„Wertschätzung sieht anders aus“ – großer Frust unter Apothekern

Nachwuchsmangel, Kostendruck und Lieferengpässe. Die Apotheken arbeiten am Anschlag. Doch die Lage könnte sich weiterhin verschlimmern, wie eine repräsentative Umfrage zeigt.
Titelbild
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz bei der Pressekonferenz am 26. September 2023.Foto: ABDA/Klemm
Von 26. September 2023

Der Pessimismus in den Apotheken im Hinblick auf die eigene wirtschaftliche Lage und den anhaltenden Nachwuchs- und Personalmangel hat ein neues Höchstmaß erreicht. Das geht aus dem Apothekenklima-Index 2023 hervor, einer repräsentativen Meinungsumfrage unter 500 Apothekeninhabern bundesweit, die am 26. September anlässlich des Deutschen Apothekertages vorgestellt wurde.

Seit Jahren kämpft die Branche mit einer immer stärker sinkenden Apothekenanzahl, akutem Nachwuchs- und Personalmangel sowie inflations- und tarifvertragsbedingte Kostensteigerungen. Allein im ersten Halbjahr 2023 mussten 238 Apotheken unwiderruflich schließen, sodass die Anzahl auf 17.830 Apotheken gesunken ist. Im Vergleich dazu schlossen im Gesamtjahr 2022 nur 393 Apotheken.

„Die Apotheken mühen sich ab, haben dabei aber den Eindruck, dass ihr Einsatz in der Gesundheitspolitik weder ausreichend wahrgenommen, noch sonderlich gewürdigt oder gar angemessen honoriert wird“, sagte Gabriele Overwiening. Overwiening ist Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), einem Zusammenschluss von 17 Kammern und 17 Verbänden zur Interessenvertretung für die knapp 18.000 öffentlichen Apotheken und die fast 70.000 approbierten Apotheker.

Viele Apotheken am Nachmittag des 27. September geschlossen

Eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik nehme die Anliegen der Apotheken ernst und handele dementsprechend. Momentan sei das Gegenteil der Fall. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe sechs Termine, die die ABDA vorgeschlagen habe, ausgeschlagen. Schließlich habe er sogar noch seine ursprünglich zugesicherte, persönliche Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung der Verbandstagung am 27. September abgesagt.

Wertschätzung sieht anders aus“, kritisiert die ABDA-Präsidentin.

Allerdings wird Lauterbach der Veranstaltung live zugeschaltet. Dann muss er die ihm übersandten sechs Fragen von ABDA beantworten, die nicht nur die Apotheker, sondern auch die Patienten betrifft. Es geht unter anderem um das Recht auf Medikationsanalysen, den Schutz der Patientendaten und die flächendeckende Arzneimittelversorgung.

Am morgigen „Tag der Antworten“ werden viele Apotheken bundesweit von 13 bis 16 Uhr geschlossen sein, um dem Minister „sehr genau zuzuhören“, wie Overwiening schildert.

Weitere Verschlechterung der Lage befürchtet

Dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer Apotheken in den nächsten zwei bis drei Jahren noch weiter verschlechtert, befürchten laut der Umfrage zwei Drittel (63,6 Prozent) der Apotheken-Inhaber.

Eigentlich müssten die Apotheken Personal einstellen, doch das Gegenteil sei der Fall. Zu hoch sei der wirtschaftliche Druck, der auf den Apotheken lastet. Wenn eine Stelle für einen Apotheker oder eine Apothekerin ausgeschrieben wird, so rechnen über 40 Prozent der Befragten mit keiner einzigen Bewerbung, so Overwiening.

Düstere Aussichten auch für das Personal. Bei ausgeschriebenen Stellen für Pharmazeutisch-Technische Assistenten gehen 27,2 Prozent der Befragten davon aus, dass keine Bewerbung eingeht. Im Bereich der Pharmazeutisch-Kaufmännischen Angestellten liegt die Quote sogar bei 28,2 Prozent.

Apotheken in Protestbereitschaft

Die überwältigende Mehrheit der Apothekeninhaber befürwortet weitere Proteste uneingeschränkt (84,6 Prozent) oder zumindest punktuell (13,8 Prozent). Lediglich acht von 500 Apotheken (1,6 Prozent) gehen davon aus, dass keine Proteste notwendig seien.

Am 14. Juni dieses Jahres hatte ein Protesttag mit bundesweiten Apothekenschließungen und Großdemonstrationen unter anderem in Berlin und in Düsseldorf gezeigt, wie drängend die Probleme der Apothekenteams sind. Bei einer Postkartenaktion im August haben laut ABDA Hunderttausende Patienten die Unterstützung für ihre Apotheke vor Ort mit handschriftlichen Anmerkungen bekundet.

Die Bevölkerung steht hinter uns! Mit dieser starken Rückendeckung gehen wir nun in den Herbst und erneuern unsere Forderungen an die Politik“, so Overwiening.

Bei ihren Forderungen geht es den Apothekern auch um die Honorierung ihrer Arbeit. Vier von fünf Befragten sagen, dass die Erhöhung des Festzuschlags pro rezeptpflichtigem Arzneimittel von derzeit 8,35 Euro nach elf Jahren endlich an die Kostenentwicklung angepasst werden müsse.

„Die Apothekerschaft fordert 12 Euro pro verordnetem Medikament oder – anders ausgedrückt – 2,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich, um die Arzneimittelversorgung auch künftig sicherzustellen“, erklärt die Verbandsvorsitzende. Das seien 2,7 Milliarden Euro, um die Beschäftigten angemessen zu bezahlen, dem Nachwuchs eine Perspektive zu geben und die Versorgung für die Patienten sicherzustellen.

Halbzeit für die Bundesregierung

Das für die Präsentation der Umfrageergebnisse gewählte Datum ist markant. Denn vor genau zwei Jahren fand die Bundestagswahl statt, die der Bevölkerung eine neue Regierung – die Ampelkoalition – beschert hat, so die ABDA-Präsidentin weiter. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Regierung eine bessere Versorgung der Patienten in Aussicht gestellt. In den Apotheken ist davon jedoch nichts zu spüren.

Inzwischen geht es in den Apotheken nicht mehr nur um eine Verbesserung der Lage, „sondern um ein bloßes Halten des aktuellen Niveaus bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zwischen Ostsee und Alpen“, macht Overwiening deutlich.

 



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