Gasumlage vehement in der Kritik – Ampel zum Handeln aufgefordert

Die Ampel-Koalition steckt in der Bredouille. Ab Oktober sollen Gaskunden wegen der staatlichen Gasumlage draufzahlen. Einen „finanziellen Ausgleich“ könnten aber auch Firmen bekommen, die Gewinne machen.
Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel führt an den Leitungen des Gasspeichers der Stadtwerke Messungen durch.
Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel führt an den Leitungen des Gasspeichers der Stadtwerke Messungen durch.Foto: Axel Heimken/dpa
Epoch Times26. August 2022


Milliarden für Unternehmen, die nicht in Not sind? Angesichts der scharfen Kritik an der Gasumlage hat sich Bundesfinanzminister Christian Lindner im Ansatz offen für mögliche Nachbesserungen gezeigt. „Eine Maßnahme der Solidarität kann nicht dazu dienen, dass einzelne Unternehmen ihre Rendite pflegen und Gewinne darauf machen.“ Das sagte der FDP-Chef in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Er kenne die Fakten nicht, die kenne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) viel besser. „Aber wenn es eine Notwendigkeit gibt, etwas zu verändern, um dieses Instrument zielgenauer zu machen, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, dann scheuen wir uns nicht vor Korrekturen.“

Noch hält die Bundesregierung jedoch an der Umlage fest, die ab Herbst für deutliche Preissteigerungen bei den Gaskunden sorgt. Mit der Umlage sollen durch die Drosselung russischer Gaslieferungen stark erhöhte Beschaffungskosten von Großimporteuren wie Uniper ausgeglichen werden. Damit sollen diese vor der Pleite und das deutsche Energiesystem vor dem Kollaps bewahrt werden. Alle Gaskunden sollen dafür zusätzlich 2,419 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, Privathaushalte ebenso wie Firmen. Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

Umfassende Kritik an Gasumlage

Zur Umlage gibt es aber breite Kritik – weil von ihr auch Firmen profitieren könnten, denen es wirtschaftlich gut geht. Ausgleichsansprüche haben nach Angaben von Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, zwölf Unternehmen angemeldet. 34 Milliarden Euro fallen laut Wirtschaftsministerium für die Gasumlage an. Mehr als 90 Prozent davon sollen nach dpa-Informationen an Uniper und die bisherige Gazprom Germania gehen. Uniper ist der größte Importeur russischen Gases, die Bundesregierung hatte wegen dessen finanziell angespannter Lage ein milliardenschweres Rettungspaket beschlossen.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Ich kann den Ärger verstehen. Es geht aber nur ein kleiner Teil der Umlage an Unternehmen, die das nicht wirklich benötigen, um eine Insolvenz abzuwenden. Ich bin mir sicher, dass mit künftigen Gesetzesnovellen für mehr Transparenz gesorgt werden kann. Aber ich glaube, die Umlage ist zielgenauer als ihr Ruf, auch wenn das so bisher nicht offen nachvollziehbar ist.“

Erste Konzerne verzichten bereits auf Gasumlage

RWE und Shell hatten bereits erklärt, Verluste selber tragen zu wollen. Diesem Beispiel könnten nun auch andere folgen. Ein Sprecher des österreichischen Energiekonzerns OMV sagte, die deutsche Tochter habe Ausgleichsansprüche als Gasimporteur im Sinne des Gesetzes bekannt gegeben. „Ob und in welcher Höhe Ansprüche bestehen und ob diese in Anspruch genommen werden, hängt von weiteren Prüfungen und Entscheidungen ab.“

OMV hat im ersten Halbjahr Milliardengewinne gemacht. Einen Überschuss erzielten etwa auch der Schweizer Energiehändler Axpo und der deutsche Energiekonzern EnBW, dessen Tochter VNG einen finanziellen Ausgleich durch die Umlage will.

Antragsberechtigt für den Kostenausgleich sind laut Wirtschaftsministerium Importeure von russischem Erdgas nach Deutschland. Sie müssten von einem Ausfall von Gasimportverträgen und entsprechenden Mengen unmittelbar betroffen sein. Die Verträge müssten eine direkte physische Lieferung in das deutsche Gasmarktgebiet vorsehen.

