Corona-Krise: Spahn denkt über Immunitätsausweis nach – Kritiker fürchten Zwei-Klassen-Gesellschaft

Am Mittwoch hat die Bundesregierung einen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn unterstützten Gesetzesentwurf abgesegnet, der die Schaffung eines Immunitätsausweises für Personen vorsieht, die gegen COVID-19 immunisiert sind. Der Entwurf stößt auf Skepsis.
Von 30. April 2020

Hat die Bundesregierung einen Weg gefunden, in der Debatte um eine Aufhebung der Corona-Maßnahmen einen eleganten Ausweg zu finden? Wie die „Süddeutsche“ berichtet, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch (29.4.) Zustimmung im Kabinett für einen Gesetzesentwurf gefunden, der darauf hinauslaufe, Personen, die eine COVID-19-Erkrankung überstanden hätten, mit einem Immunitätsausweis auszustatten.

Das Dokument könnte ähnlich wie ein Impfpass die Immunisierung einer Person gegen den Erreger gegenüber Dritten nachweisen. Dies könnte dem Besitzer eines solchen Ausweises deutliche Erleichterungen im täglichen Leben und möglicherweise eine Rückkehr zur Normalität ermöglichen – beispielsweise im Berufsleben oder beim Grenzübertritt.

Spahn spricht von „vorsorglicher Regelung“

Voraussetzung dafür, dass ein solches Dokument eingeführt werden könne, sei jedoch der wissenschaftliche Nachweis dafür, dass eine überwundene Corona-Infektion tatsächlich mit einer Immunisierung für künftige Infektionen einhergehe, meint Spahn. Da es einen solchen bislang noch nicht gebe, würde der Entwurf, sollte er Gesetzeskraft erlangen, nur eine „vorsorgliche Regelung“ darstellen können.

Reichten die Erkenntnisse jedoch aus, um ein Dokument dieser Art mit Rechtswirkungen versehen zu können, sähe Spahn „an vielerlei Stellen“ eine Erleichterung und die Chance für Bürger, bestimmten Tätigkeiten „unbeschwerter“ nachgehen zu können. So hätte eine nachgewiesene Immunität auch potenziell weitreichende Konsequenzen „für den weiteren Umgang mit Schutzmaßnahmen und vulnerablen Personengruppen“.

In Nordrhein-Westfalen soll es bereits in zwei bis drei Wochen einen Testlauf für einen digitalen Immunitätsausweis geben.

Immunitätsausweis würde Trägern Privilegien verschaffen

Die Erleichterung, die das Gesetz für Immunisierte nach sich ziehen könnte, hätte jedoch auch eine Kehrseite. Im gleichen Beschluss des Kabinetts wurde nämlich auch eine Passage abgesegnet, die sich auf das Infektionsschutzgesetz stützt, und die Behörden ermächtigt, Menschen, von denen Ansteckungsgefahr ausgehe oder die auch nur „krankheitsverdächtig“ seien, in Quarantäne zu schicken – oder ihnen vorzuschreiben, „bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten“.

Wer einen Immunitätsausweis vorlegen könne, wäre von solchen Vorschriften ausgenommen. Im Kern würde damit eine Situation geschaffen, in der Besitzer eines Immunitätsausweis mit Rechten ausgestattet würden, die anderen Bürgern nicht zukämen – auch solchen, die nicht infiziert seien.

Zudem, so die Süddeutsche, würde der Entwurf auch ein Recht von Arbeitgebern beinhalten, von Angestellten künftig eine Auskunft über alle „übertragbaren Krankheiten“ einzufordern – bis dato besteht ein solches nur bezüglich solcher, die „durch Schutzimpfung verhütet werden können“.

„Viele würden versuchen, sich sofort zu infizieren“

Bereits am Freitag der Vorwoche hatte der Hacker und Medienkünstler Julian Finn in einer Online-Debatte des Berliner Disruption Network Lab heftige Kritik an Ideen wie einem „digitalen Corona-Impfpass“ geübt. Wie heise.de berichtet, befürchtet Finn sogar eine erhebliche Zunahme an Erkrankungen infolge einer solchen Regelung.

„Viele würden versuchen, sich sofort zu infizieren“, um in den Besitz eines solchen digitalen Seuchenpasses zu kommen, meint Finn. Viele Bürger hätten schließlich den Lockdown satt und wollten das gesellschaftliche Leben wieder anwerfen, arbeiten gehen und Geld verdienen.

Lösungen wie die nun auch von der Bundesregierung angedachte würden jedoch „technisch Privilegien erteilen“.

Erfolgsnachweis auch in Singapur nicht erbracht

Generell gebe es keinen Grund für den „Techno-Solutionism“, der derzeit um sich greife. Selbst in Staaten wie Singapur, die sich in der Bekämpfung der Seuche als erfolgreich gezeigt und unter anderem auch Big-Data-Anwendungen eingesetzt hätten, wäre kein Nachweis erbracht, dass es diese Instrumente gewesen wären, die den Unterschied gemacht hätten.

Die dort geschaffene App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten wurde von deutlich weniger als den 60 Prozent der Bevölkerung genutzt, die als Voraussetzung für ein erfolgreiches Kontakt-Tracing gälten.



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