Festnahme am Flughafen: Deutsche Staatsgeheimnisse an Russland weitergegeben

Neben einem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wurde jetzt auch ein weiterer Tatverdächtiger im Fall der mutmaßlichen Weitergabe von Staatsgeheimnissen an einen russischen Nachrichtendienst festgenommen.
Titelbild
An der Berliner Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND).Foto: John Mac Dougall/AFP via Getty Images
Von 23. Februar 2023


Beamte des Bundeskriminalamts haben am 22. Januar 2023 den deutschen Staatsangehörigen Arthur E. bei seiner Einreise aus den USA am Flughafen München festgenommen. Er wird als Mittäter des Landesverrats „dringend“ verdächtigt. Dabei soll es um die Weitergabe von Informationen des Bundesnachrichtendienstes an einen russischen Nachrichtendienst gehen.

Rechtsgrundlage für die Festnahme bildete ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2023.

Arthur E. ist laut Bundesstaatsanwaltschaft mit dem am 21. Dezember 2022 festgenommenen Carsten L. bekannt. Dieser übermittelte im Jahr 2022 Informationen, die er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit beim Bundesnachrichtendienst erlangt hatte, an einen russischen Nachrichtendienst. Die Aufgabe von Arthur E. war demnach, die Informationen nach Russland zu bringen und sie dort dem Nachrichtendienst zu übergeben.

Arthur E. soll – anders als Carsten L. – kein Beschäftigter des Bundesnachrichtendienstes sein. Bei den Informationen, die Carsten L. über Arthur E. an einen russischen Nachrichtendienst weitergeleitet haben soll, soll es sich um ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB handeln.

Die Ermittlungen zu diesem Fall wurden laut Bundesstaatsanwaltschaft in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst und mit Unterstützung des US-amerikanischen Federal Bureau of Investigation (FBI) geführt.

Geheimdienstlicher Super-Gau

Carsten L. befindet sich seit dem 22. Dezember in Untersuchungshaft. Sein Fall gilt laut „Focus“ in nachrichtendienstlichen Kreisen als geheimdienstlicher Super-Gau. Gearbeitet haben soll er laut dem Nachrichtenmedium in einer leitenden Funktion in der Fachabteilung „Technische Aufklärung“.

Sie gilt als Herzstück der Informationsgewinnung. Die hier gewonnenen Informationen stehen allen auswertenden Abteilungen zur Verfügung. Experten aus den Bereichen der Nachrichtentechnik, Softwareentwicklung und Datenanalyse nutzen dort modernste nachrichtendienstliche Technologien. Sie analysieren die gesammelten Informationen und bereiteten sie zur Weitergabe an die Bundesregierung, die Bundeswehr und einzelne Ministerien oder Fachausschüsse auf.

Zudem sei er autorisiert gewesen, sensible Erkenntnisse befreundeter Nachrichtendienste einzusehen und für seine Auswerte- und Lageberichte zu nutzen, berichtete der „Focus“.

Laut dem Newsportal hat Präsident Bruno Kahl am Tag nach der Verhaftung ausgewählte Medien zu einem Hintergrund-Gespräch eingeladen und bat dringlich um Zurückhaltung bei journalistischen Recherchen.

Er sorgte sich laut dem Nachrichtenmagazin darum, dass jedes veröffentlichte Detail letztlich den Kreml darüber informiere, inwieweit die Ermittler den mutmaßlichen Verrat im BND aufgeklärt hätten.

Fokussierung auf Kampf gegen Rechtsextremismus?

Nicht nur beim Bundesnachrichtendienst, sondern anscheinend auch bei den Partner-Geheimdiensten fragt man sich, wie es zu dem jetzigen Fall kommen konnte.

Der „Focus“ stellt in den Raum, dass eine neue dienstliche Order aus der Behördenspitze im Bundesamt für Verfassungsschutz damit zusammenhängen könnte. Sie soll besagt haben, dass nicht weiterhin ausländische verdächtige Spione enttarnt, sondern in erster Linie Neonazis und Reichsbürger aufgespürt und beobachtet werden sollen.

Diese „operative Kursänderung“ soll die Spionageabwehr geschwächt und im Januar 2022 – vier Wochen vor der Invasion russischer Truppen in die Ukraine – stattgefunden haben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte mehrfach durch eigene Aussagen verdeutlicht, wie wichtig ihr die Bekämpfung von Rechtsextremismus ist.

Dem „Focus“ gegenüber bestreitet das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass es eine „Kursänderung“ in der Spionageabwehr gegeben habe. Auch habe es keine „dienstliche Order aus der Behördenspitze“ oder eine entsprechende Aussage der zuständigen Abteilungsleitung gegeben.



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