Montgomery: „Es war eine Tyrannei, dabei bleibe ich“

Der Vorsitzende der Ratsversammlung des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, fiel in der Corona-Krise mit umstrittenen Aussagen auf. Im Interview mit der „Welt“ zeigt er sich überzeugt, dass er damit Schwung in die Impfkampagne gebracht hat.
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.
Der Vorsitzende der Ratsversammlung des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery.Foto: Guido Kirchner/dpa
Von 18. Dezember 2022

Der Vorsitzende der Ratsversammlung des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery (70), war in der Coronakrise ein in den Medien omnipräsenter Befürworter von Impfpflicht, Kontaktbeschränkungen und Lockdowns.

Wie blickt der deutsche Radiologe und ehemalige Präsident der Bundesärztekammer nun im ersten weitgehend maßnahmenfreien Corona-Winter auf seine umstrittenen Aussagen und die bisherigen Coronamaßnahmen zurück? Die „Welt“ führte dazu ein Interview mit dem Ärztepräsidenten.

Doch zunächst ein kurzer Rückblick auf seine umstrittensten Aussagen: „Wir alle bereiten uns auf eine Triage vor“, erklärte er im November 2021. Nach seinen Aussagen versuchten die Ärzte damals alles, um diese „letzte entsetzliche Entscheidung abzuwenden“. „Aber angesichts der steigenden Infektionszahlen müssen sich die Kliniken vorbereiten“.

„So infektiös wie Delta – so gefährlich wie Ebola“

Im Dezember 2021 warnte er dann vor der Entstehung gefährlicher Varianten des Coronavirus: „Meine große Sorge ist, dass es zu einer Variante kommen könnte, die so infektiös ist wie Delta und so gefährlich wie Ebola.“

Später relativierte er seine Aussage mit der Begründung, es sei wahnsinnig schwer, Fakten an Menschen heranzutragen, „die gegenüber Wissenschaft und Autoritäten feindlich eingestellt sind“.

Zudem erklärt er, dass er überhaupt nicht den Anspruch erhebe, dass seine Aussage etwas mit Wissenschaft zu tun hat.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (R) unterhält sich 2016 mit Frank Ulrich Montgomery (L). Damals war er Vorsitzender der deutschen Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Foto: Tobias Schwarz/AFP über Getty Images

Gegenüber der „Rheinischen Post“ erklärte er dann im Februar: „Mir scheint der Antrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf zwei Jahre befristet der Vernünftigste zu sein.“

Doch am legendärsten ist Montgomerys Aussage bei Anne Will am 8. November 2021. Hier sprach er von einer „Tyrannei der Ungeimpften“, die über das Zweidrittel der Geimpften bestimmen würden „und uns diese ganzen Maßnahmen aufzwingen“.

Es wurden Fehler gemacht

Wie denkt er heute über seine Aussagen? Wie bewertet er jetzt die Corona-Maßnahmen von damals?

Im Interview mit der „Welt“ erklärte er jetzt, dass Jens Spahn einmal gesagt habe: „Wir werden uns viel vergeben müssen“. Das sei so. Man könne nicht fehlerfrei durch so eine neue Sache hindurchgehen. Deswegen sei der ein oder andere Fehler gemacht worden.

„Unter dem Strich sind wir in Deutschland aber gut davongekommen.“ Dass Ungeimpfte auch mal keine Bratwurst kaufen konnten, habe jenen ja nicht gleich das Leben gekostet.

Aus der damaligen Sicht seien die Entscheidungen richtig gewesen. „Heute würde man sie sicher nicht noch einmal so treffen – aber hinterher ist man immer klüger“, so der Ärztepräsident zur „Welt“.

„Es war eine Tyrannei, dabei bleibe ich“

Ob es ihm leidtue, dass er damals von einer Tyrannei der Ungeimpften gesprochen hat?

„Nein, es tut mir gar nicht leid.“ Er glaube, dass es unheimlich viel bewirkt habe. Es habe einfach klargemacht, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung dem Rest der Bevölkerung dadurch, dass sie sich der Impfung verweigerten, Masken und Kontaktbeschränkungen aufgezwungen habe.

