Besser motiviert und stärker abgelenkt: Digitale Technik im Unterricht

Bessere Anschaulichkeit im Unterricht und motiviertere Schüler - aber gleichzeitig auch mehr Ablenkung und schlechtere Schreibfertigkeiten: Der Einsatz digitaler Hilfsmittel stößt bei Lehrern auf ein geteiltes Echo.
Titelbild
Students are working on computers with textbooks. A female teacher is standing with them, helping them with their work.
Epoch Times12. März 2019

Grundsätzlich sehen die Lehrer den Einsatz digitaler Technik zwiegespalten. Auf der einen Seite erkennt die Mehrheit Vorteile: Dass Schüler besser motiviert sind, sagen 88 Prozent. Der Aussage, dass Inhalte und Zusammenhänge anschaulicher dargestellt und vermittelt werden können, stimmen 87 Prozent zu.

Auf der anderen Seite sehen die meisten Lehrer auch Nachteile wie negative Auswirkungen auf die Schreibfertigkeiten der Schüler (86 Prozent), dass Schüler dazu verleitet werden, Informationen aus dem Internet zu kopieren (77 Prozent), oder dass konzentriertes Lernen gestört wird (57 Prozent).

Auf der Schulnotenskala bewerten die Lehrer die technischen Voraussetzungen insgesamt gerade noch mit „befriedigend“ (3,3). Am besten schneiden die Geschwindigkeit der Internetverbindung („befriedigend“, 2,8) und die Aktualität der Endgeräte („befriedigend“, 3,2) ab.

Lediglich ein „ausreichend“ gibt es dagegen für die Schnelligkeit bei der Behebung technischer Probleme (3,7), die Anzahl der Endgeräte im Verhältnis zur Schülerzahl (3,9) und die Anzahl der Softwarelizenzen je Schüler (4,2).

Es fehlen die Geräte, ihre Stabilität und die Wartung der Technik

Die Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom ergab, dass 54 Prozent der Befragten gern häufiger digitale Medien einsetzen würden. Daran gehindert werden sie allerdings auch durch fehlende Technik. 58 Prozent sagen, dass es an den nötigen Geräten für die Nutzung im Unterricht mangelt. Dahinter folgt bei 36 Prozent die Sorge, dass die Technik im Unterricht versagt. Auch ein fehlendes pädagogisches Konzept (13 Prozent) und unzureichende Technikkenntnisse (zwölf Prozent) werden von den Lehrern genannt.

Viele Schulen verfügen der Umfrage zufolge nur über eine digitale Grundausstattung. Geräte wie Beamer, interaktive Whiteboards oder Tablets gebe es „lediglich als Einzelgeräte oder in speziellen Fachräumen“, kritisierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Dabei sollten sie in allen Unterrichtsräumen Standard sein.“

Im Schulalltag nutzen bislang nur 20 Prozent der Lehrer ein Whiteboard mit Bildschirmsteuerung als elektronische Tafel an allen Unterrichtstagen. Knapp jeder Dritte nutzt die Whiteboards zumindest regelmäßig.

Tablets werden nur von drei Prozent der Lehrer täglich eingesetzt, von 14 Prozent regelmäßig. Das Smartphone – auf vielen Pausenhöfen allgegenwärtig – spielt im Unterrichtsalltag im Klassenzimmer hingegen fast keine Rolle: Neun von zehn Lehrern (90 Prozent) nutzen es nie, acht Prozent setzten es lediglich in Ausnahmefällen ein.

Für die repräsentative Studie wurden 503 Lehrer der Sekundarstufe I an Hauptschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen und Waldorfschulen telefonisch befragt.

„Analoge“ Erziehung führt zu besseren Lernerfolgen

Trotz vieler Wünsche konnte bisher nicht durch Vergleichsstudien bewiesen werden, dass digitale Medien zu besseren Lernerfolgen führen als die bisherige „analoge“ Erziehung. Der Germanist und Pädagoge Peter Hensinger verweist auf Beiträge einer Anhörung im hessischen Landtag am 14. Oktober 2016 zum Thema „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“. Hier nur vier Beispiele der dort angehörten Experten Burchardt, Lankau und Spitzer.

Der Chef des OECD-PISA-Programms Andreas Schleicher schrieb im OECD-Bericht „Students, Computers and Learning: Making the Connection“ (2015), der den Nutzen von Digitaltechnik belegen sollte: „Schüler mit moderater Computernutzung in der Schule tendieren zu besseren Lernergebnissen als Schüler, die Computer selten verwenden. Aber Schüler, die Computer sehr häufig in der Schule verwenden, haben sehr viel schlechtere Lernergebnisse, auch nach der Berücksichtigung von sozialem Hintergrund und der Demographie. Die Ergebnisse zeigen auch keine nennenswerten Verbesserungen in der Schülerleistung in Lesen, Mathematik oder Wissenschaft in den Ländern, die stark in IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) für Bildung investiert hatten. Und vielleicht die enttäuschendste Feststellung des Berichts ist, dass die Technologie wenig hilfreich beim Ausgleich der Fähigkeiten zwischen fortgeschrittenen und zurückgebliebenen Schüler ist.“

Die Medienpädagogin Prof. Paula Bleckmann kommt in ihrer Auswertung der Studienlage unter Einbeziehung des OECD-Berichtes zu dem Schluss:

Nachgewiesen ist ein erhöhtes Risiko für Verzögerungen in der Sprach- und Bewegungsentwicklung, für Übergewicht, für Schlafstörungen, für Empathieverlust, und für Schulversagen.“

Australien korrigiert den Digitalisierungshype

In einer Hamburger Studie mit über 1.300 Schülern (das BYOD-Projekt) stellt der Projektleiter, Prof. Dr. Rudolf Kammerl zum Einsatz von privaten Smartphones und Tablets fest, dass das Projekt „bei den Schülerinnen und Schülern weder zu einer messbar höheren Leistungsmotivation, noch zu einer stärkeren Identifikation mit der Schule [führe]“. Es werde weder besser mit Quellen umgegangen, „noch [sei] eine höhere Informationskompetenz“ erreicht.

Das Projekt „Lernen in Notebook-Klassen. 1000mal1000: Notebooks im Schulranzen“ muss im Endbericht des Projekts schreiben: „Bedingt durch das hohe Ablenkungspotenzial, das die Notebooks im Unterricht für die Schüler haben, zeigen die Ergebnisse, dass die Schüler im Notebook-Unterricht tendenziell unaufmerksamer sind … Im Bereich der fachlichen Leistungen wurden im Mathematik-Test keine Unterschiede zwischen Notebook- und Nicht-Notebook-Schülern festgestellt … Hinsichtlich der Informations- und Methodenkompetenz deuten die Ergebnisse insgesamt darauf hin, dass keine oder nur geringe Unterschiede zwischen Notebook- und Nicht-Notebook-Schülern bestehe“.

Und – in Australien – werden seit 2016 die Laptops, die erst 2012 nach dem Absacken in den PISA-Ergebnissen in den Schulen angeschafft wurden, wieder eingesammelt. Denn, so schreibt Peter Hensinger:

Die Schüler haben alles damit gemacht, nur nicht gelernt. Ähnliches geschieht in Südkorea, Thailand, USA und der Türkei. Einige Länder, die Deutschland in der Digitalisierung voraus sind, korrigieren also bereits den Digitalisierungshype“.

(afp/ks)



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