Boris Rhein: „Die Schnittmengen sind derzeit mit der Sozialdemokratie einfach größer“

Die hessische CDU beendet nach zehn Jahren die Koalition mit den Grünen. Am Dienstag beginnen die Gespräche mit der SPD. Es wäre das erste schwarz-rote Bündnis in der Landesgeschichte.
Die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Hessen: Nancy Faeser (SPD) und Boris Rhein (CDU).
Nancy Faeser (SPD) und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) führten die Sondierungsgespräche, die nun in Koalitionsgespräche beider Parteien münden.Foto: Boris Roessler/dpa
Von 10. November 2023

Die hessische CDU will offenbar nach rund einem Jahrzehnt die Koalition mit den Grünen beenden und stattdessen mit der SPD ein Regierungsbündnis formen. Das berichtet die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa). Demnach teilte CDU-Landeschef und Ministerpräsident Boris Rhein in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden mit, dass Christ- und Sozialdemokraten hinter verschlossenen Türen einen Koalitionsvertrag aushandeln wollen.

Es soll Anreize statt Verbote geben

„Die Schnittmengen sind derzeit mit der Sozialdemokratie einfach größer“, sagte Rhein laut „Spiegel“ bei einer Pressekonferenz. „Das ist der Grund, warum wir uns für die SPD entschieden haben und nicht gegen die Grünen.“ Diese seien in den Sondierungsgesprächen weit auf die CDU zugegangen, sagte Rhein. „Aber am Ende hat es nicht gereicht.“ Die Leitlinien seien ein starker Staat, eine starke Wirtschaft und Modernisierung. Es solle „Anreize statt Verbote“ geben, zitiert die „Welt“ den 51-jährigen Boris Rhein. Menschen wollten nicht bevormundet werden. Man wolle zudem einen Stil, „der keine alten Kompromisse schließt, sondern einen neuen Konsens erreicht“.

Es wäre das erste CDU-geführte schwarz-rote Bündnis der Landesgeschichte. Die Entscheidung der CDU für einen möglichen Partner auf der Regierungsbank in Wiesbaden war seit Wochen mit Spannung erwartet worden.

CDU und SPD: Ähnliche Erfahrungswelten als Volkspartei

Kurz nach der Landtagswahl am 8. Oktober hatte die CDU begonnen, in Sondierungsgesprächen mit Grünen und SPD inhaltliche Schnittmengen für ein mögliches neues Regierungsbündnis auszuloten. Rhein betonte wiederholt, diese Gespräche verliefen sehr konstruktiv und in guter Atmosphäre. Schon vor der Wahl hatte der CDU-Landesvorsitzende der dpa gesagt, jenseits des „sehr konstruktiven, sehr vertrauensvollen“ Bündnisses mit den Grünen habe er immer auch den Kontakt zur SPD gepflegt. Es gebe mit ihr „ähnliche Erfahrungswelten als Volkspartei“.

Die CDU konnte sich als deutliche Wahlsiegerin aussuchen, ob sie erneut mit den Grünen oder mit der SPD ein Regierungsbündnis schmiedet. Die FDP, mit der die CDU ebenfalls kurze Zeit sondierte, ist dafür rechnerisch nicht nötig.

Sondierungsgespräche zwischen Rhein und Faeser

Die Sondierungsgespräche für die SPD hatte deren Landeschefin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser geführt. Das vermeldet „BR24“. Die Sozialdemokraten erwarten allerdings im Falle eines Zustandekommens der Koalition keinen Wechsel der Ministerin nach Wiesbaden. Die gebürtige Hessin habe stets deutlich gemacht, dass sie nur als Ministerpräsidentin in ihre Heimat zurückkehren werde.

Die Grünen reagierten enttäuscht und überrascht über den Rauswurf aus der Koalition. Sie sollen erst am Freitagmorgen offiziell (10. November 2023) davon erfahren haben, schreibt „fr.de“. „Ein schlechter Tag für Hessen“, kommentierte Omid Nouripour, Bundesvorsitzender der Grünen, die Entscheidung der Union. Diese sei für ihn nach zehnjähriger Zusammenarbeit auch „völlig unverständlich“. Und weiter: „Dass jede Krise in unserem Land so durchschlägt, liegt auch am Stillstand der GroKos der letzten Jahre. Diesen Stillstand hat Hessen nicht verdient.“

Zunächst deutet vieles auf eine Fortsetzung von schwarz-grün hin

Mathias Wagner, Landesfraktionschef der Grünen, bestätigte, dass man erst am Freitagmorgen von den neuen Plänen des nun ehemaligen Kooperationspartners informiert worden sei. Zugleich schloss er sich der Kritik der Bundespartei am Vorgehen von Ministerpräsident Boris Rhein an. Nach einer Dekade Zusammenarbeit sei man sichtlich „enttäuscht“. Er gehe davon aus, dass die Entscheidung bei der CDU bereits vor einigen Tagen gefallen sein könnte. „Wenn man die Koalition hätte fortsetzen wollen, dann hätte man das mit uns sicherlich können“, sagte Wagner.

Danach sah es laut „Bild“ wohl zunächst auch aus. Obwohl Ministerpräsident Rhein kein „großer Freund“ der Grünen sei, hätten zu Beginn der Sondierungsgespräche die Zeichen eher für eine Fortsetzung des Bündnisses gestanden. Doch hätten die Grünen um den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Verhandlungsführer Tarek Al-Wazir in den Gesprächen nicht überzeugen können.

SPD sitzt seit 25 Jahren auf der Oppositionsbank

Die Entscheidung sei „eine Niederlage für den bürgerlichen Merkel-Flügel der CDU“, sagte der frühere Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, dem „Spiegel“. Man sehe, wie sehr ihn der rechte Flügel unter Druck setze. „Der will nicht mit den ‚lästigen‘ Grünen koalieren, dann schon lieber mit der SPD, die ist bequemer und zum Beispiel in der Migrationspolitik auch inhaltlich näher.“

Die SPD könne nach 25 Jahren ununterbrochener Opposition in Hessen wieder mitregieren. Wie die „Tagesschau“ berichtet, muss die Landespartei der Aufnahme von Koalitionsgesprächen noch zustimmen. Die entsprechende Sitzung des Parteirats ist für Freitag, 10. November, in den Abendstunden in Kassel angesetzt. Mit den Koalitionsgesprächen wollen CDU und SPD am Dienstag, 14. November, beginnen. Läuft alles nach Plan, soll der Koalitionsvertrag bis Weihnachten unter Dach und Fach sein.

Bei der Landtagswahl am 8. Oktober hatte die CDU deutlich zugelegt und war mit 34,6 Prozent der Stimmen mit großem Abstand stärkste Partei geworden. SPD und Grüne verloren stark und kamen mit 15,1 und 14,8 Prozent nur auf die Plätze drei und vier. Größte Oppositionskraft im neuen Landtag in Wiesbaden wird die AfD mit 18,4 Prozent. Eine Alternative mit ihr schließt die Union allerdings aus. Knapp war es für die FDP, die mit 5,0 Prozent den Sprung in den Landtag noch schaffte. Der neue 21. hessische Landtag konstituiert sich am 18. Januar 2024.



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