Berateraffäre: Luxusgehälter und freihändige Auftragsvergaben bei Inhouse-Unternehmen der Bundeswehr

Mit erkennbarem Widerwillen übermittelt das Bundesverteidigungsministerium dem Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre die Bezug habenden Unterlagen. Dabei lassen bereits bis dato durchgesickerte Informationen das Ausmaß der Selbstbedienung erkennen.
Titelbild
Annegret Kramp-Karrenbauer (r.) und Ursula von der Leyen schneiden in einer aktuellen Umfrage beide nicht gut ab.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Von 12. Dezember 2019

Nachdem mehrere Mitglieder des Untersuchungsausschusses Vertuschungsvorwürfe im Zusammenhang mit der Berateraffäre erhoben hatten, will das Bundesverteidigungsministerium die zuvor geschwärzt überlassenen Akteninhalte nun ordnungsgemäß nachgereicht haben.

„Bei verständiger Würdigung dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln“

Der SPD-Abgeordnete Dennis Rohde hat dem Ministerium mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen, nachdem unter anderem ein Leitz-Ordner mit 280 Seiten zu der geplanten Privatisierung der Bundeswehr-Panzerwerkstättengesellschaft HIL GmbH, übergeben worden war, von dem 240 geschwärzt oder komplett entnommen worden waren. Begründung: die Seiten seien „ohne Bezug zum Untersuchungsgegenstand“. AfD-Verteidigungssprecher Rüdiger Lucassen sprach gar von vorsätzlicher Täuschung.

Nun, so die „Welt“, will das Ministerium nach  „nochmaliger Prüfung des ursprünglich vorgelegten Ordners“ festgestellt haben, dass Teile geschwärzt beziehungsweise entnommen worden seien, die „untersuchungsgegenständlich sind und bei verständiger Würdigung dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln gewesen wären“. Die entsprechenden Aktenteile wurden nachgereicht, die CDU betrachtet das Problem damit als behoben. Immerhin habe Annegret Kramp-Karrenbauer die Privatisierungspläne ihrer Vorgängerin auf Eis gelegt.

Die Kritik reißt dennoch nicht ab. So konnten bezüglich der HIL-Privatisierung in den vergangenen Wochen drei Zeugen nur auf der Basis der bis dahin übermittelten Aktenteile befragt werden – die jedoch allesamt weithin unergiebig waren.

Protokolle: Fragwürdige Vergabepraxis, typische Manipulationsmerkmale

Also umso interessanter stellten sich demgegenüber die bis dato nicht zugänglichen Inhalte dar, die nach ursprünglicher Auffassung des Ministeriums den Bezug zum Gegenstand vermissen ließen. Immerhin untermauerten sie das, wovon argwöhnische Beobachter schon im Vorfeld des Untersuchungsausschusses ausgegangen waren, nämlich dass die staatlichen Gesellschaften unter der Federführung des Verteidigungsministeriums unter Ursula von der Leyen Züge eines Selbstbedienungsladens entfaltet hatten.

Die eigenen Arbeitnehmervertreter der HIL sprachen laut „Welt“ im Zusammenhang mit den Privatisierungsschritten von einer „fragwürdigen Vergabepraxis“ mit freihändig vergebenen Beraterverträgen, die zum Teil bewusst an gesetzlichen Bestimmungen vorbei vergeben worden seien. Das Verfahren, so hieß es in Protokollen, weise „typische Manipulationsmerkmale“ auf.

Zudem sei Druck auf skeptische Arbeitnehmervertreter ausgeübt worden, Verfahrensvorschriften zu deren Nachteil ausgelegt worden – und nicht zuletzt habe man vonseiten des Ministeriums von Ministerin von der Leyen und ihrer Staatssekretärin Katrin Suder der Belegschaft einen Beamten aus dem Wehrressort als Geschäftsführer vor die Nase gesetzt, um die Privatisierung voranzutreiben.

Mehrfache Entlassungen in der Führung

Was nun mit Blick auf die HIL GmbH durchgesickert ist, weckt das Interesse der Ausschussmitglieder auch mit Blick auf weitere „Inhouse“-Gesellschaften. So gibt es unter Führung des Ministeriums Beteiligungsgesellschaften für IT der Bundeswehr (BWI GmbH), hausinterne Beratung (BWConsulting) oder Bekleidungsmanagement (BwBM GmbH). Die außerhalb der Bundeswehr kaum bekannten Unternehmen beschäftigen zum Teil mehrere tausend Mitarbeiter.

Bezüglich des Gebarens der staatseigenen Unternehmen hatte es jedoch schon in der Vergangenheit mehrfach Beanstandungen gegeben. Die „Welt“ schreibt von Fällen „fragwürdiger Haushalts- und Geschäftsführung“, die auch schon mehrfach Entlassungen von Geschäftsführern nach sich gezogen hätten. Prüfer wurden entsandt, um Vorwürfen unangemessener Gehälter für Betriebsräte, mondän ausgestatteter Dienstwagen oder überhöhter Ausgaben für Meetings und Konferenzen zu prüfen.

Die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen ist dadurch gesichert, dass ihre Einnahmen aus Steuermitteln kommen. Geschäftsführer erzielen Jahresgehälter bis zu 200 000 Euro, und oft soll nicht einmal die kaufmännische Kompetenz der Betreffenden überprüft worden sein. Kontroll- und Mitsprachebefugnisse des Aufsichtsrates sind eingeschränkt und oftmals ineffektiv. Im Fall der BWI GmbH, die 4000 Mitarbeiter beschäftigt, sei die Fluktuation an der Spitze hoch.

„Allein in den vergangenen zwei Jahren musste die Firma mehrfach Mitglieder der Leitung austauschen, einen Geschäftsführer kündigte man fristlos, einen anderen ordentlich“, schreibt die „Welt“. „In beiden Fällen war es offenbar zu schweren Pflichtverletzungen gekommen.“

Gehälter nach Gutsherrenart

Die Rede ist von unzulässig hohen Gehältern für fünf Betriebsräte – und zu niedrigen für andere. Mittlerweile sollen sogar Zivilprozesse um Schadensersatz laufen. Ein der „Welt“ vorliegendes vertrauliches Deloitte-Gutachten mit dem Titel „Sonderuntersuchung zu einzelnen Geschäftsvorfällen“ soll das Volumen „vergaberechtswidrig“ vergebener Aufträge allein bei BWI rund 5,5 Millionen Euro erreicht haben.

Außerdem sollen leitende Angestellte eigenmächtig Headhunterverträge abgeschlossen haben, zusätzlich zum Bestand einer Rahmenvereinbarung von Beratungsleistungen, dies sich sogar auf ein Volumen von bis zu 400 Millionen Euro erstreckt haben sollen – ohne eine rechtzeitige Unterrichtung und Einbindung des Aufsichtsrates.

Unterdessen klagen Abgeordnete aus dem Untersuchungsausschuss weiterhin, die zuständigen Juristen aus der Rechtsabteilung des Wehrressorts, Andreas Conradi und Markus Paulick, würden dessen Transparenzversprechen nicht immer bereitwillig entsprechen. So harrt der Ausschuss weiterhin der Übermittlung ausgelesener Textnachrichten von den Diensthandys maßgeblicher Protagonisten. Diese, so wird erwartet, könnten Einblicke eröffnen, die vor den Ausschuss geladene Zeugen oft lieber zu verweigern pflegen.



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