„Volksverhetzung“: Corona-Maßnahmenkritiker Borrmann erneut vor Gericht

Heute sollte die Verhandlung zu einem 8.100 Euro teuren Strafbefehl gegen den ehemaligen Berliner Berufsschullehrer Rüdiger Borrmann wegen „Volksverhetzung“ stattfinden. Er hatte die Corona-Maßnahmen scharf kritisiert. Doch kurzfristig kam es anders als gedacht.
Titelbild
Der Rechtsanwalt Tobias Gall (l.) und sein Mandant, der Berliner Berufsschullehrer Rüdiger Borrmann (r.).Foto: Epoch Times
Von 7. September 2023

Der durch Medienberichte und Gerichtsverhandlungen bekannt gewordene ehemalige Berliner Berufsschullehrer Rüdiger Borrmann (62) stand heute wieder vor Gericht. Allerdings dieses Mal nicht als Kläger in einem Arbeitsgerichtsverfahren, sondern jetzt als Angeklagter in einem Strafverfahren vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten.

Ausschlaggebend dafür war eine Anzeige seines alten Arbeitgebers, der Berliner Schulverwaltung, 2021 wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Art. 130 Absatz 3 „Volksverhetzung“. Das Amtsgericht erließ daraufhin einen Strafbefehl gegen Borrmann über 8.100 Euro. Hiergegen erhob er Einspruch, weshalb der heutige Gerichtstermin zustande kam. Doch zu einer Verhandlung kam es nicht, da es technische Probleme am Gericht gab, denn ein Video um den es ging konnte von einem USB-Stick nicht gelesen werden.

Doch warum geht es überhaupt in dem Strafverfahren? Kern der Anzeige ist der Inhalt zweier selbst erstellter Videos, die der langjährige Medienlehrer im Sommer 2021 privat in den Sozialen Netzwerken veröffentlichte.

Söder: „Impfen ist der Weg zur Freiheit“

In ihnen äußerte sich der Berliner kritisch zur Corona-Politik. So kritisierte er in dem einen Video, das aus vier Teilen besteht und im Juli 2021 entstand, eine Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Wiedererlangung geschützter Grundfreiheiten nach einer Corona-Impfung. Diese setzte er in Bezug zu Äußerungen deutscher Nationalsozialisten.

Konkret wurde zunächst ein Standbild eingeblendet. Es zeigt eine Fotomontage eines KZ-Eingangstores, wo es statt „Arbeit macht frei“ – „Impfung macht frei“ heißt und zudem ein Fragezeichen darüber geblendet ist. Danach wird ein Tweet des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vom 13. Juli 2021 eingeblendet, mit seiner Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.

Anschließend wird ein Ausschnitt aus dem Film „Network“ (1976) gezeigt. Als Letztes kommt der österreichische Rechtsanwalt Michael Brunner mit einer verfassungsrechtlichen Einschätzung zu den Grundrechtseingriffen durch die staatlichen Corona-Maßnahmen zu Wort.

„Damalige Corona-Maßnahmen größter Völkermord aller Zeiten“

In dem anderen Video bezeichnet er die damaligen Corona-Maßnahmen als „den größten Völkermord aller Zeiten, der gerade stattfindet“. Für ihn wäre es „Faschismus“ gegen den er kämpfe und seine Stimme erhebe, erklärt er dort. Er liebe die Zielvorgaben des Grundgesetzes „unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Die fordere er ein. Gleichzeitig fordere er, dass alle ihren „Mund aufmachen und was sagen“.

Weiter heißt es dort: Er sehe die Einordnung von kritischen Stimmen als „rechts“, als ein Ablenkungs- und Spaltungsmanöver, damit man nicht gegen die Verbrecher, die da oben sitzen würden, [gemeinsam] vorgehe.

„Diese Regierung, die diese Corona-Maßnahmen beschlossen hat, sind [sic] historisch gesehen die [sic] größten Verbrecher aller Zeiten.“ Wenn man die Millionen an Opfern zusammenrechne, die nicht nur die Maßnahmen mit sich gebracht hätten, die Millionen von Verhungernden in den Drittweltländern, die, die in den Städten nach Hause geschickt wurden, die nichts mehr zu essen haben […], prangerte er damals an.

„Berliner Staatsanwaltschaft handelt reflexartig“

Für seinen Verteidiger Rechtsanwalt Tobias Gall ist der Fall klar. Beide Videos würden sich aus Sicht seines Mandanten damit auseinandersetzen, wie skandalös das Regierungshandeln bei den Corona-Maßnahmen gewesen sei, so der Jurist gegenüber Epoch Times. Aber auch, was für Opfer es gab und inwiefern es Vergleichsmomente zu Verbrechen oder politischen Handlungsweisen oder auch Sprachverwendungen im Dritten Reich gab, wäre in den Videos Thema gewesen.

Solche Vergleiche würden von den Berliner Staatsanwaltschaften „reflexartig und völlig unangemessen“ als Verharmlosung oder Bagatellisierung der Völkerrechtsverbrechen des Nationalsozialismus gesehen, befindet der Jurist. „Also, in dem Moment, wo man sagt, das ist ja fast schon so wie damals im Dritten Reich, bedeutet dies nach Ansicht der Staatsanwaltschaft, das ist damals gar nicht so schlimm gewesen.“

„Es ist natürlich genau andersherum gemeint.“ Wenn Verbrechen des Nationalsozialismus, in Verbindung gesetzt würden mit Vergehen oder politischen Handlungen von heute, dann instrumentalisiere man die Schrecklichkeit der Verbrechen des Nationalsozialismus. „Gerade, weil die Verbrechen so schlimm waren, werfe ich euch vor, dass ihr fast schon so ähnlich handelt“, versteht Gall die Botschaft seines Mandanten.

