,4 Prozent und wird neue Gouverneurin. Linkskandidat Filippo Callipo kam über 30,2 Prozent nicht hinaus. Detailergebnisse für das Regionalparlament werden im Laufe des Tages veröffentlicht.

Auch dort zeichnet sich jedoch eine deutliche Mehrheit für den Rechtsblock ab.

In Kalabrien waren Arbeitslosigkeit, Armut, Einwanderung, Kriminalität sowie Korruption und Organisiertes Verbrechen die Themen, die den Wahlkampf bestimmten. Die Region gilt seit jeher als Mafia-Hochburg, mittlerweile versuchen jedoch auch ausländische Banden, etwa aus Nigeria, sich im Bereich des Drogenschmuggels oder Menschenhandels zu etablieren. Zahlreiche Investitionen in der Region unterbleiben, weil sie als unsicher gilt und Unternehmen Angst vor korrupten Beamten und Schutzgelderpressern haben. Die zahlreichen Haushalte mit geringem Einkommen leiden überdurchschnittlich unter höheren Lebenshaltungskosten infolge von Öko-Maßnahmen der Regierung in Rom.

Salvinis zweiter Anlauf für Neuwahlen gescheitert

Wie bereits im Sommer des Vorjahres, als Salvini die Regierung verließ in der Hoffnung, vorzeitige Neuwahlen erzwingen zu können, ist sein Kalkül am gestrigen Sonntag (26.1.) nicht aufgegangen.

Dennoch hat er mit dem Triumph in Kalabrien die Stärke seines politischen Lagers gezeigt und deutlich gemacht, dass er weiterhin Druck auf die Koalition in Rom ausüben wird, ihr Zweckbündnis zu beenden.

Der große Verlierer des Tages ist die „Fünf-Sterne-Bewegung“ (M5S). Nachdem in der Vorwoche Außenminister Luigi Di Maio infolge interner Intrigen als Parteichef das Handtuch geworfen hatte, kamen die M5S-Kandidaten in der Emilia Romagna und in Kalabrien nur noch auf 3,5 bzw. 7,3 Prozent. In der Emilia Romagna reicht das gerade noch einmal für zwei Sitze in der Regionalversammlung, in Kalabrien verfehlte die Bewegung die Acht-Prozent-Hürde.

Bei den Parlamentswahlen 2018 hatte das M5S im Süden Italiens seine besten Ergebnisse erzielt und die meisten Stimmkreise gewonnen.



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