Grundschullehrerin schlägt Alarm: „Mir blutet jeden Tag das Herz, wenn ich diese schwachsinnigen Maßnahmen durchsetzen muss“

Eine Grundschullehrerin rüttelt derzeit Eltern und Lehrer wach. "Nina" macht auf die derzeitigen Missstände in ihrer Schule aufmerksam. Seit einigen Jahren sei sie als Grundschullehrerin tätig. Nun unterrichte sie kleine Gruppen im Präsenzunterricht. Ihre Schüler sind sechs und sieben Jahre alt.
Von 21. Mai 2020

„Mir blutet jeden Tag das Herz, wenn ich diese schwachsinnigen Maßnahmen durchsetzen muss“, beschreibt die Lehrerin die aktuelle Situation in der Schule in einem offenen Brief. Nach ihrer Wahrnehmung hätten sich die Kinder „bereits sehr verändert“. Sie seien „viel schüchterner“ geworden, würden nicht mehr so viel erzählen und seien „motorisch gehemmter“. Wenn der Mindestabstand nicht eingehalten wird, würden sich die Kinder gegenseitig zurechtweisen.

„Es ist so traurig und belastend, das mitanzusehen!“, kritisiert Nina. „Ich habe schon mehrfach daran gedacht, den Job nun hinzuschmeißen“, nur traue sie sich das aus finanziellen Gründen noch nicht.

Einem Nachbarn sei jetzt aufgefallen, dass sie „contra Corona“ eingestellt sei und entsprechende Beiträge in ihrem WhatsApp-Status poste. Er habe sie bereits darauf hingewiesen, dass sie damit als Beamtin wohl ihre „Treue zum Dienstherrn“ verletze.

Vertrauen und Zuversicht

„Ich versuche, den Kindern möglichst viel von dem mitzugeben, was mir gerade wichtig und nötig erscheint und erschaffe jeden Tag in den überschaubaren Möglichkeiten einen Rahmen von möglichst viel Vertrauen und Zuversicht“, sagt Nina. Sie ermögliche Gespräche und Reflexion und zeige Verständnis für die „im Grunde nicht zu bewältigende Herausforderung, vor der diese kleinen Menschen jeden Tag gestellt werden.“

Um die Situation zu verändern, hat sich Nina bereits an ein Lehrerforum gewandt. Sie fragte an, welchen Weg sie gehen könne. Sie hatte dabei den Gedanken, sich gegebenenfalls an höhere Stelle zu wenden und dort beispielsweise „einzufordern, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Wodarg & Co.“ geprüft und die Maßnahmen modifiziert oder aufgehoben werden.

Das Fazit: „Mein Beitrag in diesem Forum wurde als unverschämt bezeichnet“ und innerhalb von 2 Stunden geschlossen. Auch bei ihrer Schulleiterin stoße sie mit ihrem Begehren nicht gerade auf offene Türen. Nina kritisiert, dass „diese verflixten Dienstvorschriften und einzuhaltenden Dienstwege“ einem die Hände binden würden.

Da sie bei Kollegen und Vorgesetzten nicht weiterkommt, fragt sie sich ernsthaft, ob es keine Eltern gibt, welche die von der Regierung verhängten Maßnahmen hinterfragen. Es müsse doch irgendwo Eltern geben, „die NICHT wollen, dass ihre Kinder das alles so erleben müssen, die NICHT wollen, dass die Regierung auf ihren Nachwuchs auf diese so einschneidende Weise zugreift“ – oder irrt sie sich? Gerne würde sie auch in Zusammenarbeit mit anderen Lehrern initiativ werden – aber sie weiß nicht, wo sie die finden kann. „In meinem Kollegium (und in Lehrerforen) jedenfalls nicht.“

Verbände fordern Schulöffnung

Wochenlang waren in ganz Deutschland Schulen und Kitas wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Seit Ende April wurde der Schulbetrieb stufenweise wieder aufgenommen. Schüler werden abwechselnd in der Schule und zu Hause unterrichtet und in kleinere Gruppen eingeteilt, um die Abstandsregeln einzuhalten. Der Deutsche Lehrerverband hatte die Prognose abgegeben, dass dies womöglich noch bis weit ins nächste Schuljahr so weitergehen könnte.

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 19. Mai fordern die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland: „Kitas, Kindergärten und Grundschulen sollen möglichst zeitnah wiedereröffnet werden“ – und zwar ohne massive Einschränkungen. Es müssten keine kleinen Gruppen gebildet werden. Dabei bräuchten die Kinder weder Abstand zu wahren, noch Masken zu tragen. Für Lehr- und Betreuungspersonal werde dies hingegen empfohlen.

„Entscheidender als die individuelle Gruppengröße ist die Frage der nachhaltigen Konstanz der jeweiligen Gruppe und Vermeidung von Durchmischungen“, heißt es in dem Papier. Soll heißen: Es könnte durchaus eine komplette Klasse unterrichtet werden, solange man etwa in den Pausen darauf achtet, dass sich die Schüler dann nicht mit anderen Klassen treffen.

Zu der umstrittenen Frage, wie ansteckend Kinder seien, schreiben die Autoren: „Zahlreiche Erkenntnisse sprechen gegen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko durch Kinder.“ Verschiedene Untersuchungen und Auswertungen „ergeben ein zunehmend schlüssiges Bild, dass Kinder in der aktuellen Covid-19-Pandemie im Gegensatz zur Rolle bei der Influenza-Übertragung keine herausragende Rolle in der Ausbreitungsdynamik spielen.“

Die Krise als Chance nutzen

„Wir halten die Schule für den Ort, an dem Kindern alles beigebracht wird, was sie später für ein gelingendes Leben brauchen und schreiben ihr damit immense Bedeutung zu. Dabei vermittelt Schule in ihrer jetzigen Form keine der Fertigkeiten, derer es in der veränderten Welt von morgen bedarf“, erklärt der Hirnforscher und Professor für Neurobiologie Gerald Hüther.

Gerade jetzt in der Corona-Krise gebe es eine Unmenge Kinder, die nach Jahren erstmals entdecken würden, dass es Spaß machen kann, wenn sie sich allein auf die Suche nach einer Lösung begeben. Mit seinem Entdeckergeist könne ein Kind beispielsweise sein Interesse an einem Vogel, der vor dem Fenster sitzt, erkennen und anfangen zu recherchieren, was es noch für Vögel gibt – und zwar ganz selbstständig.

Insoweit könnten die Corona-Schulschließungen nach Hüthers Ansicht das „Segensreichste“ sein, das diesen Kindern während ihrer ganzen Schulzeit jemals passieren könne.

Im Gegensatz dazu könnte der neue Schulalltag vielen Kindern, die sich auf ihre Freunde in der Schule freuten, einen Dämpfer verpasst haben. Auch wenn es nicht auf allen Pausenhöfen so aussieht, machen einige Fotos viele Twitter-User betroffen und regen zum Nachdenken an:

Situation auf einem Schulhof. Foto: Screenshot Twitter

(mit dpa-Anteilen)



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