Ungarn: Viktor Orbán und die Pressefreiheit

Die Pressefreiheit sei in Ungarn in Gefahr, meint ein ungarischer Medienmogul. „Unabhängige Medien … werden von den Behörden als Hindernis angesehen“, sagte er gegenüber „Politico“. Die EU-Kommission prüft die Beschwerden bezüglich Pressefreiheit bereits seit 2016.
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Aktivisten und Sympathisanten der ungarischen politischen Partei „Momentum Bewegung“ halten bei einer Demonstration in Budapest am 24. Juli. ein Transparent mit der Aufschrift „Freies Land, freie Presse“ in der Hand.Foto: ATTILA KISBENEDEK / AFP über Getty Images
Von 30. Juli 2020

Der Chefredakteur von Ungarns größter unabhängiger Nachrichten-Website „Index“ wurde am 21. Juli entlassen. Szabolcs Dull sei gekündigt worden, weil er interne Dokumente an andere Medien weitergegeben habe, hieß es in einem Brief des Stiftungspräsidenten, der hinter dem Verlag steht.

Im Juni hatte der als Kritiker des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán geltende Dull gegen eine geplante Umstrukturierung im Verlag protestiert und vor einem Ende der Unabhängigkeit der Nachrichten-Website gewarnt.

Der Herausgeber von „Index“ und die ungarische Regierung haben darauf bestanden, dass die Entlassung von Dull nicht politisch motiviert gewesen sei.

„Index“-Konkurrent „24.hu“ ebenfalls in Sorge um die Pressefreiheit in Ungarn

In einem Skype-Interview mit der polnischen Website „Onet“ und „Politico“ sagte der Eigentümer der Website „24.hu“, Zoltán Varga, dass die ungarische Regierung nun auch „24.hu“ ins Fadenkreuz genommen habe. „24.hu“ und „Index“ sind Konkurrenten.

Varga sagte gegenüber „Politico“, Budapest habe innerhalb der von der Regierung kontrollierten Medien eine Kampagne gestartet, um sein Unternehmen, die Central Media Group (Central Médiacsoport), und seine Person selbst zu diskreditieren.

Im Zuge der Kampagne erschienen Artikel über Varga, welche darlegten, „dass ich keine Steuern zahle, dass ich ein schlechter Mensch bin, dass ich meine Angestellten schlecht bezahle … Sie mischen sich in mein Privatleben ein, und ich bin jeden Tag im Fernsehen. Sie versuchen, mich in eine Ecke zu drängen, meine Angestellten zu demotivieren und sie zu überreden, zu gehen“, beklagte der Journalist.

Medienmogul Varga: „Unabhängige Medien … werden von den Behörden als Hindernis angesehen“

„Unabhängige Medien wie ‚Index‘ werden von den Behörden als Hindernis angesehen“, fügte er hinzu.

Varga beschrieb, wie es seinem Vermuten nach ablaufen werde. Erst werden einige regierungskritische Artikel erscheinen, denn die „Veränderungen werden zunächst weich sein“. Aber wenn die nächsten Wahlen kommen, wird die ungarische Regierung „Index“ anweisen, was sie schreiben solle, so Varga weiter.

Er ist sich „100 Prozent sicher“, dass dies das Ende der Unabhängigkeit von „Index“ bedeuten werde.

Vargas Zentrale Mediengruppe erreiche jeden Monat 7,5 Millionen Menschen, darunter etwa 5 Millionen online, schreibt „Politico“. Sie verfüge über 19 Web-Nachrichtenportale und gebe 25 Zeitschriften heraus. Diese Zahlen würden die Regierung in Ungarn „erschrecken“, so Varga weiter. „Sie haben wirklich Kopfschmerzen dadurch, weil ihre Verkaufsstellen viel kleiner sind, weil wir die größte Internetgruppe des Landes sind“, sagte er.

Auf die Frage, ob es in Ungarn nach der Übernahme von „Index“ und einer möglichen Maulkorblegung von „24.hu“ noch unabhängige Medien geben werde, antwortete Varga: „Das ist nur eine dumme Regierungspropaganda. Sicherlich wird es sie geben. Aber viel kleiner.“

Für die Unabhängigkeit von „Index“ haben 24. Juli viele Menschen in Budapest protestiert. Nach Angaben der „Momentum Bewegung“, dem Organisator der Aktion, setzten sich mehrere Tausend Demonstranten für die Pressefreiheit in Ungarn ein.

An der Kundgebung nahmen Politiker der Opposition teil und bezeichneten die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán als eine „Diktatur“.

EU-Kommission prüft Beschwerden zu fehlender Pressefreiheit in Ungarn

Währenddessen prüft die Europäische Kommission immer noch verschiedene Beschwerden zu der Pressefreiheit in Ungarn. Die Beschwerden wurden schon 2016 eingereicht. Dies bestätigte die EU-Exekutive am Montag (27. Juli).

Im Jahr 2016 wurde eine Beschwerde über die angeblich übermäßige Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkmedien in Ungarn eingereicht, berichtet „Euractiv“. Bedenken wurden vom ehemaligen Europaabgeordneten Benedek Jávor, der Nachrichtenplattform „Klubrádió“ und der medienpolitischen Denkfabrik Mérték aus Budapest geäußert.

Die Kommission hat bisher nicht auf die Beschwerden reagiert. „Der Zeitpunkt der Beurteilung von Beschwerden hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel von der Komplexität des Falles oder von der Länge der Antragstellung, von der Anzahl der Anträge. Es gibt also eine Reihe von Gründen, warum eine Beschwerde mehr oder weniger Zeit in Anspruch nehmen kann“, sagte ein Kommissionssprecher am Montag (27. Juli).

Die Kommission wendet strenge Bedingungen für die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien in der EU an, um eine finanzielle Unterstützung zu vermeiden, „die selektiv nur bestimmte Sender begünstigt und dadurch den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht“, zitiert „Euroactiv“ aus der Mitteilung der EU-Kommission.



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