Nach Bluttat von Hanau: Linke Twitter-Kampagne gegen Hans-Georg Maaßen
Die Bluttat von Hanau hat in Politik, traditionellen und sozialen Medien Betroffenheit, Anteilnahme, in vielen Fällen jedoch auch wüste Schuldzuweisungen und Verdächtigungen ausgelöst. Einer der davon Betroffenen war auch der langjährige frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.
Am Mittwoch (19.2.) tötete in der hessischen Stadt Hanau Tobias R., ein zuvor sozial isoliert lebender 43-Jähriger mit fremdenfeindlichem und von ausgeprägten Wahnvorstellungen geprägtem Weltbild, neun Menschen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 21 und 44 Jahren. Bisher gehen Ermittler davon aus, dass er im Anschluss an die Tat auch seine eigene 72-jährige Mutter und dann sich selbst getötet hat.
Tags darauf teilte die Integrationsstaatssekretärin von Nordrhein-Westfalen, Serap Güler, auf Twitter einen Tweet von Maaßen mit dem Kommentar: „Der Tweet zu #Hanau, der nur eins denken lässt: Gott sei Dank ist er nicht mehr Chef des Verfassungsschutzes. Unfassbar.“
Tweet bezog sich nicht auf Hanau, sondern auf „Hufeisentheorie“
„Volle Zustimmung“ zu ihrem Kommentar kam vom früheren Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf. Auch einige weitere Nutzer verbreiteten Screenshots des Maaßen-Tweets, in dem es hieß:
Sozialistische Logik: Täter sind immer rechts, Opfer immer links. Man braucht sich nicht mehr mit Stalin, Mao, Pol Pot, Ulbricht… auseinanderzusetzen, weil sie Nazis waren. Der Haken daran ist: nach dieser Denke sind sie selbst rechts. Antifa=Nazis.“
Der Tweet wurde dabei als vermeintliche vorschnelle Reaktion oder Relativierung des Verbrechens von Hanau dargestellt. Allerdings hatte Maaßen dieses Statement in einem völlig anderen Zusammenhang veröffentlicht.
Maaßens Äußerung war als Antwort auf zuvor ebenfalls auf Twitter gepostete Beiträge des freien Journalisten Tilo Jung gemünzt, der unter anderem davon gesprochen hatte, dass nicht „Linksextremisten“, sondern „Marktradikale“ die „Demokratie gefährden“ würden. In weiterer Folge hatte er sogar in Abrede gestellt, dass bekannte Kommunistenführer wie Stalin, Mao oder Pol Pot „Linke“ gewesen wären, weil „Repression“ per definitionem nicht „links“ sein könne.
Maaßen verweist auf Erfolge gegen Rechtsextremismus in seiner Amtszeit
Während Maaßen seinen Tweet in weiterer Folge löschte, weil dieser „von einschlägigen Twitter-Nutzern falsch ausgelegt und interpretiert wurde“ und „um auch nur ansatzweise eine Verbindung zwischen Verbrechen und Tweet zu unterbinden“ ließ Güler ihre Darstellung bis dato stehen.
Maaßen wies in weiteren Tweets auf die Erfolge im Kampf gegen tatsächlichen Rechtsextremismus in seiner Amtszeit als Verfassungsschutzpräsident hin. So habe er eine eigenständige Abteilung REX aufgebaut, die sich dieser Problematik gewidmet habe, und gegen linke Widerstände eine Aufstockung der Anzahl an Planstellen durchgesetzt.
Die „Weiße Wölfe Terrorcrew“ sei in seiner Amtszeit verboten worden, ebenso die Terrorzelle der „Old School Society“, das neonazistische Portal „Altermedia“ konnte zerschlagen werden und die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes ermöglichten ein NPD-Verbotsverfahren, das zumindest inhaltlich hinreichende Erfolgsaussichten gehabt hätte – hätte das Bundesverfassungsgericht nicht die faktische Bedeutungslosigkeit der Partei als Verbotshindernis gewertet.
Vor der Gefahr, die von Personen wie Tobias R. ausgeht, warnte Maaßen bereits im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2017. Darin hieß es: „Auch schwerste Straftaten von radikalisierten Einzeltätern, die keiner Organisation zugehörig sind, bleiben ein teils schwer zu kalkulierendes Risiko und bilden ein hohes Gefährdungsmoment im Rechtsextremismus.“
„Gesellschaft muss sich um die jungen Männer kümmern“
Allein im Jahr 2019 ereigneten sich weltweit mehrere Massaker von zuvor nicht auffällig gewordenen Einzeltätern, die Verschwörungstheorien und ein rassistisches Weltbild verinnerlicht hatten, Depopulation befürworteten und sich in sozialer Isolation am eigenen Computer in ihre wahnhaften Vorstellungen hineinsteigerten, bis sie zur Tat schritten.
In diese Kategorie fielen unter anderem die Anschläge von Christchurch, das Massaker von El Paso und der versuchte Angriff auf die Synagoge von Halle, der zwar scheiterte, aber den Tod vom Täter ursprünglich nicht ins Visier genommener Zufallsopfer mit sich brachte. Ein weiterer Einzeltäter in Dayton ermordete neun Menschen. Dieser hatte sich zuvor in sozialen Medien als Satanist und Anhänger des Linksextremismus zu erkennen gegeben. In vielen Fällen wuchsen die späteren Täter vaterlos auf.
Hans-Georg Maaßen hatte im Vorjahr unter dem Eindruck der Anschläge zudem vor einer Verrohung in der Sprache und im Umgang gewarnt und erklärt, dass man den mentalen Haushalt auch nach außen hin unauffälliger junger Männer besser im Auge behalten sollte:
Die Gesellschaft muss sich um die Menschen, vor allem um die jungen Männer kümmern, die sich rechtsextremistisch radikalisieren bis hin zu einem solchen Vorfall wie in Halle.“
Zugleich warnte Maaßen jedoch gerade im Hinblick auf die neuartige Gefahr zu Hause radikalisierter Einzeltäter vor überzogenen Erfolgserwartungen. Der Rechtsextremismus sei ein Problem der gesamten Gesellschaft und nicht allein der Verfassungsschutzbehörden, die nur der „Brandmelder“ seien.
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