Trügerische Hoffnung: Macron will bei Besuch in China für Multilateralismus werben

Drei Tage lang will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in China um mehr multilaterale Zusammenarbeit zwischen Peking und der EU werben. Zudem will er bis zu 40 wirtschaftliche Kooperationsverträge erreichen. Skeptiker warnen vor zu hohen Erwartungen.
Titelbild
Der französische Präsident Emmanuel Macron spricht am 4. November 2019 in Shanghai bei einem Treffen in einem Hotel vor der China International Import Expo vor französischen und deutschen Geschäftsleuten.Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images)
Von 5. November 2019

Mit einem Besuch der internationalen Importmesse CIIE in Shanghai, wo Frankreich dieses Jahr Ehrengast ist, hat am Montag (4.11.) der dreitägige Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der VR China begonnen.

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) berichtet, hat Frankreichs Staatschef nicht nur Vertreter französischer Unternehmen und der Kunst- und Kulturszene seines Landes mitgenommen, sondern auch den EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan und Deutschlands Forschungsministerin Anja Karliczek. Zudem sind auch Vertreter deutscher Unternehmen Teil der Delegation.

Nicht nur Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch Macron hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens einmal jährlich vor Ort Rücksprache mit den Machthabern in Peking zu halten. Auf diese Weise will er erreichen, dass die Europäische Union stärker als bisher ihre Handels- und Wirtschaftspolitik in jenem Teil des asiatischen Raumes koordiniert.

Peking spielt Europäer gegeneinander aus

Dies sei umso dringlicher, meint die NZZ, als Peking es bislang vortrefflich versteht, das Maximum an Nutzen für sich selbst herauszuholen, indem man auf bilaterale Abkommen mit einzelnen Mitgliedstaaten setzt. Damit mache man sich „geschickt die Divergenzen in Europa zunutze“.

Macron hofft, mit etwa 40 neuen Kooperationsverträgen zwischen französischen und chinesischen Unternehmen von seinem Besuch zurückzukehren. Die Verhandlungen spielen sich in Bereichen wie der Atomtechnologie oder der Wiederaufbereitung von Brennstäben ab. Seit Anfang des Vorjahres sind auch grundsätzlich wieder französische Rindfleischimporte nach China erlaubt – nach 17 Jahren der Verbannung. Allerdings sind die Bedingungen kompliziert und bis dato sind es, wie die NZZ ebenfalls berichtet, nur 21 Unternehmen, die die Voraussetzungen erfüllen.

Der französische Präsident wird deshalb auch einmal mehr versuchen, den Gastgeber nicht über Gebühr zu affrontieren. Zwar hatte Macron kurz nach dem Ausbruch der Spannungen in Hongkong angekündigt, dieses Thema – das zwischen Europa und der VR China potenziell konfliktträchtig ist – anlässlich seines Besuchs „offen und ehrlich“ anzusprechen. Sollte er diesen Worten Taten folgen lassen, dürfte dies jedoch allenfalls hinter verschlossenen Türen erfolgen. Der französische Präsident hatte ja nicht dazugesagt, in welchem Rahmen er die Ereignisse thematisieren würde.

Spiel nach Regeln nur so weit wie nötig

Auch wenn Macron und seine Mitstreiter für eine offene und multilaterale EU-Handelspolitik gegenüber China versuchen, sich von den USA unter Donald Trump zu distanzieren, der Peking als gefährlichen Rivalen wahrnimmt, der gerne mit gezinkten Karten spielt: Zählbare Erfolge hat dieser Ansatz bis dato kaum zu verbuchen. Das Regime in Peking bleibt seiner Strategie treu: So viel Spiel nach den Regeln wie nötig, so viel rechtmäßigkeitsneutrale Erlangung von Vorteilen wie möglich. In Frankreichs Führungsetage spricht man mehr denn je von „Plünderung“ im Bereich des Know-how-Transfers und muss zur Kenntnis nehmen, dass chinesische Investitionen zunehmend ausbleiben.

Bereits vor Wochen hatte der Unternehmer und langjährige führende Berater des französischen Auslandsgeheimdienstes, Alain Juillet, in einer ZDF-Dokumentation beklagt, man wäre aufseiten des Westens „naiv“ gewesen und hätte es verabsäumt, schutzwürdige Interessen zu schützen. Dies zeigte sich bereits Ende der 1990er Jahre, als Peking Technologieführer aus Japan, Deutschland und Frankreich eingeladen hatte, an seinem Hochgeschwindigkeitsprojekt mitzuwirken. Verträge seien dabei keine unterzeichnet worden. Das Regime habe es aber verstanden, im Zuge der Verhandlungen und ersten Testläufen an wichtiges Know-how zu gelangen.

Juillet beklagte damals auch schon, dass Frankreich, das 1964 als erstes westliches Land die VR China anerkannt kannte, beispielsweise spätestens seit 2010 über Pekings Ambitionen bezüglich einer widerrechtlichen Aneignung von Luftfahrttechnologie informiert gewesen wäre, dennoch aber untätig geblieben sei. Im Zusammenhang mit Airbus-Deals mit Peking habe dies zu unliebsamen Überraschungen geführt.

„China hält sich für das Zentrum der Welt“

Dabei habe sich damals schon abgezeichnet, dass China alle Register gezogen hätte, um mit geringstmöglichen Kosten eine maximale Aneignung von Know-how zu erreichen. Das reicht von ominösen „Probeflügen“ über hübsche (erotische) Honigfallen, vermeintliche „Praktikanten“ bis hin zum Einsatz von Spyware.

Deutsche Nachrichtendienste schätzen die jährlichen Schäden durch Industriespionage im eigenen Land auf 50 Milliarden Euro. In den USA zeige sich ein ähnliches Phänomen. Dort seien es zudem Millionen an Arbeitsplätzen, die durch die chinesischen Bemühungen – bei Bedarf auch unautorisierten Know-how-Transfers – in Gefahr gerieten. Auch die „Welt“ macht sich über die Benevolenz des Regimes in Peking wenig Illusionen, weder handels- noch geopolitisch:

„Unter Präsident Xi Jinping schlägt die Volksrepublik inzwischen einen stark nationalistischen Kurs ein. Chinas Selbstverständnis lässt keinen Platz für eine zweite Ordnungsmacht in Fernost: Das 5000 Jahre alte Land nennt sich nicht nur Reich der Mitte – es hält sich auch für das Zentrum der Welt.“

Deutschland habe sich in diesem Zusammenhang, so schreibt das Analystenteam, „über Jahrzehnte von China wirtschaftlich abhängig gemacht – und scheint nur langsam zu realisieren, dass die neue ostasiatische Supermacht ihre illiberale Ideologie zum weltweiten Exportschlager machen will“.



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