Gaucks Rat an die CDU für „mehr Toleranz in Richtung rechts“ sorgt für hitzige Debatte

Wo verläuft die Grenze zwischen Konservativen und Rechten? Ex-Bundespräsident Gauck hat da seine eigene Vorstellung. Maaßen schließt Zusammenarbeit mit AfD nicht aus, liberale Union will "totalitäre Ränder" weiterhin bekämpfen und auch von SPD, Linken und Grünen hagelt es massiv an Kritik.
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Ex-Bundespräsident Joachim Gauck wirbt für mehr "Toleranz in Richtung rechts".Foto: Joachim Gauck/dpa
Epoch Times17. Juni 2019

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck wirbt auch mit Blick auf die Ausrichtung der CDU für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“.

Toleranz fordere, „nicht jeden, der schwer konservativ ist, für eine Gefahr für die Demokratie zu halten und aus dem demokratischen Spiel am liebsten hinauszudrängen“, sagte Gauck dem „Spiegel“. „Wir müssen zwischen rechts – im Sinne von konservativ – und rechtsextremistisch oder rechtsradikal unterscheiden.“

Damit sprach Gauck ein Thema an, das auch die Unionsparteien aktuell umtreibt. Zwar werden Flügelkämpfe in CDU und CSU meist nicht so öffentlich und offensiv ausgetragen wie etwa in der SPD. Allerdings lag die Union in bundesweiten Umfragen auch noch nie hinter den Grünen. Dadurch steigt der Druck im Kessel.

Gauck vertrat die Ansicht, die CDU müsse für einen bestimmten Typus des Konservativen wieder zur politischen Heimat werden.

Das gelte für Menschen, für die Sicherheit und gesellschaftliche Konformität wichtiger seien als Freiheit, Offenheit und Pluralität. Früher seien diese Menschen in der CDU und CSU von Alfred Dregger und Franz Josef Strauß beheimatet gewesen. „Doch seitdem die CDU sozialdemokratischer wurde, sind die heimatlos geworden.“

Gauck warnte: „Wir verlieren uns selbst, wenn wir so tun, als wäre es zu gefährlich, in großer Offenheit Probleme zu debattieren, weil das Volk sofort wieder umkippen könnte und eine Diktatur wählen würde“.

Problematisch sei es, dass die Wahl eines AfD-Abgeordneten zum Vizepräsidenten des Bundestages bisher blockiert worden sei. Natürlich habe jeder Abgeordnete das Recht, zu wählen, wen er wolle. „Aber ich frage mich, ob es politisch nützlich ist, jeden Kandidaten der AfD abzulehnen.“

Maaßen schließt Zusammenarbeit mit AfD nicht aus

Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen – Mitglied der CDU und der konservativen Werte-Union, einer konservativen Gruppierung innerhalb von CDU und CSU – schließt eine Zusammenarbeit von CDU und AfD in den ostdeutschen Bundesländern indes nicht aus:

„Ich glaube, in der jetzigen Situation werden wir es auch ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt, aber man weiß nie.“

Die Werte-Union sprach sich zudem für eine klare Abgrenzung nach links aus. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte vergangene Woche in einem gemeinsamen Interview mit Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) seine „klare Ablehnung eines Rechtsschwenks der Union“ betont.

Mit Blick auf die Linkspartei hatte er gesagt: „Die Zeit der Ausgrenzung ist vorbei.“ Die AfD hatte Günther als „Bedrohung für Deutschland“ bezeichnet.

Kritik von Grüne, Linke und SPD

Von Grünen, Linken und der SPD hagelte es nach Maaßens Äußerung Protest. „Wenn Konservative mit Rechtsradikalen paktieren, wird es für Deutschland gefährlich“, sagte SPD-Bundesvize Ralf Stegner dem „Handelsblatt“.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch riet, Maaßens „Provokationen“ zu ignorieren. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz schrieb bei Twitter, Maaßen sei „offenkundig von #AllenGutenGeistern verlassen“.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben), die AfD des Thüringer Landeschefs Björn Höcke sei eindeutig jenseits des Tolerierbaren.

Die Grenze der Toleranz sei erreicht, wenn eine Partei oder Teile von ihr „den Grundkonsens unseres Zusammenlebens aufkündigen“, etwa mit der Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals als Zeichen der Schade, und indem sie Minderheiten ihre demokratischen Rechte streitig mache, sagte Ramelow. „Das ist in Thüringen bei der AfD von Herrn Höcke eindeutig der Fall.“

AfD: Die letzten Konservativen begehren auf

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel erklärte dagegen:

„Die Beiträge von Joachim Gauck und Hans-Georg Maaßen hätten es verdient gehabt, eine breitere Debatte auszulösen.“

Die distanzierenden Reaktionen aus der CDU zeigten aber, dass in dieser Partei keine Diskussion über eine konservativere Politik möglich sei. Weidel sagte:

„Die Schnittmengen der AfD mit der „Daniel-Günther-CDU“ sind in der Tat sehr klein und das ist auch gut so.“

AfD-Parteichef Jörg Meuthen kommentierte Maaßens Äußerungen bei Facebook mit den Worten:

„Die letzten Konservativen in der Union begehren auf“.

Zemiak erteilt AfD Absage

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erteilte Kooperationen von CDU und AfD bei Twitter eine klare Absage.

„Wir in der CDU unterscheiden zwischen konservativ & reaktionär, wir unterscheiden zwischen berechtigten Anliegen der Bürger und nationalistischer Propaganda.“

„Deswegen wird die CDU mit der AfD (und der Linkspartei) nie kooperieren. Wir sind die bürgerliche Kraft!“

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion im Bundestag, Uwe Schummer, betonte:

„Mein Problem mit der AfD liegt nicht darin, dass sie „schwer konservativ“ ist – sie ist im Kern völkisch-nationalistisch.“

Der CDU-Politiker gehört der liberalen „Union der Mitte“ an. Er erklärte, die CDU müsse Probleme lösen und „die Kräfte der demokratischen Mitte stärken“. Das sei der beste Weg, um „die totalitären Ränder“ zu bekämpfen.

Maaßen sagte in dem Interview weiter, bei Veranstaltungen im Osten hätten ihm Menschen gesagt, sie hätten den Eindruck, heute nicht mehr das sagen zu können, „was wir noch vor 20 Jahren sagen konnten“.

Er selbst sei zwar nicht dieser Ansicht. Man müsse Menschen, die solche Positionen verträten, aber ernst nehmen anstatt sie zu verteufeln.

Unionsfraktions-Vize Carsten Linnemann sagte:

„Die Union muss aktiv auch sensible Themen angehen, wie etwa die Bekämpfung des politischen Islam.“

Wenn sie dies versäume, „werden die Ränder das Thema besetzen und zwar radikal“.

(dpa/afp/nh)



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