„Hätten wir damals mit einer Impfpflicht erreicht, alle Menschen zu impfen, wären wir sehr viel schneller über den Berg gewesen.“

Es war eine Tyrannei, dabei bleibe ich. Es war eine Bevormundung der Mehrheit durch eine Minderheit.“

Mit der durch ihn ausgelösten Debatte habe man erreicht, „dass eine ganze Menge mehr Schwung in die Impfkampagne“ gekommen sei, so Montgomery im „Welt“-Interview.

Durch diese Debatte habe man zudem erreicht, dass die Impfpflicht im medizinischen Bereich eingeführt worden sei. „Das war ein großer Erfolg.“ Da seien Leute geimpft worden, die sich nicht anders hätten überzeugen lassen, ist sich Montgomery sicher. Er stehe nach wie vor zur Impfpflicht. „Wir haben da sehr viele Tote und sehr viele Krankheiten verhindert.“

Ihm sei schleierhaft, wie jemand, der in der wissenschaftlichen Medizin arbeitet, ob als Arzt oder Krankenpfleger, sich einer Impfung verweigern könne.

„Das Ziel war eine bewusste Provokation“

Im Januar sprach Montgomery in einem FAZ-Interview von „kleinen Richterlein“, die Corona-Maßnahmen zurücknehmen. Die Richter hoben damals in Niedersachsen 2G im Einzelhandel auf.

Es könne doch nicht sein, dass bei einer bundesweiten Problematik, Richter in den Bundesländern geltende Gesetze und Verordnungen unter Verweis auf den Föderalismus ändern würden, meinte er damals.

Im Interview mit der „Welt“ erklärte er nun dazu: Er habe das inzwischen mit den Richtern selbst diskutiert. Sein Ziel sei eine bewusste Provokation gewesen.

Es könne nicht sein, dass ein Verwaltungsrichter ohne wissenschaftliche Evidenz entscheide, gleich die ganze Regel landesweit aufzuheben, nur weil es eine Ungleichbehandlung zwischen Baumärkten und Woolworth gebe.

Ich glaube, ich habe mit dazu beigetragen, dass Verwaltungsrichter sich danach sehr gut überlegt haben, was sie da in Zukunft machen.“

„Die richtigen Entscheidungen getroffen“

Auf den Einwand des Redakteurs, dass 2G doch nicht Wissenschaft, sondern schlicht Politik gewesen sei, erklärt er im „Welt“-Interview: In der Stellungnahme des Ethikrats auf der letzten Seite sei „eine wunderbare Grafik“, die sehr deutlich gezeigt habe, dass 2G eine Zeit lang richtig gewesen sei. „In späteren Wellen nicht mehr, anfangs aber eben schon.“

Ja, man habe auch Fehler gemacht – „aber insgesamt wurden die richtigen Entscheidungen getroffen.“ Ein Fehler, so gesteht Montgomery ein, sei gewesen: Man habe mit Sicherheit „wahnsinnig viele völlig überflüssige Tests gemacht“, weil man sie „völlig symptomfrei“ gemacht habe.

Und relativiert dann: „Wir haben durch das viele Testen immerhin auch herausgefunden, dass wir über die Zeit mit der Impfung und auch mit der zunehmenden Immunisierung, die ja nicht nur durch Impfung erfolgt ist, sondern auch durch Infektion, eine Verbesserung der Situation eingetreten ist.“

„Setze nachher beim Einkaufen wieder eine Maske auf“

Afrika sei ohne großen Fokus auf Corona durch die Pandemie gegangen, wollte der Interviewer dann von dem Ärztepräsidenten wissen? Warum?

Die afrikanische Gesellschaft sei „viel, viel jünger“, die Leute würden da „nicht so leicht“ an Corona sterben. Zudem gebe es eine völlig andere Statistik. Er glaube, dass dort sehr viel mehr Menschen gestorben seien, als registriert worden sind.

Er denkt, dass man momentan in Deutschland auf der „absolut glücklichen Seite“ sei. Aber Vorsorge sei weiterhin nötig, und er werde später beim Einkaufen wieder eine Maske aufsetzen. Man werde zu einer Normalität zurückkommen, in der viele Menschen freiwillig Maske tragen würden.

Aber ganz ehrlich: dieses Getue mit der Anormalität …“

„Mit Maske, da sind wir uns beide ja vielleicht einig, ist man mit Sicherheit besser geschützt als ohne“, so Montgomery abschließend.



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