Ralph Brinkhaus hält muslimischen CDU-Kanzler für möglich – „Bild“-Vize wirft ihm „Anbiederung“ vor

Im Interview mit dem Pressedienst idea fordert Unionsfraktionschef Brinkhaus eine stärkere Öffnung der Partei für Nichtchristen – und bessere politische Karrierechancen. Selbst ein muslimischer CDU-Kanzler wäre denkbar, wenn er Werte und Ansichten der Union teile.
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Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus fordert eine stärkere Öffnung der Union für Nichtchristen.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 6. März 2019

Mit einer Äußerung in seinem jüngsten Interview mit der evangelischen Nachrichtenagentur idea hat der Vorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Ralph Brinkhaus, gleichsam in ein Wespennest gestochen. „Wenn er ein guter Politiker ist und er unsere Werte und politischen Ansichten vertritt“, erklärte Brinkhaus im Gespräch auf Nachfrage, halte er auch einen Muslim als CDU-Kanzler im Jahr 2030 für denkbar.

Brinkhaus verweist darauf, dass die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland stetig abnehme. Deshalb sei es erforderlich, auch in der CDU Karrierechancen für Bürger zu ermöglichen, die keiner Kirche angehörten oder einen anderen als den christlichen Glauben hätten.

„In manchen Regionen gehört nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung einer Kirche an“, betont der Unionsfraktionschef. „Deshalb sind auch Muslime, die unsere Werte teilen – die Würde des Menschen, Eigenverantwortung, Solidarität – und zum Grundgesetz stehen, herzlich eingeladen in der CDU mitzumachen.“

Muslimische CDU-Politiker bereits jetzt in Parlamenten präsent

Allein im Vorjahr haben 660 000 Personen die beiden christlichen Volkskirchen verlassen. Insgesamt stellen Katholiken und Angehörige evangelischer Landeskirchen gemeinsam nur noch 58 Prozent der Bevölkerung. Im Osten Deutschlands beträgt der Anteil der Konfessionslosen in allen Bundesländern über 70 Prozent, in Sachsen-Anhalt sind es gar 84 Prozent.

Tatsächlich ist die CDU unter Einwanderern aus muslimischen Communitys in den letzten Jahren zunehmend zu einer politischen Option geworden. Untersuchungen hatten gezeigt, dass beispielsweise unter wahlberechtigten türkischen Einwanderern der traditionell starke Zuspruch zur SPD deutlich abgenommen hat. Demgegenüber hat die CDU vor allem unter Frauen mit türkisch-muslimischem Hintergrund an Stimmen gewonnen.

Bereits jetzt sitzen Söhne und Töchter türkischer Einwanderer für die CDU in überregionalen Parlamenten, etwa Dr. Oğuzhan Yazıcı und der früherer Grünen-Abgeordnete Turhal Özdal in der Bremischen Bürgerschaft. Zu überregionaler Prominenz haben es auch die CDU-Abgeordnete im Landtag von NRW, Serap Güler, oder die ehemalige Bundestagsabgeordnete Cemile Yiousouf gebracht. Güler fungiert mittlerweile sogar als Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW.

Liberale Kulturmuslime und Gülen-Anhänger als Zielpublikum

Während die SPD mit zunehmend geringerem Erfolg versucht hatte, den Spagat zwischen radikal säkularen türkischstämmigen Politiker wie Lale Akgün und oft radikal-islamischen Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu schaffen, sieht die CDU ihr Zielpublikum eher in anderen Teilen der Community.

Zu ihrem Kernpublikum gehören meist Muslime, die sich als eher liberal ausgerichtete Kulturmuslime definieren – wie beispielsweise Serap Güler – oder religiöse Muslime, die jedoch den politischen Islam und die Politik Erdoğans ablehnen. Dazu gehören beispielsweise Angehörige des Netzwerkes des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, von denen in den letzten Jahren mehrere der Partei beigetreten waren. Da diese im Bildungsbereich stark engagiert sind und vor allem als wirtschaftlich erfolgsorientiert gelten, sind sie auch für den Wirtschaftsflügel der Union interessant.

Für seine Aussagen über einen möglichen muslimischen CDU-Kanzler hat Brinkhaus in seiner Partei nicht nur Zustimmung erfahren. Veronika Bellmann, Abgeordnete der Partei aus Sachsen, hat bereits mehrfach ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass der islamische Glaube aus ihrer Sicht unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der CDU wäre. Säkulare, nichtpraktizierende Muslime nimmt sie dabei nicht aus: „Heute geben sie sich säkular und morgen doch wieder streng gläubig“, sagte Bellmann der Zeitung „Junge Freiheit“.

Böcking: „Christlicher Glaube als Altlast“

In Bremen hatte es erst im Vorjahr einen Skandal gegeben, als der in der CDU engagierte Erdoğan-Anhänger Mehmet Ünal einen Parteikollegen nach einem Streit um Blutwurst auf der Islamkonferenz beleidigt hatte. Nach internem Druck erklärte er seinen Austritt – zuvor waren antisemitische Äußerungen auf seinem Social-Media-Profil unbeanstandet geblieben.

Der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Daniel Böcking hat Brinkhaus in einem Kommentar „Anbiederung“ vorgeworfen. Böcking schreibt:

„Die simple Rechnung: Immer weniger Deutsche bekennen sich zum christlichen Glauben, also muss das C in der CDU auch immer unwichtiger werden. Es wird zur Altlast. Man will ja möglichst viele Wähler. Das ist aber nicht tolerant anderen Religionen gegenüber, sondern rückgratlos. Die gern zitierten christlichen Werte umfassen nicht nur Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Respekt vor Andersgläubigen, sondern auch die Treue zum eigenen Glauben.“

Selbstverständlich könne ein Moslem eines Tages Kanzler in Deutschland werden, wenn er oder sie die demokratische Mehrheit bekomme. „Kann ein Moslem 2030 CDU-Kanzler sein? Nur dann, wenn die CDU das C aus ihrem Namen streicht.“



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