Nach Messerattacke: Flächendeckende Videoüberwachung in Zügen gefordert
Nach der Messerattacke in Brokstedt sprechen sich der Fahrgastverband „Pro Bahn“ und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer für mehr Sicherheitsmaßnahmen in den Zügen aus.
„Wir fordern einen flächendeckenden Ausbau der Videoüberwachung in allen Waggons“, sagt Karl-Peter Naumann von „Pro Bahn“. Das könne Kriminalität in den Zügen womöglich nicht immer verhindern. „Es hilft aber in jedem Fall, die Täter zu fassen. Und das ist insbesondere für die Opfer von hoher Bedeutung.“
Vergangenen Mittwoch waren in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg nach einer Messerattacke zwei Menschen gestorben, fünf wurden schwer verletzt.
Messerattacke im Zug ohne Videotechnik
Laut Dennis Fiedel, Pressesprecher der landeseigenen Verkehrsgesellschaft Nah.SH, verfügen alle neueren Regionalzüge, die seit 2015 im Einsatz sind, über Videotechnik. Das berichteten die „Kieler Nachrichten“ am Samstag. Doch der RE 70, in dem sich die Messerattacke abspielte, war ein Ersatzzug ohne Videoaufzeichnung.
Verantwortliche beraten nun, welche Schlussfolgerungen aus dem Angriff gezogen werden sollen und welche Konsequenzen das für die Bahner hat. Beteiligt sind unter anderem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und die Verkehrsgesellschaft Nah.SH. „Wir fordern schon seit Langem mehr Sicherheitsmaßnahmen in den Zügen“, so der Bezirksvorsitzende Hartmut Petersen von Nah.SH.
Im Jahr 2022 hat die Bundespolizei in Zügen und auf Bahnhöfen insgesamt 398.848 Straftaten registriert, das sind zwölf Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Bahnhöfe dürfen keine „Angsträume“ werden
Die Gewerkschaft der Polizei kritisierte zudem die ihrer Meinung nach mangelnde Sicherheit an Deutschlands Bahnhöfen. Es gebe zu wenig Sicherheitskräfte und fehlende Technik, sagte GdP-Vizechef Andreas Roßkopf. Der Zugangriff bei Brokstedt sei „eine schreckliche Tat, die morgen leider wieder so passieren kann“.
„Die Bundespolizei ist an den Bahnhöfen zu schwach aufgestellt. Es fehlt an 3000 Stellen“, erklärt Roßkopf. Zudem fehlten Sicherheitskräfte bei der Bahn. Zwar komme die Bahn ihrer Verpflichtung, für Sicherheit zu sorgen, durch die DB Sicherheit nach. „Aber hier muss ebenfalls aufgestockt werden“, forderte der Gewerkschafter, der für die Bundespolizei zuständig ist. „Und es muss eine gemeinsame Sicherheitsstrategie her.“
Roßkopf forderte eine bessere Überwachung von Bahnhöfen durch Kameras und angemessene Beleuchtung, um Gefahrenpunkte rechtzeitig zu erkennen. „Dann kann man schon im Vorfeld Kräfte hinschicken.“ Bahnhöfe dürften nicht „zu Angsträumen“ werden, sagte er.
War Hamburger Justiz überfordert?
Der Angriff erfolgte in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg. Wegen zweifachen Mordes und versuchten Totschlags in vier Fällen wurde gegen Ibrahim A. Haftbefehl erlassen. Erst wenige Tage vor der Bluttat im Regionalzug war der 33 Jahre alte staatenlose Palästinenser in Hamburg aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Der Umgang der Behörden mit dem mutmaßlichen Täter rückt Tage nach der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt verstärkt in den Blickpunkt.
So wirft der Resozialisierungsexperte Bernd Maelicke der Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) im „Hamburger Abendblatt“ vor, das 2019 beschlossene Hamburger Gesetz zu Resozialisierung und Opferschutz ignoriert zu haben.
Das Gesetz soll verhindern, dass Ex-Häftlinge in ein „Entlassungsloch fallen“, wenn sich die Gefängnistore öffnen. Gallina kenne es offensichtlich nicht, jedenfalls könne es nicht angewendet worden sein, sagte der Jurist Maelicke, der Initiator mehrerer Landesresozialisierungsgesetze ist, der Zeitung. „Sie trägt als Senatorin die Verantwortung“.
Verfahren gegen Ibrahim A. läuft seit 2021
Erste Antworten zu dem Fall hatte die Senatorin Gallina für kommenden Donnerstag im Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft angekündigt. Zudem soll der Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags in Düsseldorf ebenfalls im Laufe der Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Wie die NZZ berichtet, hätte das Sozialministerium von Schleswig-Holstein gegenüber der Zeitung mitgeteilt, dass bereits seit November 2021 ein Verfahren gegen Ibrahim A. laufen würde. Damit wollte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Schutzstatus entziehen. Dies könne erfolgen, wenn schwere Straftaten begangen werden und Wiederholungsgefahr besteht.
Dieses Verfahren sei aber bislang nicht abgeschlossen und solange könne der Betroffene auch nicht ausgeschafft werden. Und das vor dem Hintergrund, dass Ibrahim A. bereits im Januar 2022 wegen einer Messerstecherei vor einer Obdachlosenunterkunft in Hamburg verurteilt worden war. Aufgrund von Drogeneinflüssen und weiteren Gründen sei das Urteil jedoch abgemildert worden, heißt es laut NZZ in dem Urteilsschreiben. (afp/il)
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