Twitter will mit „EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation“ brechen

Nachdem Twitter im letzten Monat auf eine spezielle Beobachtungsliste der EU-Kommission gesetzt wurde, hat das Unternehmen nun vor, sich aus dem EU-Abkommen gegen sogenannte Falschinformationen zurückzuziehen.
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Ende Oktober 2022 hat Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen.Foto: Chris Delmas/AFP via Getty Images
Von 26. Mai 2023

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat vor, sich aus dem „EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation“ zurückzuziehen. Das Unternehmen von US-Milliardär Elon Musk habe der Europäischen Kommission seine Absicht mitgeteilt, aus dem freiwilligen Abkommen auszutreten, hieß es aus EU-Kreisen am Donnerstag. Brüssel wurde offenbar über die Entscheidung des Onlinekonzerns offiziell noch nicht informiert.

In Reaktion auf einen Satz des US-Mediums CNN, das die Entwicklung Twitters seit Musks Übernahme stark kritisierte, schrieb der Twitter-CEO in einem Post: „Ungezügelte freie Meinungsäußerung FTW“. (FTW = „For The Win“, bedeutet so viel wie ‚ich drücke die Daumen‘)

CNN hatte ihn in einem Artikel mit folgenden Worten angegriffen: „Twitter, das einst eine Plattform für demokratische Bewegungen im Arabischen Frühling bot, wurde von seinem neuen Besitzer in einen fiebrigen Zirkus aus ungezügelter Meinungsfreiheit, Verschwörungstheorien und nicht überprüfbaren Informationen verwandelt.“

„Ich habe darauf gewartet“, heißt es aus EU-Kreisen

Bei der Ankündigung seines Rückzuges aus dem Kodex habe Twitter angegeben, sich lieber auf seine Nutzer als auf Faktenchecker zu verlassen, hieß es aus EU-Kreisen.

„Wenn (Elon Musk) den Kodex nicht ernst nimmt, dann ist es besser, wenn er austritt“, sagte ein Vertreter der EU-Kommission der Nachrichtenagentur AFP. Und eine andere Quelle aus EU-Kreisen ließ verlauten: „Ich habe darauf gewartet. Es war nur eine Frage der Zeit.“

Der Verhaltenskodex zur angeblichen Bekämpfung von Desinformation in den großen Internetplattformen wurde von den Branchenunternehmen geschrieben und 2018 mit der EU vereinbart. Neben Firmen aus der Werbebranche hatten sich Google, Facebook, Twitter, Microsoft und seit 2020 auch Tiktok verpflichtet, ihn einzuhalten.

Twitter seit letztem Monat auf spezieller Beobachtungsliste

Während die Einhaltung des Kodex freiwillig ist, sei das EU-Gesetz über Digitale Dienste (DSA) verpflichtend, betonte ein Vertreter der EU-Kommission. „Niemand kann dem DSA entkommen.“ Das DSA war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament verabschiedet worden und soll besonders die großen Onlinekonzerne in der EU stärker regulieren.

Mit dem DSA soll unter anderem sichergestellt werden, dass illegale Inhalte wie Hassrede nach entsprechenden Hinweisen schneller aus dem Netz entfernt, schädliche Desinformation und Kriegspropaganda weniger geteilt und auf Online-Marktplätzen weniger gefälschte Produkte verkauft werden.

Damals hatte EU-Kommissar Thierry Breton mit Elon Musk über das DSA gesprochen. Dieser habe danach geantwortet: „Ich denke, es entspricht exakt meinem Denken.“ Er stimme allem zu, was Breton gesagt habe.

Doch wie „Euractiv“ berichtet, hatte die EU-Kommission Twitter im letzten Monat als sehr große Plattform eingestuft, was bedeute, dass das Unternehmen besonders strenge Regeln einhalten müsse. Am Tag der Bekanntgabe bestätigte Breton, dass das soziale Netzwerk auf ihrer speziellen Beobachtungsliste stehe, so „Euractiv“ weiter.

