Spanien: Trotz Ausgangssperre proben Tausende die Flucht aus Madrid – Provinzen in Corona-Angst

In Spaniens Hauptstadt Madrid droht das Gesundheitswesen unter der Last des Coronavirus zusammenzubrechen. Für viele Madrilenen ein Anlass, trotz Ausgangssperre und drohenden harten Strafen zu versuchen, die Stadt zu verlassen. In der Provinz ist man alarmiert.
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Madrid hat provisorische Krankenstationen eingerichtet. Alle sechs Minuten stirbt derzeit ein Corona-Patient.Foto: Comunidad de Madrid via Getty Images
Von 23. März 2020

Der gestrige Sonntag (22.3.) brachte immerhin eine gute Nachricht für Spanien. Erstmals seit einer Woche ist die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus an jenem Tag gesunken – und zwar verhältnismäßig deutlich um 653 Betroffene. Dennoch ist die Zahl mit 3272 nach wie vor hoch, auch im Vergleich zu der Phase vom 13. bis 17. März, wo sich die Zahl der Neuinfizierten entlang der 2000er Marke bewegte. Zudem war die Zahl der Toten am Sonntag mit 391 die bisher höchste, seit am 24. Februar der erste aktive Fall festgestellt wurde – und ein Plus von 103 gegenüber dem Tag davor.

Spaniens Hauptstadt besonders stark von Coronavirus heimgesucht

In Madrid ist die Lage besonders angespannt. Medien wie „El País“ berichten, dass in der Hauptstadt alle sechs Minuten ein Corona-Toter aus den Intensivstationen gebracht wird. Die Krankenhäuser sind überfüllt, das Personal arbeitet an seiner physischen und psychischen Belastungsgrenze, es kommt zu Nervenzusammenbrüchen. Mit einer regionalen Sterblichkeitsrate von über zehn Prozent ist die Wahrscheinlichkeit, eine Infektion nicht zu überleben, in Madrid statistisch besonders hoch. Ähnlich drastisch ist die Lage nur noch im norditalienischen Bergamo.

Einige Experten warnen, es könnte noch im Verlaufe der kommenden Woche zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems kommen – sollte nicht die bestehende Ausgangssperre weiter verschärft werden.

Tausende Anzeigen, Dutzende Festnahmen

Genau diese erweist sich aber jetzt schon als brüchig. Immer mehr Menschen versuchen trotz drakonischer Bußgelddrohungen, die Stadt zu verlassen, um bei Familien oder in weiteren Wohnsitzen auf dem Land Zuflucht zu finden. Die Polizei führt rigide Kontrollen an den Ausfahrtsstraßen und auf Autobahnen durch. Viele, die erwischt und zurückgeschickt wurden, arbeiten bereits an neuen Fluchtplänen – über Schleichwege und weniger stark frequentierte Strecken.

Seit einer Woche gilt die derzeitige Ausgangssperre. Sie umfasst auch Fahrten in Landgemeinden oder ans Meer, wo zahlreiche Madrilenen über Immobilienbesitz verfügen oder Verwandte haben. Die spanische Nationalpolizei und die Guardia Civil, die für die Kontrolle der Einhaltung bestehender Pandemie-Maßnahmen zuständig sind, sprechen von tausenden Strafanzeigen, die gegen Zuwiderhandelnde gestellt worden seien. In Dutzenden Fällen sei es sogar zu Festnahmen gekommen.

Fernsehbilder aus Madrids Krankenhäusern steigern die Panik

Die Fernsehbilder aus den Kliniken heizen die Fliehkräfte aus der Hauptstadt noch zusätzlich an. Ärzte und Personal am Rande des Zusammenbruchs, Messehallen und Hotels, die zu provisorischen Krankenanstalten umgebaut werden, machen den nicht Infizierten Angst. Dazu kommen Berichte wie jener von „El País“, wonach ein „ethischer Leitfaden“ Ärzte im Fall eines Mangels an Intensivbetten dazu anleite, die Rangfolge der Belegung anhand der Lebenserwartung vorzunehmen.

In den ländlichen Regionen ist das Verständnis für die Fluchtversuche enden wollend. Sie befürchten, dass durch den Exodus potenziell infizierter Madrilenen das eigene lokale Gesundheitswesen überfordert werden könnte und Hauptstädter das Virus in die Provinz exportieren.

„Wir haben hier nur einen Arzt für mehr als 8000 Menschen“, warnt die Bürgermeisterin der Ortschaft San Martín de Valdeiglesias westlich der Hauptstadt. „Wenn unsere Einwohnerzahl sich plötzlich verdoppelt, wird die Gesundheit in Gefahr gebracht.“

(Mit Material der dpa)



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