Chinas Sicherheitsgesetz kann auch Deutsche treffen – IGFM fordert Ende des Auslieferungsabkommens

"In Hongkong ist am 1. Juli 2020 ein neues Sicherheitsgesetz in Kraft getreten, das für neue und nicht klar definierte Tatbestände der Sezession, Subversion, Terrorismus sowie Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten Strafandrohungen bis zu lebenslanger Haft vorsieht", heißt es in einer aktuellen Meldung des Auswärtigen Amtes.
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Heiko MaasFoto: JOHANNES EISELE/AFP via Getty Images
Epoch Times7. Juli 2020

Das Auswärtige Amt in Deutschland warnt davor, dass auch Handlungen, die außerhalb des Territoriums von Hongkong von Ausländern begangen werden, in den Anwendungsbereich des chinesischen Sicherheitsgesetzes einbezogen werden könnten. Es könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass deutsche Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger in Hongkong von Maßnahmen aufgrund des neuen Gesetzes betroffen werden.

Insoweit empfiehlt das Auswärtige Amt:

  • Seien Sie besonders vorsichtig und seien Sie sich bewusst, dass politische Äußerungen, auch in den sozialen Medien, als relevant betrachtet werden können.
  • Informieren Sie sich regelmäßig über die aktuelle Entwicklung und verfolgen Sie die lokalen Medien.
  • Meiden Sie Demonstrationen und größere Menschenansammlungen weiträumig.
  • Folgen Sie den Anweisungen lokaler Sicherheitskräfte.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisiert das Sicherheitsgesetz aufs Schärfste und fordert die Bundesregierung auf, dem kanadischen Vorbild zu folgen und das Auslieferungsabkommen mit Hongkong aufzukündigen. Außerdem kämen die Hinweise des Auswärtigen Amtes, vorsichtig bei politischen Äußerungen zu China zu sein, einem Aufruf zur Selbstzensur gleich. Solch eine Aussage bezeichnet die in Frankfurt ansässige Menschenrechtsorganisation als „beschämend für eine freiheitliche Demokratie“.

Mit einer derartigen Aufforderung suggeriere das Auswärtige Amt, dass Deutsche China-kritische Kommentare unterlassen sollen, um nicht ins Visier der chinesischen Regierung zu kommen. „Meinungsfreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie und ein essentielles Menschenrecht – da muss sich die Bundesregierung schützend vor ihre Bürger stellen und diese nicht im eigenen Land zur Vorsicht bei der Meinungsäußerung mahnen“, so die IGFM.

„Kanada hat als erstes Land die richtige Antwort auf das Sicherheitsgesetz gefunden. Jetzt muss die Bundesregierung umgehend nachziehen. Im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft muss Angela Merkel eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen und eindeutig für die Menschenrechte Stellung beziehen. Lukrative Wirtschaftsdeals rechtfertigen keine Auslieferungen von China-Kritikern“, erklärte Hubert Körper, Vorsitzender des Arbeitsausschusses China der IGFM.

IGFM fordert Ende des Auslieferungsabkommens

Artikel 38 des Sicherheitsgesetzes besagt, dass auch Menschen, die keinen ständigen Aufenthaltsstatus in der Sonderverwaltungszone Hongkong besitzen und sich außerhalb von Hongkong aufhalten, von diesem Gesetz betroffen sein können. Wenn also zwischen einem Land und Hongkong eine Auslieferungsvereinbarung besteht, dann könnten auch Personen anderer Nationalitäten nach Hongkong ausgeliefert und von dort nach China überführt werden.

Das Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und Hongkong gilt seit dem 26. Mai 2006. In den letzten Jahren wurden einige Auslieferungen bewilligt. „Wenn sich also Menschenrechtsaktivisten oder Bürgerrechtler in Deutschland kritisch über China äußern oder die Proteste in Hongkong unterstützen, würden sie laut diesem Gesetz die nationale Sicherheit Chinas gefährden und könnten an Hongkong ausgeliefert werden“, betonte Körper.