„Twitter Files“ legten Zensur offen

Nach der Übernahme Twitters durch Elon Musk hat das Unternehmen zahlreiche sogenannte „Twitter Files“ veröffentlicht. Darin wurden sowohl Kontakte zwischen US-Regierungsbeamten und Twitter offengelegt als auch Aufforderungen zur Unterdrückung von Konten oder Inhalten aufgedeckt: insbesondere im Zusammenhang mit der angeblichen COVID-19-Desinformation.

Laut Musk habe Twitter mit seiner Zensurpolitik das Lager der Demokraten begünstigt und die Republikaner benachteiligt. Das erste von ihm veröffentlichte Paket Twitter-interner Kommunikation zeigt zum Beispiel, wie Twitter verhindert habe, dass brisante Inhalte des Laptops von Hunter Biden ans Licht kommen würden. Damit habe es Joe Biden Vorteile bei der Präsidentenwahl 2020 verschafft.

Musk ließ zudem Nutzer wieder freischalten, die wegen der Verbreitung von angeblicher Desinformation gesperrt waren. Darunter zum Beispiel der ehemalige US-Präsident Donald Trump.

Offizielles Programm der EU-Kommission

Wie der Journalist Robert Kogon des Brownstone Institute über die englische Epoch Times bekannt gab, sei durch die „Twitter-Files“ einiges ans Licht gekommen. Diese hätten jedoch nicht enthüllt, dass es ein offizielles Regierungsprogramm gegeben habe, das ausdrücklich der „Bekämpfung von COVID-19-Desinformation“ gewidmet gewesen sei. Teilgenommen hätten daran sowohl Twitter als auch alle anderen großen Social-Media-Plattformen.

Im Rahmen dieses Programms hätten die Plattformen der Regierung monatliche (später zweimonatliche) Berichte über ihre Zensurbemühungen vorgelegt. Dies belegt der Journalist mit einem Screenshot aus seinem Archiv.

Um die entsprechenden Berichte ausfindig zu machen, habe sich Kogon nach eigenen Angaben aber nicht in das Intranet der US-Regierung einhacken müssen. Diese seien auf der öffentlichen Website der EU-Kommission gelistet. Bei der zuvor erwähnten Regierung habe es sich nämlich nicht um die US-Regierung gehandelt, sondern um die Europäische Kommission.

Twitter übergab der EU Zensurberichte über die ganze Welt

Mit dem Zugang für die Öffentlichkeit sollte laut Robert Kogon kein Verdacht aufkommen, dass es sich bei „Fighting COVID-19 Disinformation“ um Zensur handeln könnte. Auf der Website der Kommission heißt es, die Berichte enthielten Informationen über „herabgestufte und entfernte Inhalte mit falschen und/oder irreführenden Informationen, die körperlichen Schaden anrichten oder die öffentliche Gesundheitspolitik beeinträchtigen könnten“.

In der Tat enthalten insbesondere die Twitter-Berichte nicht nur Daten über entfernte Inhalte, sondern auch über regelrechte Kontosperrungen. Aus den Daten, die Twitter gesammelt hatte – um die Erwartungen der EU zu erfüllen – gehe hervor, dass 11.230 Konten im Rahmen der vor Kurzem aufgehobenen COVID-19-Richtlinie für irreführende Informationen gesperrt wurden, so Kogon.

Dabei verweist Kogon als Beispiel auf eine Tabelle, die aus dem Twitter-Bericht von März-April 2022 an die EU übergeben wurde. Er weist aber darauf hin, dass die Daten „global“ erfasst seien. Twitter habe der Europäischen Kommission also Berichte über die Zensur von Inhalten und Konten in der ganzen Welt erstattet, nicht nur innerhalb der EU.

Für Journalist Robert Kogon sei es deshalb absolut unmöglich, dass Twitter keinen Kontakt mit EU-Beamten bezüglich der Zensur von COVID-19-Inhalten hatte. Darüber hinaus sei zudem auszuschließen, dass Twitter nicht weiterhin mit EU-Beamten über die Zensur von Online-Inhalten und -Sprache im Allgemeinen in Kontakt stehe.

(mit Material von afp und The Epoch Times)



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