In dem anderen Video, so Gall weiter, würde die Sprache des bayerischen Ministerpräsidenten, der in seinen Augen Auschwitz-Parolen [„Impfen ist der Weg zur Freiheit“] in die Sprache aufnahm oder anklingen lässt, kritisiert. „Das ist skandalös, weil er damit nicht berücksichtigte, dass er damit Sprache des Nationalsozialismus gewissermaßen instrumentalisierte.“

Die Verbrechen des Nationalsozialismus seien das ultimative Verbrechen der Moderne überhaupt, keine Frage. „Wir verharmlosen da nichts. Aber für die Staatsanwaltschaften ist Vergleichen gleich verharmlosen“, so Gall, der als AfD-Politiker, bereits für die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf und als Direktkandidat für das Abgeordnetenhaus kandidierte.

War der öffentliche Friede gefährdet?

Er berichtet weiter, dass das höchste Berliner Gericht kürzlich „sehr klar und deutlich“ in einem Fall durchdekliniert habe, was „Volksverhetzung“ bedeute. Laut dem Gericht müsse bei einer Volksverhetzung eine ‚Gefahrgeneigtheit‘ von der betreffenden Aussage ausgehen. Also es muss ein erhöhtes Risiko bestehen, dass Schäden an Rechtsgütern verursacht werden.

„Das heißt, der öffentliche Friede muss wirklich gefährdet sein, weil zum Beispiel Unruhen auf der Straße durch die Aussage entstehen könnten oder Menschen direkt aufgerufen werden, gewalttätig zu sein und beispielsweise Molotowcocktails zu werfen oder Politiker anzugreifen. Erst dann kann die Aussage als Volksverhetzung eingestuft werden“, so der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt.

Ganz unabhängig vom Inhalt der Videos ist für ihn ohnehin eine Strafbarkeit im Fall Borrmann undenkbar. Denn die Videos wären einfach nicht erfolgreich genug auf YouTube gelaufen, so der Anwalt. „Damit war der öffentliche Frieden garantiert, auch nicht nur ansatzweise gefährdet.“

„Ich habe immer was zu meckern“

Borrmann äußerte gegenüber Epoch Times, dass er nie die Absicht gehabt habe, was Strafbares zu tun. „Ich bin eine ganz normale oppositionelle Stimme aus dem Volk. Ich stelle das infrage, was die Regierung tut. Das habe ich mein Leben lang gemacht, egal, wer an der Regierung war.“ Er habe immer was zu meckern und so auch in diesen Fällen. So sollte das Gericht das auch einfach sehen, erklärt der Lehrer.

Er hätte damals Dinge aufgegriffen, die ohnehin in den sozialen Netzwerken umhergingen und habe daran angeknüpft. „Das macht man so, wenn man Dinge thematisiert, dass man Dinge nimmt, die sowieso schon diskutiert werden, damit es auch für andere interessant wird.“ Und die Überspitzung sei einfach bloß ein Stilmittel gewesen, wie es in der Medienarbeit üblich sei.

Im anderen Video habe er sich gegenüber den Medien gerechtfertigt, die damals „wieder“ über ihn gehetzt hätten, dass er ein Rechtsextremist sei. „Das hat mir mein Leben lang noch nie jemand vorgeworfen.“ Damals käme der Journalist Olaf Sundermeyer (er erstellte einen Bericht über Borrmann für den öffentlich-rechtlichen Sender RBB), klebe ihm ein Etikett auf und schon wäre er Rechtsextremist.

„Völliger Unsinn. Das ist eine von Medien gezielt eingesetzte psychologische Komponente der politischen Kriegsführung, die da mitschwingt. Dies kann ich nicht akzeptieren“, so der Medienpädagoge. Er sieht in dem, was ihm widerfahren sei, eine „bösartige politische Verfolgung.“

72.000 Euro Abfindung

Sowohl Gall als auch Borrman gingen davon aus, dass nach dem erfolgreichen Prozess gegen die Berliner Schulverwaltung am Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg wegen der Kündigung Borrmanns aufgrund seiner Videos auch das jetzige Strafverfahren gleich mit eingestellt würde.

Denn dort, am 15. Juni, wurden seine mehr als drei Kündigungen, die Borrmann vom Land Berlin für seine „Kritik an den Corona-Maßnahmen“ ausgesprochen bekommen hatte, für unwirksam erklärt. Zudem musste das Land die Abmahnung vom 13. Januar 2021 einschließlich der Vorwürfe gegen Borrmann ersatzlos aus seiner Personalakte entfernen.

Das Gericht löste das Arbeitsverhältnis jedoch zum 31. März 2022 auf, weil der Richter offenbar keine Basis mehr für eine gute Zusammenarbeit zwischen Schulverwaltung und Borrmann sah. Gleichzeitig sprach das Gericht dem seit 2008 beschäftigten Lehrer eine Abfindung von 72.000 Euro zu und legte dem Land die gesamten Prozesskosten auf.

Die Deutung des Lehrers, mit seinem Beitrag eine scharfe Kritik an der Corona-Politik äußern zu wollen, habe nicht zwingend ausgeschlossen werden können, hieß es zur Begründung. Eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung konnte das Gericht nicht eindeutig feststellen.

Der Verhandlungsbeginn zu dem Strafverfahren zum 8.100 Euro teuren Strafbefehl des Amtsgerichts wird nun voraussichtlich auf den 19. Oktober festgesetzt. Es ist zu hoffen, dass eine Verhandlung dann nicht erneut an technischen Problemen scheitert.



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