Ungarn zum Korruptionsfall in der EU: Brüssel verliert an Glaubwürdigkeit

Während der EU-Rechtsstaatsprozess gegen Ungarn wütet, wird das Europäische Parlament von Korruptionsskandalen erschüttert. Was für eine Ironie, meint Viktor Orbán und bringt es mit einem Bild zum Ausdruck. Nicht jeder fand es lustig.
Der Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Der Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 15. Dezember 2022

Das Korruptionsdelikt von Eva Kaili und ihr abrupter Ausschluss aus dem Europäischen Parlament und ihrer Partei, der sozialdemokratischen PASOK, ist in der ungarischen Politik nicht unbemerkt geblieben. Zumal gegen das Land seit einiger Zeit ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren läuft, unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen.

Die griechische Politikerin wird der Korruption und Geldwäsche beschuldigt. Bei insgesamt 17 Razzien sollen unter anderem 600.000 Euro in bar aufgetaucht sein. Angeblich sollen diese aus Katar oder einem anderen Golfstaat stammen. Die griechische Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft ließ die Vermögenswerte der 44-Jährigen einfrieren. Neben ihr wurden fünf weitere Personen festgenommen.

In einem Twitter-Post kommentierte Viktor Orbán kürzlich den riesigen Korruptionsskandal im Europäischen Parlament mit einem Meme.

„Guten Morgen im Europäischen Parlament!“, schrieb Orbán und fügte das folgende Bild an. Auf dem Foto von Männern in Anzügen, die Sekt trinken und sich totlachen, steht:

Dann sagten sie: Das EP sei ernsthaft besorgt über die Korruption in Ungarn.“

Guy Verhofstadt, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Liberalen Partei Europas, reagierte zügig auf Orbáns Post: „Sei nicht schadenfroh, Viktor. Das EP wird sofort Maßnahmen ergreifen, um die Verantwortlichen zu suspendieren, zu untersuchen und zu bestrafen […] während du seit Jahrzehnten jegliche Anti-Korruptionsbemühungen blockierst“, schrieb Verhofstadt auf „Twitter“.

Brüssel verliert an Glaubwürdigkeit

Neben Orbán finden auch mehrere konservative ungarische Persönlichkeiten und Politiker in den sozialen Medien die Situation ironisch: Ein riesiger Korruptionsskandal im Europäischen Parlament, während eben jenes Parlament Ungarn weiterhin der systemischen Korruption und Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit beschuldigt.

Tamás Deutsch, Fidesz-Europaabgeordneter, meinte, dass die Korruption in Brüssel die Glaubwürdigkeit des gesamten institutionellen Systems der EU untergrabe. Es sei klar, dass „die Anti-Korruptions-Rhetorik der Linken nichts anderes als ein Haufen politischer Lügen ist.“

„Guy Verhofstadts Rhetorik von Transparenz und Rechenschaftspflicht ist lediglich ein Deckmantel für die Korruption in Brüssel. Der Dieb hat Haltet-den-Dieb gerufen, denn es ist der Gipfel der Heuchelei, nationale Regierungen der Korruption zu beschuldigen und auf der Grundlage politischer Lügen täglich finanzielle Sanktionen gegen sie zu fordern, während der Verkauf von politischem Einfluss auf der Linken der Normalfall ist“, sagte der Europaabgeordnete.

Mit diesem Skandal habe die EU jede Glaubwürdigkeit verloren, andere für Korruption zur Rechenschaft zu ziehen. In einem früheren Kommentar zum Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen die Ungarn erklärte Tamás Deutsch auch, dass es sich seiner Meinung nach um nichts Geringeres als Gewalt innerhalb der Familie einer politischen Gemeinschaft, der Europäischen Union, handelt:

Gewalt in der Familie ist eine der schwersten Straftaten. Was hier passiert, ist eine ‚politische Schurkerei‘, die Brüsseler Bürokraten nutzen jedes Mittel, um dem ungarischen Volk ihren Willen aufzuzwingen.“

Abgeordnete der Linken: Menschenrechtsverletzungen in Katar verurteilen

Die linke ungarische Europaabgeordnete Katalin Cseh reagierte ebenfalls mit einem Facebook-Post auf den Vorfall.

Wir brauchen umfassende Reformen, um zu verhindern, dass sich autoritäre Staaten in die europäische Demokratie einmischen, und wir müssen die EU-Institutionen viel widerstandsfähiger machen.“

Cseh betonte: „Wie sehr sich das katarische Regime auch anstrengt, das Parlament hat dennoch die Resolution angenommen, in der schwere Menschenrechtsverletzungen verurteilt werden und an der ich mitgewirkt habe. Wir werden nicht zulassen, dass die Tatsache, dass Tausende Menschen beim Bau der WM-Stadien ihr Leben verloren haben, unwidersprochen bleibt.“

Worauf bezog sie sich? Die nun abgesetzte EU-Abgeordnete Kaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie das Sport-Ereignis als Beweis dafür, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben.“

NGOs werfen jedoch Katar seit Jahren vor, die Menschenrechte von Wanderarbeitern aus Asien und Afrika zu missachten. Der Bau der WM-Stadien habe viele Menschenleben gekostet, berichtete der „Guardian“. Hassan al-Thawadi, der Leiter des WM-Organisationskomitees, bezifferte in einem Videointerview die Zahl der Wanderarbeiter, die während der Bauarbeiten ums Leben gekommen sind, grob geschätzt auf 400 bis 500.

Bei der ungarischen Politikerin Katalin Cseh stieß Orbán mit seinem Meme also nicht auf Begeisterung: „Es ist leider nicht neu, dass östliche autoritäre Regime versuchen, das institutionelle System der Europäischen Union zu nutzen, um wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu gewinnen. Ein Beispiel dafür ist Viktor Orbán selbst, der ein trojanisches Pferd ist, das im Europäischen Rat sein Veto einlegt, um russische und chinesische Interessen durchzusetzen.“

Und angesichts der Tatsache, dass Orbán am Dienstag zur Fußballweltmeisterschaft nach Katar reiste, fügte Cseh hinzu: „Wir hoffen, dass der ungarische Ministerpräsident seine Reise nach Katar absagen wird.“

Doch dem Ministerpräsidenten war seine Reise offensichtlich nicht peinlich. Vor Reportern in Katar sagte er am 13.12.: „Ich liebe es, wenn sich Kulturen treffen und auf demselben Spielfeld im Sport gegeneinander spielen.“ Es sei wichtig, dass die Weltmeisterschaft in einem arabischen Land ausgetragen wird. In Anlehnung an das Sprichwort „Wenn du in Rom bist, mach es wie die Römer“ sei es sehr gut, dass die Welt von einem arabischen Land empfangen wird und sie sollte die lokalen Bräuche und Einstellungen respektieren. Dies sei nicht nur für den Fußball wichtig, sondern auch, um andere Lebensweisen zu verstehen, zitierte ihn die ungarische Zeitung „Infostart“.



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