Habeck fordert Verzicht weiterer Firmen

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nach dem Verzicht von RWE auch anderen Unternehmen dazu geraten. „Es wäre auch vernünftig, wenn Unternehmen, die gute Gewinne machen, das tun“, sagte der Grünen-Politiker in Gelsenkirchen am Rande einer Werksbesichtigung.

Wegen der Rechtsgleichheit sehe das Gesetz vor, dass alle Unternehmen ihren russischen Gasanspruch geltend machen könnten. „Wir sehen aber natürlich auch, wie viel Trittbrettfahrer es jetzt gibt.“ Die Menge sei nicht besonders groß. „Aber wir prüfen noch einmal, ob man außer der Anfrage „Ist das nun wirklich nötig?“ nicht auch nochmal eine Regelung findet, die es diesen Unternehmen schwerer macht.“

Namen von Unternehmen nannte Habeck nicht. Auf die Frage, ob es bereits Hinweise von Unternehmen gebe zu verzichten, sagte Habeck: „Es gibt Gespräche mit einigen Unternehmen.“

Grünen-Chefin: Übergewinnsteuer sollte kommen

Die rechtliche Lage ist das eine – die politische Bewertung eine andere. „Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlagern wollen“, sagte die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang in Berlin.

Zugleich aber sei es rechtlich ziemlich schwierig, die Datenlage nur auf einzelne Unternehmen, die systemrelevant oder insolvenzbedroht seien, zu beschränken. Daher brauche es nun politische Lösungen, sagte Lang. Sie bekräftigte ihre Forderung nach einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne. Das aber dürfte mit dem Koalitionspartner FDP nicht zu machen sein.

Forderung zu Nachbesserungen und offene Fragen

Die FDP wiederum forderte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Nachbesserungen auf. „Als Freie Demokraten setzen wir uns dafür ein, dass mit der Gasumlage ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse.

Auch die SPD sieht offene Fragen. „Die SPD Fraktion wird darauf drängen, dass nur Anträge auf finanzielle Entlastung von den Unternehmen erfolgreich sein können, die durch die aktuelle Preisentwicklung in ihrer Existenz bedroht sind“, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch. „Das muss sichergestellt sein.“ Nicht umsonst habe der Bundestag im Energiesicherungsgesetz ein zweimonatiges Interventionsrecht des Parlaments verankert. „Zugleich ergeben sich Fragen, inwieweit wir alternative Wege der Entlastung für diese Unternehmen gehen können – jenseits einer Umlage, wie durch den Einsatz von Steuergeldern.“

CDU: Es ist eine „Chaosumlage“

Diesen Weg über Steuergelder wollte die Bundesregierung aber bisher auch unter Verweis auf knapper werden Haushaltsmittel nicht gehen. Und einen anderen Weg dürfte die Ampel mit ihrer Mehrheit im Bundestag verhindern: Die CDU will die Gasumlage im Bundestag kippen. „Diese Gasumlage gehört abgeschafft“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Die Unionsfraktion werde in der nächsten Bundestagswoche beantragen, sie zurückzunehmen. Dies könne der Bundestag nach dem Energiesicherungsgesetz beschließen.

Aus Sicht der CDU-Politikerin Julia Klöckner muss die Gasumlage noch einmal geprüft und korrigiert werden. „Das ist keine seriöse und verlässliche Energie- und Wirtschaftspolitik“, sagte die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin dem Nachrichtenportal Watson. „Minister Habeck ist in der Pflicht, die Ausgestaltung der Gasumlage noch einmal sorgfältig zu prüfen und notwendige Korrekturen vorzunehmen.“ Die Gasumlage sei in ihrer jetzigen Form eine „Chaosumlage“, die einen Kollaps auf dem Gasmarkt verhindern soll – aber nicht Unternehmen stützen, die keine Hilfe bräuchten. Was es nun brauche, sei ein Gesamtkonzept für Entlastungen statt einer „Scheindebatte“ um Übergewinne und deren Besteuerung. Klöckner sagte: „Scheinbar wurde das Instrument mit heißer Nadel gestrickt.“ (dpa/dts/mf)



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