Altmaier: Deutschlands Wirtschaft erholt sich schneller als gedacht – Wirtschaftsweise relativiert Prognose

Nach dem historischen Einbruch der Wirtschaftsleistung in der Corona-Krise sieht die Bundesregierung Anzeichen für eine Erholung.
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.Foto: Annette Riedl/dpa/dpa
Epoch Times1. September 2020

Wirtschaftsweisen-Chef Lars Feld hat Zweifel an der optimistischen neuen Konjunkturprognose der Bundesregierung geäußert. „Eine Anpassung der Prognose nach oben ist meines Erachtens noch zu früh“, sagte Feld dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). Zwar zeigten verschiedene Frühindikatoren eine bessere Entwicklung an, als im Juni erwartet.

„Aber die Unsicherheit vor allem in der Außenwirtschaft ist doch sehr hoch“, sagte er. Der Sachverständigenrat liege mit seiner Prognose aus dem Juni aktuell genau auf der Schätzung des Statistischen Bundesamts für das zweite Quartal. „Somit sehe ich derzeit noch keinen Grund von dieser Prognose abzuweichen“, sagte Feld.

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, unterstützt dagegen die Einschätzung der Bundesregierung, nach der sich die Wirtschaft schneller vom Einbruch im zweiten Quartal erholt als erwartet. „Der aufs Jahr gerechnete Einbruch im Jahr 2020 dürfte in der Tat etwas kleiner ausfallen“, sagte Felbermayr dem „Handelsblatt“. Im Gegenzug sei damit zu rechnen, dass das Wachstum im Jahr 2021 etwas schwächer werde, als bisher unterstellt. Er erwarte, dass der deutsche Binnenkonsum die Konjunktur stärker stützen, der Außenhandel dagegen eher schwach bleiben werde

Altmaier betont Wirtschaftsaufschwung

„Aufgrund der ergriffenen Maßnahmen, aufgrund des Einsatzes aller Beteiligten können wir diese Prognose für das laufende Jahr nunmehr anheben von minus 6,3 Prozent auf minus 5,8 Prozent“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einer Pressekonferenz am 1. September. Für das kommende Jahr werde demnach wegen des sich abzeichnenden Aufholprozesses ein Plus von 4,4 Prozent erwartet – das Vorkrisenniveau dürfte „allerdings erst zu Beginn des Jahres 2022 wieder erreicht werden“.

Im zweiten Quartal war die deutsche Wirtschaft wegen  der Corona-Pandemie so stark eingebrochen wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.  Der Einbruch im ersten Halbjahr sei massiv und dramatisch gewesen. „Er fiel im Monat April am stärksten aus, mit minus 9,7 Prozent“, allerdings sei die Talsohle bereits durchschritten. Seit Mai verzeichne man eine deutliche Erholung der Wirtschaft bei den Dienstleistungen, beim Handel und in der Industrie.

„Wir rechnen auch für den weiteren Verlauf des Jahres mit einer anhaltenden Erholung“, zeigte sich Altmaier optimistisch. Die Stimmung bei den Unternehmern helle sich auf. Der Ifo-Index steige von Monat zu Monat. Die Kurzarbeit habe in der Spitze bei 5,8 Millionen gelegen. „Das ist deutlich weniger, als in den schlimmsten Szenarien befürchtet. Und seither geht die Kurzarbeit ständig zurück“, sagte der Bundeswirtschaftsminister weiter.

Zweiter Lockdown ist verhinderbar

Die Bundesregierung gehe in ihrer aktuellen Projektion davon aus, dass es „nicht noch einmal zu solch weitreichenden Maßnahmen zur Beschränkung der sozialen Kontakte im öffentlichen Raum zum Schutz von Gesundheit und Leben kommen muss wie in der zweiten Hälfte des März und im April“.

Das zeige, dass die deutsche Wirtschaft vor Beginn der Pandemie in einer guten Verfassung war und dass ihre Kräfte groß sei. Dass diese Situation erreicht werden konnte, sei das Ergebnis der Arbeit und des Einsatzes von Millionen von Arbeitnehmern, Mittelständlern, Selbstständigen und Handwerkern, „die sich gegen diese Krise gestemmt haben, die an unser Land geglaubt haben und an unser Land glauben“. Zudem sei dies das Ergebnis eines „Schulterschlusses innerhalb der Politik, aber auch zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft quer über Klassen und Interessen hinweg“.

Altmaier betonte, dass Deutschland gut durch die Krise gekommen sei. Andere Länder hätten aus diesem Grund Modelle zur Kurzarbeit bis hin zu Förderprogrammen für Unternehmen nach deutschem Vorbild übernommen. Zur Frage, ob die Mitarbeiter aus dem Homeoffice-Bereich wieder in die Firmen zurückkehren sollten, äußerte sich Altmaier zurückhaltend. Das überlasse er den Unternehmen. Die Politik könne insoweit keine Vorgaben machen.

„Ich bin überzeugt, dass wir einen zweiten allgemeinen Lockdown verhindern können und verhindern werden“, sagte Altmaier. Aufschwung sei auch in Zeiten der Corona-Pandemie möglich, wenn man sehr differenziert vorgehe  und keine neuen größeren Öffnungsschritte vornehme, dafür aber weiterhin die Hygieneregeln einhalte.

Die Regierung rechnet mit 2,5 Millionen Kurzarbeitern im Jahresdurchschnitt. Die Zahl der Erwerbstätigen werde im Jahresschnitt um 380.000 sinken, die Arbeitslosenquote auf im Schnitt 5,9 Prozent ansteigen. Doch auch am Arbeitsmarkt zeichne sich bereits eine Erholung ab.

Runder Tisch im Oktober geplant

Angesichts der Folgen der Corona-Krise für die Innenstädte will Altmaier einen Runden Tisch einberufen. An dem Treffen „Anfang Oktober“ sollten neben dem Einzelhandel und der Digitalwirtschaft alle weiteren Beteiligten teilnehmen. Es gehe darum, „wie wir die Krise in den Innenstädten wenden können zum Besseren“.

Die Umsätze des Onlinehandels seien in der Krise stark gestiegen, der stationäre Handel sehe das „mit Sorgen“. Diskutieren soll der Runde Tisch laut Altmaier deshalb auch darüber, „wie wir dem Einzelhandel die Partizipation an steigenden Onlineumsätzen ermöglichen können“. Es gebe entsprechende Modelle auf lokaler Ebene – „ich sehe die Verantwortung des Bundes, diese Entwicklung zu unterstützen“.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert schon seit Wochen einen Sonderfonds mit 500 Millionen Euro. Die Mittel sollen zur Aktualisierung und Standardisierung von Einzelhandelskonzepten, zur Analyse der Leerstände sowie für eine aktive Ansiedlungspolitik verwendet werden. (afp/reuters/dts/sua)



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