Der emeritierte Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, warnte bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung der IGFM in Bonn vor der Gleichschaltung in Hongkong – für diese Worte hätte er nach Ansicht Körpers eine Auslieferung befürchten müssen. Daher fordere die IGFM von der Bundesregierung, das Auslieferungsabkommen sofort aufzukündigen und somit ein wichtiges Signal für die Menschenrechte zu setzen.

Die Menschenrechtsorganisation IGFM steht weiterhin an der Seite der Demokratieaktivisten Hongkongs. Einer der bekanntesten ist Joshua Wong, der sich aktuell wegen der Beteiligung an den Massenprotesten des letzten Jahres vor Gericht verantworten muss und die internationale Gemeinschaft zur Solidarität aufgerufen hat.

Sicherheitsgesetz gilt auch außerhalb Hongkongs

Nicht nur in China oder Hongkong könne es gefährlich werden, warnte auch Andrew Nathan, Politikprofessor an der Columbia University i einem Bericht der chinesischsprachigen „BBC“. Demnach sollten auch ausländische Unterstützer der pro-demokratischen Bewegung Hongkongs aufpassen. Nathan sagte, bei Reisen in andere Länder sei Vorsicht geboten, und Länder mit Auslieferungsklauseln mit China sollten gemieden werden.

Bisher kam es zwar selten vor, dass Länder Gefangene aus politischen Gründen ausgeliefert haben. Experten befürchten jedoch, dass Peking ausländische Staatsbürger wegen Verstoßes gegen das neue Gesetz anklagen und ihre Auslieferung nach Hongkong oder China beantragen könnte.

Laut Angaben des Regimes hätten bisher mindestens 53 Länder öffentlich erklärt, dass sie das Gesetz unterstützen. Dazu gehören Russland, Vietnam, Iran, Serbien, Pakistan, Venezuela und andere – und viele von ihnen haben Auslieferungsklauseln mit China.

Gesetz erschafft mächtige Institutionen

Rechtsprofessor Clarke schrieb auf Twitter: „Bitte denken Sie daran, dass das Problem des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong nicht so sehr die konkreten Handlungen sind, die es kriminalisiert – diese Definitionen können so weit gedehnt werden, wie man will -, sondern die Institutionen, die es schafft und denen es Macht verleiht.“

Professor Clark sagte auch: „Der Name und die rechtliche Definition des Verbrechens spielen keine Rolle, wenn man unwiderruflich als ernsthafte Bedrohung der nationalen Sicherheit identifiziert und zur Sachbearbeitung und Inhaftierung auf das Festland geschickt worden ist.“

Tibet sieht Parallelen zu Hongkong

Der Ministerpräsident der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, sieht eindeutige Parallelen zwischen den aktuellen Geschehnissen in Hongkong und dem tibetisch-chinesischen Konflikt. Damals habe China den Tibetern weitgehende Autonomie zugesichert. „Ein Land, zwei Systeme, das wurde Tibet versprochen“, sagte Sangay. Doch stattdessen habe Peking die Freiheiten des ehemaligen Himalaja-Königreichs gewaltsam untergraben. „Das sehen Sie jetzt in Hongkong: Den Menschen dort wurden Grundrechte versprochen, aber was passiert ist eine Verletzung aller dieser Bestimmungen.“

China hatte Hongkong 1984 bei der Wiedereingliederung der damaligen britischen Kronkolonie in die Volksrepublik für 50 Jahre einen Autonomiestatus unter der Prämisse „Ein Land, zwei Systeme“ vertraglich eingeräumt. Kritiker werfen der Regierung in Peking bereits seit Jahren vor, diesen Status nach und nach zu untergraben. Das kürzlich erlassene und international heftig kritisierte Sicherheitsgesetz, das den Zugriff chinesischer Behörden auf die Finanzmetropole enorm erhöht, belege dies, sagte Sangay.

In Tibet sei China ähnlich vorgegangen, sagte der an der US-Elite-Universität Harvard ausgebildete Völkerrechtler. „Wir waren Opfer eines nationalen Sicherheitsgesetzes.“ 1959 kam es in Tibet zum Aufstand, den China gewaltsam niederschlug. Der Dalai Lama, das spirituelle Oberhaupt der Tibeter, floh daraufhin nach Indien und gründete in Dharamsala die tibetische Exilregierung. (afp/pr/sua)



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