Per Volksabstimmung in den Sozialismus? Berliner Initiative will private Wohnungsgesellschaften enteignen

Auf dem Berliner Wohnungsmarkt klafft eine tiefe Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Politische Interventionen und Fehleinschätzungen verschärfen die Lage. Eine Initiative in Berlin sieht die Schuld an steigenden Mieten dennoch allein bei der privaten Immobilienwirtschaft.
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In Berlin werden Wohnungen durch die steigende Einwohnerzahl knapper.Foto: Sebastian Kahnert/Archiv/dpa
Von 24. Januar 2019

Während in Venezuela hunderttausende Menschen auf die Straßen gehen, um für ein Ende der sozialistischen Diktatur zu demonstrieren, hat in Berlin eine Initiative damit begonnen, Unterschriften zu sammeln für ein Vorhaben, wie es auch die Zeit des Chavismus geprägt hatte: Die Gruppe „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ möchte eine Volksabstimmung über die Frage erreichen, ob die fünf größten privaten Anbieter von Mietwohnungen in Berlin enteignet werden sollen.

In einem Interview mit der „Welt“ bezeichnet der Mitgründer der Initiative, Rouzbeh Taheri, die Forderung als vom Grundgesetz gedeckt, das in Artikel 15 die Überführung von Eigentum an Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln zum Zwecke der Vergesellschaftung – gegen Entschädigung – vorsieht. Seit der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist noch nie ein Gesetz ergangen, das sich auf diese Grundlage gestützt hätte.

Taheri war vor 15 Jahren aus der SED-Nachfolgepartei PDS, aus der später „Die Linke“ wurde, ausgetreten, weil diese als Regierungspartei in Berlin städtische Wohnungen verkauft hatte – in der Erkenntnis, dass eine weitere Bewirtschaftung durch die öffentliche Hand Kosten nach sich ziehen würde, die auf Dauer in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden.

Auch der „Welt“-Interviewer möchte wissen, was sich seither an der Ausgangssituation so gravierend geändert habe, dass dieser Effekt nicht mehr zu befürchten wäre. Er weist darauf hin, dass der heutige Marktwert der Wohnungen, die von der Deutschen Wohnen zurückgekauft werden müssten, das Acht- oder Zehnfache des damaligen Verkaufspreises betragen dürfte.

Bis zu 14 Milliarden Euro für keine zusätzliche Wohnung

Hier will Taheri eine Entschädigung zum bloßen Nominalpreis anstreben, jedenfalls aber unter dem Marktwert, weil es „doch verrückt“ wäre, „wenn wir Marktpreise bezahlen müssten, die durch Spekulation zustande gekommen sind“.

Er geht davon aus, dass die 200 000 Einheiten, um die es ihm gehe, um einen Preis zwischen acht und 14 Milliarden zurück in die öffentliche Hand geholt werden könnten, wobei 80 Prozent davon durch Fremdkapital und der Rest durch zurückgelegte Mittel aus dem Berliner Infrastrukturfonds aufgebracht werden sollen. Der Kredit solle durch die Mieteinnahmen abgedeckt werden können. Womit die Kosten für Instandhaltung und Modernisierung bestritten werden sollen, spricht Taheri nicht an.

Auf den Einwand, dass ein solches Vorgehen Ausgaben der öffentlichen Hand in Milliardenhöhe nach sich ziehen würde, ohne dass der Gesamtwohnungsbestand in der Stadt auch nur um eine einzige Wohnung anwachsen würde, meint Taheri:

„Wir sind natürlich für bezahlbaren Wohnungsneubau. Man muss aber beide Seiten betrachten. Wenn man den Bestand nicht schützt, kann man gar nicht so viel neu bauen, wie aus dem Bestand vertrieben werden. Die Deutsche Wohnen hat das Ziel, jährlich mindestens fünf Prozent der Mieterhaushalte auszutauschen. Das wären allein hier 5000 Mieter, die jedes Jahr zusätzlich mit bezahlbaren Neubauwohnungen versorgt werden müssten. Das ist nicht zu schaffen. Man muss beides machen – den Bestand schützen und bezahlbaren Wohnraum neu schaffen.“

Nicht Profitgier, sondern Überregulierung entscheidend?

Der Initiator der Initiative nennt als Grund für die drastisch gestiegenen Mieten in der Hauptstadt die Geschäftsstrategie der privaten Wohnungsunternehmen, die darauf basiere, „über viele Jahre die Mieten hochzutreiben – um die Renditeversprechen an ihre Aktionäre zu erfüllen und die Kredite zurückzahlen zu können, die sie für diese total überteuerten Wohnungen aufgenommen haben“.

Gefragt nach Erfahrungsberichten von Mietern spricht er jedoch an, dass Faktoren wie die energetische Modernisierung es sind, die sich in erheblichem Maße auf die Miethöhe auswirken. Diese sind jedoch weniger auf die vermeintliche Profitgier der Wohnungsunternehmen zurückzuführen als auf staatliche Vorgaben zur Wohnraumbewirtschaftung. Und deren existieren gerade in Berlin nicht wenige.

Gleichzeitig steigt die Bevölkerungszahl deutlich an, die Planwirtschaft im Energiebereich steigert die Nebenkosten und der ideologische Krieg gegen den Individualverkehr macht auch das Pendeln zwischen Stadt und Umland für viele in Berlin Beschäftigte unattraktiv – zumal Arbeiten im Home Office in vielen Branchen noch keine Option darstellt. 

Zusammen mit steigenden Baukosten, die ebenfalls mit Überregulierung in Zusammenhang stehen, hat dies zur Folge, dass der Neubau von Wohnungen durch private Bauträger unattraktiver wird, stagniert und mit der Entwicklung der Nachfrage nicht schritthalten kann, meint Immobilienmakler Peter Guthmann.

Preisgünstiger Bau steigert private Investitionsbereitschaft

Er fordert eine rasche Änderung der Flächennutzungspläne, um Bauland nutzbar zu machen, und Fördermaßnahmen für den privaten Wohnungsbau. Auf seinem Blog schreibt Guthmann:

„Denn die Rendite für die Investoren ist umso höher, je preisgünstiger gebaut werden kann. Viele bereits genehmigte Bauprojekte liegen derzeit in Schubladen, ohne realisiert zu werden. Das ist Wohnraum, der dem Wohnungsmarkt schnell zur Verfügung stehen könnte. Bei sinkenden Renditen durch steigende Kosten und Regulierung müssen Investoren indes auf weiter steigender Quadratmeterpreise in Berlin hoffen oder auf großzügigere Sonderabschreibungen (Sonder-AfA) als Anreiz.“

Taheri hingegen ist fest überzeugt, Probleme, die nach Einschätzung von Praktikern durch viel Staat entstanden sind, durch noch mehr Staat lösen zu können. Am 6. April will er mit der Unterschriftensammlung starten und zeigt sich zuversichtlich, „dass wir die notwendigen 20 000 erreichen und auch die 170 000 Unterschriften, die für einen Volksentscheid notwendig sind“. Mit einem Erfolg der Initiative rechnet er „deutlich vor 2021“.



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