Pflegebevollmächtigter warnt: „Es darf nicht passieren, dass Menschen entmündigt werden“

Der Pflegebevollmächtigte warnt vor Isolation in Pflegeheimen, Baden-Württemberg zieht die Regeln an und Krankschreibungen gibt es ab Montag wieder per Telefon. Trotz hoher Anzahl positiv getesteter Bürger befinden sich aktuell nur 770 als COVID-19-Fälle eingestufte Patienten in intensivmedizinischer Betreuung in ganz Deutschland.
Titelbild
Eine Altenpflegerin mit einer Bewohnerin.Foto: Christophe Gateau/dpa
Epoch Times19. Oktober 2020

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, warnt mit Blick auf die stark steigende Anzahl an positiv Getesteten vor einer „Isolation um jeden Preis“ in Pflegeheimen.

„Der Erhalt der Selbstbestimmung ist dringend notwendig. Es darf nicht passieren, dass Menschen entmündigt werden“, sagte Westerfellhaus der Funke Mediengruppe. „Es gab im Frühjahr auch Bewohnerinnen und Bewohner, die gesagt haben, ich will keinen sehen, ich habe Angst. Das gilt es genauso zu respektieren wie den Wunsch derjenigen, die sagen, die Kontakte zu meinen Angehörigen sind mir sehr wichtig.“

Eine Garantie, dass Bewohner mit ihrer Familie Weihnachten feiern könnten, könne er nicht geben, „das wäre Kaffeesatz-Leserei“. Er unterstütze alles, was dazu beitrage, dass alle mit ihrer Familie Weihnachten feiern könnten, sagte Westerfellhaus. „Und ich glaube, dass wir das mit einem Besuchermanagement auch gewährleisten können. Das heißt natürlich aber auch genau nicht, dass alle am Heiligabend um 17 Uhr kommen können.“

Insgesamt 770 Intensivpatienten mit COVID-19-Diagnose in Deutschland

Die Gesundheitsämter in Deutschland haben nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Montagmorgen 4.325 neue positiv getestete Menschen binnen 24 Stunden gemeldet. Der Wert ist vergleichsweise niedrig, auch weil am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten übermitteln. Wie viele der Menschen tatsächlich erkrankt sind, ist nicht bekannt.

Ein Blick in das DIVI-Intensivbettenregister zeigt, dass in Deutschland insgesamt 770 als COVID-19-Fälle eingestufte Patienten intensivmedizinisch betreut werden, 354 davon werden invasiv beatmet.

Auszug aus DIVI-Intensivbettenregister vom 19.10.20. Foto: Screenshot

Im Vergleich mit den übrigen intensivmedizinisch betreuten Patienten ergibt sich laut DIVI folgende Übersicht, wobei die untere braune Linie die Anzahl der COVID-19-Intensivpatienten zeigt:

DIVI-Intensivbettenregister. Foto: Screenshot

Strengere Regeln in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg gelten ab Montag nochmals strengere Regeln, von denen sich die Regierung die Eindämmung des Coronavirus verspricht. Dazu gehören eine erweiterte Maskenpflicht sowie verschärfte Kontaktbeschränkungen – und zwar unabhängig davon, ob die jeweilige Stadt oder der Landkreis die Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche überschreitet oder nicht.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte die Bevölkerung vor einem erneuten Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens. Wenn die Einschränkungen der dritten Alarmstufe über sieben bis zehn Tage nicht wirkten, werde man die Maßnahmen verschärfen und etwa die Treffen im öffentlichen Raum drastisch einschränken, sagte der Grünen-Politiker. „Das muss jedem klar sein: Wenn das nicht geht, dann werden wir zum Schluss sehr viel härtere Maßnahmen ergreifen müssen, die dann auch tiefer ins Arbeitsleben eingreifen.“

Lindner fordert Berücksichtigung anderer Parameter

FDP-Chef Christian Lindner hat hingegen dazu aufgerufen, angesichts der aktuellen Corona-Situation nicht nur auf Infektionszahlen zu schauen. „Es wird nur geschaut auf die Zahl der Neuinfektionen“, sagte Lindner am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“. Es gebe Experten, die auch andere Parameter in Betracht zögen, wie die Situation in den Arztpraxen oder bei der stationären Versorgung im Krankenhaus. Zudem seien zur Zeit eher jüngere Menschen infiziert. „Es wäre Alarmstufe Rot, wenn jetzt Menschen in Alten- und Pflegeheimen zuerst betroffen wären.“ Das sei aktuell glücklicherweise nicht der Fall.

„Insofern rate ich zur Vorsicht, wir sollten aber auch nicht überdramatisieren. Ich kann nur sagen: Eine Ausgangssperre wäre völlig unverhältnismäßig“, sagte Lindner und ergänzte: „Im Übrigen halte ich es auch für unverhältnismäßig, wenn bei einer kleinen privaten Feier von zehn Leuten plötzlich die Polizei klingelt, weil Nachbarn sich plötzlich denunziatorisch betätigen.“

Ebenfalls im „Bericht aus Berlin“ riet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jungen Berufseinsteigern zu Flexibilität. „Wenn es junge Menschen gibt, die zum jetzigen Zeitpunkt ihren Traumberuf nicht ergreifen können, weil diese Branche am Boden liegt, dann sage ich einfach: Dann kann man auch vielleicht einmal schauen, ob es übergangsweise, wo Menschen gesucht werden, Chancen gibt – und dann nach einem Jahr wieder wechseln.“

Patienten mit Erkältungsbeschwerden können sich jetzt wieder bundesweit telefonisch eine Krankschreibung besorgen. Die Sonderregelung trat am Montag in Kraft und gilt vorerst bis zum Jahresende. Im Laufe des Tages soll zudem eine neue Version der deutschen Corona-Warn-App verfügbar sein, die das Programm erweitert. (dpa/sua)



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