Deutschlands Glasfaserdebakel: Ausbau droht zu scheitern

Die ehrgeizige Glasfaserrevolution in Deutschland droht zu scheitern. Die Konsequenzen könnten weitreichender sein, als man denkt. Warum das Land in Sachen Internetinfrastruktur den Anschluss zu verlieren droht und wie das den Alltag der Bürger beeinflussen könnte – ein alarmierender Blick auf ein drohendes Debakel.
Der Ausbau mit sehr schnellem und stabilem Glasfaser-Internet kommt voran in Deutschland.
Der Ausbau mit sehr schnellem und stabilem Glasfaserinternet kommt nicht voran in Deutschland.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 1. November 2023

Schnelle und sichere Internetverbindungen werden in Zukunft vermutlich immer wichtiger werden. Schon heute sind die Regionen in Deutschland hoffnungslos abgeschlagen, die kein schnelles Internet bieten können. Glasfaser spielt dabei eine große Rolle.

Bis 2030, so heißt es in der Gigabitstrategie der Bundesregierung, soll in jedem Haus in Deutschland eine Glasfaserleitung liegen. Dafür wurden in den letzten Jahren Gelder in Milliardenhöhe investiert. Trotzdem, so legen nun Recherchen des „Handelsblatt“ nahe, lässt sich das Ziel nicht halten. Im Gegenteil: Die Branche gerät gerade massiv unter Druck.

Glasfasermarkt bricht gerade stark ein

Die Hauptprobleme sind laut Unternehmenschefs, Beratern und Banken, dass der Ausbau nicht wie geplant voranschreitet und die Kosten durch Zinswende und Inflation weiter steigen. „Der Glasfasermarkt kollabiert gerade“, wird der Geschäftsführer eines großen Anbieters im „Handelsblatt“ zitiert.

Weiter beruft sich die Wirtschaftszeitung auf eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group und der Personalberatung Egon Zehnder, die dem „Handelsblatt“ exklusiv vorliegt. So brachen die Bewertungen von Glasfaserunternehmen bereits in diesem Jahr um bis zu 30 Prozent ein. Vor allem kleinere Unternehmen würden zunehmend ums Überleben kämpfen, zumal auch die Tiefbaukosten immer mehr stiegen.

Interne Planzahlen würden daher nicht erreicht und mehrere Projekte gestoppt, schreibt das „Handelsblatt“ weiter. Dabei beruft es sich auf mehrere Unternehmen. Weiter fehlten erste Umsätze, weil vor allem der Bau der „letzten Meile“ bis in die Wohnung Probleme bereite.

Viele Kunden, die bereits einen Vorvertrag unterschrieben haben, werden wahrscheinlich deutlich länger auf ihren Anschluss warten müssen als zunächst versprochen. In der Branche ist das längst bekannt – öffentlich will jedoch kaum ein Anbieter die Probleme einräumen.

Das „Handelsblatt“ berichtet weiterhin, dass ausländische Geldgeber bereits in Erwägung ziehen, sich vom deutschen Markt zurückzuziehen. Das Bundesverkehrsministerium, das für den Glasfaserausbau zuständig ist, zeigte sich trotz der Herausforderungen optimistisch. „Die Ziele der Gigabitstrategie halten wir weiterhin für realistisch“, teilte ein Sprecher mit. Ebenso äußerten sich die zuständigen Branchenverbände ANGA, Breko und VATM, die trotz der Herausforderungen das Ausbauziel für 2030 als „sehr ambitioniert, aber theoretisch machbar“ bezeichnen. Sie betonen, dass die Unternehmen „mit Hochdruck“ darauf hinarbeiteten.

Unternehmen sind auf Breitbandausbau angewiesen

Sollte der Breitbandausbau ins Stottern kommen, dann hat das nicht nur für Privathaushalte erhebliche Konsequenzen. So wies beispielsweise schon der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im März 2021 darauf hin, dass ein schneller Breitbandausbau „eine zentrale Standortbedingung für unternehmerisches Handeln“ sei.

Aus Sicht der Handwerksbetriebe führen insbesondere die wachsenden Anforderungen der Digitalisierung von Arbeitsprozessen, die intensivierten digitalen Kontakte mit Kunden, die Vorschriften zur Übermittlung betrieblicher Daten über das Internet (z. B. Meldungen an die Sozialversicherungsträger und Finanzämter) und die Verbreitung von eCommerce und eVergabe dazu, dass der Zugang zu leistungsstarken Breitbandnetzen eine unverzichtbare Voraussetzung für die betriebliche Organisation und die Erlangung von Aufträgen ist.

Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat immer wieder darauf hingewiesen, dass ein schneller Breitbandausbau für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands entscheidend sei.

EU-Kommission attestiert „sehr ernste Verfehlungen“

Deutschland ist ohnehin recht spät dran mit seiner Breitbandstrategie. Das hat gerade erst die Europäische Kommission in ihrem Bericht zum Stand der digitalen Transformation in Europa festgestellt. Deutschland muss mehr beim Ausbau der digitalen Infrastruktur tun, heißt es im Bericht der Behörde. Unter anderem berichtet darüber die „Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK)“. Mit 19 Prozent liege der Glasfaseranteil beim Festnetz in Deutschland wesentlich niedriger als im EU-Durchschnitt (56 Prozent). „Es ist wichtig, dass Deutschland Hindernisse beseitigt und Investitionen in Hochleistungsnetzwerke verstärkt“, heißt es im Bericht weiter. Deutschland müsse seine Anstrengungen beim Glasfaserausbau verstärken. Der Ausbau hierzulande sei von „sehr ernsten Verfehlungen“ gekennzeichnet.

Deutschland hinkt tatsächlich in Sachen schnelles und stabiles Internet im europäischen Vergleich hoffnungslos hinterher. Länder wie beispielsweise Spanien und Schweden sind da sehr viel weiter. Der Anteil der Haushalte, die einen Glasfaseranschluss bekommen könnten, wenn sie diesen bestellen würden, liegt in Spanien bei 87,4 Prozent und in Schweden bei 84,5 Prozent. Beide Länder sind damit Spitzenreiter in Europa. In Deutschland liegt der Prozentsatz allerdings nur bei 23,6 Prozent, hinter Dänemark (78,2 Prozent), Frankreich (76,7 Prozent) und Italien (55,5 Prozent).

Das sind bittere Zahlen und zeigen, wie abgeschlagen Deutschland inzwischen in Sachen Infrastruktur ist. Es ist leider eine bittere Realität, dass Menschen in Deutschland bei Besuchen im Ausland nicht selten neidisch auf die dortige Infrastruktur schauen – sei es beim Internet, beim Mobilfunk oder bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Koalitionsvertrag der Ampel kann man lesen, dass SPD, Grüne und FDP „den digitalen Aufbruch in Deutschland“ erreichen möchten. Meint es die Bundesregierung damit ehrlich, dann muss jetzt dringend etwas passieren. Der digitale Aufbruch in Deutschland wird sonst ein Rohrkrepierer.



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