Ärzte in Not: Lauterbach fordert Abschaffung der Neupatientenregelung
Die Bundesregierung berät derzeit über ein Finanzstabilisierungsgesetz. Dieses sieht neben erhöhten Zusatzbeiträgen und einem Zuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro vom Bund auch den Wegfall der Neupatientenregelung vor.
2019 wurde die Neupatientenregelung im Zuge des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erlassen. Mit der Neupatientenregelung sollte Ärzten ein finanzieller Anreiz gegeben werden, mehr Patienten aufzunehmen und ihnen zeitnah einen Termin zu geben. Insgesamt sollten Ärzte mit 800 Millionen Euro vergütet werden.
„Von den Zusatzleistungen haben wir nichts gemerkt“, berichtet ein Berliner Augenarzt der Epoch Times. Denn: In seiner Praxis wurde das Gesamthonorar verringert, dafür erhielt er das Extrahonorar. Es sei sozusagen plus/minus null gewesen.
Abrechnungen der Ärzte
Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten bekommen von den gesetzlichen Krankenkassen ein Gesamthonorar ausgezahlt. Dieses Honorar ist budgetiert. Übersteigen die Leistungen das Honorar, können Behandlungen mit Abschlägen zu 80 oder 90 Prozent bezahlt werden.
In einer Sondersitzung der kassenärztliche Bundesvereinigung vergangenen Freitag wurde bemängelt, dass die Ärzte das Extra-Budget nicht als Bonus erhalten haben und eine bereinigte Rechnung vorgenommen werden müsse. In dieser Berechnung wurde das Honorar, welches vor dem TSVG gezahlt wurde, von dem Honorar inklusive der Zusatzleistungen abgezogen. Demnach wurden 415 Millionen Euro extrabudgetär geleistet. Das sei nur etwa die Hälfte der versprochenen 800 Millionen gewesen, betont die KBV.
Patienten in Not
Einige Ärzte äußerten in der Sondersitzung ihre Befürchtung, mit dem neuen Gesetz weniger Gelder für einen erhöhten Aufwand an Arbeit zu erhalten. Mit dem Gesetz sei unter anderem mehr Personal eingestellt worden, um die vermehrte Aufnahme von Neupatienten leisten zu können.
In einem offenen Brief an die Bundesregierung schreibt die KBV über das Gesetz: „Es führt dazu, dass wir keinen Weg sehen, wie wir die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem bisherigen Niveau aufrechterhalten können.“
Zum anderen gehen sie zukünftig von längeren Wartezeiten bei Arztpraxen aus. Dadurch befürchten einige Ärzte, dass Patienten zur Behandlung auf Krankenhäuser ausweichen könnten. Lauterbach berief sich bei Einführung des Gesetzes auf ebendieses Argument.
Mit anderen Worten, Ärzte fürchten, dass sie Patienten nicht behandeln können und dass sie in Krankenhäusern keine gleichwertige Behandlung wie in ihrer Praxis erhalten.
Krankenkassen müssen sparen
Eine Begründung für das Finanzstabilisierungsgesetz sei laut Bundesregierung, dass die bislang vorliegenden Zahlen nicht darauf schließen lassen, dass mit Inkrafttreten dieser Regelung Verbesserungen in der Versorgung eingetreten seien, obwohl Mehrausgaben bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erzeugt wurden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisiert diese Äußerung und bekräftigt, dass diese Aussage nicht durch Studien belegt werden könne und spricht sich gegen die Pläne des neuen Gesetzes aus.
Für 2023 geht der GKV-Spitzenverband von einem Defizit der Krankenkassen von 17 Milliarden Euro aus. Das Wegfallen der Neupatientenregelung könnte eine Ersparnis von 400 Millionen Euro erbringen, so das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi).
Ende Juni begründete Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Kürzung mit möglichem Missbrauch der Zusatzleistungen: „Weil diese Regelung dazu geführt hat, dass hier Patienten als Neupatienten geführt wurden, die in Wirklichkeit keine echten Neupatienten sind“. Die Ärzte der KBV entgegnen jedoch, dass die Definition von Neupatienten eindeutig sei.
Stark kritisieren Ärzte der KBV, dass sich Lauterbach in der Vergangenheit für die Neupatientenregelung einsetzte. Er breche mit seinen Versprechen, die er nicht hält, zunehmend das Vertrauen der Wähler und Ärzte, so Frau Dr. Sonja Reitz, Sprecherin des Ärzteverbands Hippokratischer Eid, in einem Gespräch mit der Epoch Times.
Ärzte gegen Streichung der Neupatientenregelung
Psychotherapeut Gebhard Hentschel trägt bei der KBV vor, dass die Streichung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten die Praxen in einem „Zeitpunkt, steigender Energie- und Personalkosten“ treffe. Finanzielle Einbußen würden in Kauf genommen werden. Weiter führt er aus: „Eine Erhebung der deutschen Psycho- und Therapeutenvereinigung hat eine Steigerung der Nachfrage nach Psychotherapie um 40 Prozent in einer Januarwoche 2021 im Vergleich zum Vor-Corona-Status ergeben. Bei den Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten hat sich die Nachfrage im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. Die Aufhebung der Neupatientenregelung, mit der aufwendige Behandlungsbegehen finanziert werden, führt zu einer deutlichen Verschlechterung der ambulanten Versorgung.“
Reitz fragt in dem Gespräch mit der Epoch Times: „Kennt Lauterbach die Problematik in den sozialen Brennpunkten nicht?“ Besonders dort sei die Aufnahme von Neupatienten sehr aufwendig. Sprachbarrieren und komplexe Gesundheitsgeschichten würden die Aufnahme häufig erschweren. Allgemeinärzte seien dringend auf die Zusatzleistungen angewiesen, bekräftigt sie.
Der Berliner Augenarzt betonte seinerseits, dass er immer neue Patienten aufgenommen und keinen Unterschied durch die Neupatientenregelung gemacht habe. Für ihn seien die Zusatzleistungen jedoch wichtig, da sein Gesamthonorar mit Inkrafttreten des Gesetztes herabgesetzt wurde. Dennoch werde er auch mit Wegfallen der Neupatientenregelung weiterhin neue Patienten aufnehmen.
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