Kernkraft spaltet Politiker: Debatte um Laufzeitverlängerungen deutscher AKWs
Deutschland steht, auch durch den Konflikt in der Ukraine, vor einer Energiekrise. Befürchtungen stehen im Raum, dass Russland den Gashahn komplett zudrehen könnte. In Deutschland wird Erdgas immer noch zur Verstromung für den grundlastfähigen Strom genutzt. Das Gleiche gilt für die letzten drei Kernkraftwerke. Ein Wegfall von Gas- und Atomstrom hätte also erhebliche Auswirkungen auf die Stromversorgung.
Gleichzeitig will die Bundesregierung den schnellen Übergang hin zu den erneuerbaren Energien schaffen. Die Grünen wollen konsequent auf Atomstrom verzichten. Allerdings schaffen es Wind und Sonne allein nicht, einem Industrieland wie Deutschland eine durchgehend konstante Energieversorgung zu garantieren.
Dafür sind zuverlässige Großkraftwerke nötig, die jederzeit Energie liefern. Somit rücken die letzten drei deutschen Atomkraftwerke (AKW) zunehmend in den Fokus vieler Politiker. Eigentlich sollten sie bis Jahresende komplett abgeschaltet werden. In der Politik hingegen läuft die Debatte über Laufzeitverlängerungen auf Hochtouren.
„Kernschmelze der Industrie“ befürchtet
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner plädierte am Mittwoch für eine Verlängerung der Laufzeiten der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke. „Wir sollten in dieser Notsituation nicht zu wählerisch sein“, sagte er. Langfristig sei Kernkraft keine wirtschaftlich sinnvolle Option. „In der kurz- und mittelfristigen Perspektive gehört eine befristete Laufzeitverlängerung aber ernsthaft auf den Tisch.“
Auch in mehreren Bundesländern wächst laut „Handelsblatt“ die Bereitschaft für einen befristeten Weiterbetrieb der letzten drei AKWs. So sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein: „Jetzt ist nicht die Zeit, um irgendwelche Optionen auszuschließen.“ Auch die beiden SPD-regierten Länder Niedersachsen und Brandenburg schließen einen Weiterbetrieb nicht kategorisch aus. Zugleich warnten die Energieminister der beiden Länder davor, die Entscheidung von Parteitaktik abhängig zu machen. Es gehe nicht um Wählerstimmen, sondern um eine sichere Energieversorgung.
Wie der „Spiegel“ berichtet, sind für CSU-Politikerin Anja Weisgerber die Prioritäten klar: „Die Ampel-Regierung muss die Versorgungssicherheit gewährleisten und dazu alle notwendigen Optionen ziehen.“ Ähnlicher Meinung ist Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig: „Wenn der Stresstest ergibt, dass es Sinn macht, Isar II sechs Monate länger am Netz zu lassen, kann man darüber reden.“
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) setzt ebenfalls auf die Versorgungssicherheit Deutschlands: „Für diesen Winter ist nebensächlich, womit wir Gas sparen – ob mit Kohle, Öl oder Atomkraft.“ Nichts dürfe tabu sein. Palmer fürchtet vielmehr die mögliche „Kernschmelze der Industrie“, falls im Winter nicht genügend Energie zur Verfügung stünde.
„Sicherheitsrisiken und Kosten nicht im Verhältnis“
Anderer Meinung ist beispielsweise Saarlands Umweltministerin Petra Berg. Sie machte auf die Kehrseite der AKWs und mögliche Laufzeitverlängerungen aufmerksam: „Im nahen Frankreich beobachten wir gerade, welche Probleme Korrosionsschäden an älteren Meilern verursachen.“ Sie lehnte eine Laufzeitverlängerung in Deutschland damit ab.
Ebenso äußerte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch: „Alle Erkenntnisse zeigen bislang, dass eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke nicht bei der Kompensation von Gas hilft, gigantische Kosten entfacht und aus Sicherheitsgründen ausscheidet.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vertritt dabei ebenfalls einen klaren Standpunkt. So sagte BUND-Chef Olaf Bandt: „Auch ein erneuter Stresstest ändert nichts daran, dass die Sicherheitsrisiken und Kosten eines Weiterbetriebs in keinem Verhältnis zu den dadurch gewonnenen, vergleichsweise geringen Stromkapazitäten stehen.“
Demo für Laufzeitverlängerungen
Wie die „Welt“ berichtet, fanden sich am Dienstag, 19. Juli, rund 30 Befürworter der Kernkraft in Berlin zusammen. Sie gingen für Laufzeitverlängerungen auf die Straße. Sie hoffen, dass die Energiekrise eine Trendwende in der Atomdebatte bewirkt.
Die Demonstranten seien sich in dem Punkt einig gewesen, dass die Bundesregierung eine festgefahrene Position vertritt. Der Ökonom und Unternehmer Björn Peters ist überzeugt, dass „die Grünen eine Lösung aus Überzeugung sabotieren“. Die Partei dominiere die öffentliche Debatte und politische Entscheidungen seit Jahren. Auf Experten höre die Bundesregierung beim Thema Atomkraft nicht mehr. Davon ist Peters fest überzeugt. Sie stütze sich dagegen auf „Zombie-Argumente“ und folge ihrer ganz eigenen Ideologie.
(Mit Material von afp)
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