„Rassismus“-Vorwürfe wecken in USA und Deutschland Forderungen nach „polizeifreier Zukunft“

Nicht nur in Minneapolis und mehreren US-Bundesstaaten, auch in Deutschland werden Vorwürfe des „systemischen Rassismus“ gegen die Polizei laut – verbunden mit Forderungen, sie grundlegend zu reformieren oder gar abzuschaffen. Zu möglichen Alternativen bleibt man vage.
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Was wird aus einem Staat ohne Polizei?Foto: iStock
Von 8. Juni 2020

Der Fall des während eines nunmehr von der Staatsanwaltschaft untersuchten, tödlichen Polizeieinsatzes gegen den Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis hat nicht nur in der Stadt selbst Debatten über eine tiefgreifende Polizeireform ausgelöst. Auch für den Berliner Senat bedeutete die Entwicklung in den USA Rückenwind, als er am Donnerstag der Vorwoche sein „Anti-Diskriminierungsgesetz“ erfolgreich durch das Abgeordnetenhaus brachte.

In Minneapolis, wo neun Mitglieder des Stadtrats – und damit eine Veto-sichere Mehrheit – den „Prozess zur Beendigung des Minneapolis Police Departments“ eingeleitet hat, will man die Polizei in ihrer derzeitigen Form komplett abschaffen.

Grüne Mihalic will mehr „interkulturelle Kompetenz“ in der Polizei

Am Sonntag hatten neun Mitglieder des Stadtrats, die zusammen eine Veto-sichere Mehrheit bilden, zusammen mit der Organisation „Black Visions“ im Rahmen eines Treffens im Powerhorn Park erklärt, sie seien entschlossen, den Polizeidienst in der Stadt „umzudefinieren“. Die „Star Tribune“ zitiert aus einem vorbereiteten Statement, das zur Verlesung kam, und in dem es unter anderem heißt:

„Wir räumen ein, dass wir nicht alle Antworten auf die Frage haben, wie eine polizeifreie Zukunft aussehen wird. […] Wir sind entschlossen, über das nächste Jahr hinweg in einen Dialog mit allen interessierten Gemeinschaftsmitgliedern in der Stadt Minneapolis einzutreten, um herauszufinden, was Sicherheit für Sie bedeutet.“

So weit will man in Deutschland noch nirgendwo gehen. Hier plädiert Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorerst nur für ein stärkeres „Sensibilisieren deutscher Polizisten für das Problem des Rassismus“ und mehr „interkulturelle Kompetenz“ in der Polizei. Dafür seien „noch mehr antirassistische Trainings“ erforderlich – auch hier zeigt sich Mihalic jedoch noch nicht in der Lage, inhaltlich konkreter zu werden.

Berlins neues Anti-Diskriminierungsgesetz, das die Handschrift des Senators für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dirk Behrend (Grüne), trägt, sieht nun vor, dass „niemand im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung und einer Reihe weiterer Merkmale diskriminiert werden darf“.

Beweislastumkehr in Berlin

Nun bedürfte es, um dies rechtlich abzusichern, keines eigenen Gesetzes, da diese Anordnung ohnehin dem Inhalt des Artikels 3 Grundgesetz und der dazu ergangenen, durch jahrzehntelange Bestätigung gefestigten Rechtsprechung deutscher Höchstgerichte entspricht. Das Grundgesetz und die Judikatur der Höchstgerichte bindet schließlich auch Hoheitsträger auf Landesebene in ihrer Dienstausübung.

Neu ist allerdings, dass künftig nicht mehr Personen, die sich durch eine polizeiliche Maßnahme aus unsachlichen Gründen, etwa infolge rassistischer oder diskriminierender Erwägungen, in ihren Rechten verletzt sehen, das Vorliegen einer solchen Diskriminierung beweisen müssen. Vielmehr müssen Beamte künftig beweisen, dass ihr Handeln nicht von solchen Erwägungen gekennzeichnet war – widrigenfalls Disziplinarmaßnahmen oder Strafen drohen.

Gehen beispielsweise Beamte wegen Gefahr im Verzug gegen arabische Clans oder afrikanische Drogendealer an entsprechenden Schwerpunkten vor, können diese künftig behaupten, aus rassistischen Motiven behelligt worden zu sein – und die Beamten stehen in der Pflicht, zu beweisen, dass der Einsatz sachlich gerechtfertigt und von diskriminierenden Erwägungen frei gewesen wäre.

Gegner der umfassenden Reformbemühungen werfen deren Betreibern vor, Einzelfälle zum Anlass für Generalverdächtigungen gegen Polizeibeamte zu stilisieren. Inwieweit rassistische oder extremistische Strukturen in der Polizei ein aus ideologischen Gründen konstruiertes oder ein reales Problem darstellen, ist höchst umstritten.

USA: Rassismus-Vorwürfe lassen sich nicht erhärten

Schon in den USA legen bislang veröffentlichte Untersuchungen den Schluss nahe, dass es sich beim „systemischen Rassismus“ innerhalb der Polizei eher um einen Mythos handele. Im „Wall Street Journal“ schrieb Heather Mac Donald vor wenigen Tagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Polizeibeamter durch einen männlichen Afroamerikaner getötet wird, 18,5 Mal höher ist als die eines tödlichen Vorgehens eines Polizeibeamten gegen einen unbewaffneten Afroamerikaner. Selbst wenn man bewaffnete Afroamerikaner hinzurechne, mache der Anteil durch die Polizei getöteter Afroamerikaner nur 0,1 Prozent aller unnatürlicher Todesfälle unter Afroamerikanern aus.

Einer Analyse des Philadelphia Police Departments aus dem Jahr 2015 zufolge sei die Wahrscheinlichkeit für einen unbewaffneten Afroamerikaner, von einem weißen Polizeibeamten durch Schusswaffeneinsatz getötet zu werden, geringer als im Fall von hispanischen oder afroamerikanischen Beamten.

Auch Befürworter weitreichender Polizeireformen in Deutschland wie Irene Mihalic können keine Studien präsentieren, die in der Lage wären, anhand konkreter Fallzahlen nachzuweisen, dass deutsche Polizeibeamte über Einzelfälle hinaus zu Rassismus, Diskriminierung oder Verfassungsfeindlichkeit neigten.

Sie macht dafür jedoch die Innenminister verantwortlich. Von diesen werde es „leider oft […] blockiert, solche Untersuchungen durchzuführen“. Diesbezüglich würde man sich „mehr Offenheit wünschen“.

NSU: Versagen der Polizei oder Ausdruck eines „systemischen Rassismus“?

Zu den gravierendsten Fällen, die in der Vergangenheit Vorwürfe eines systemischen Rassismus in Deutschlands Polizei ausgelöst hatten, gehörte jener der Terrorzelle des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU). Diese war 2011 aufgeflogen, nachdem deren mutmaßliche Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot in einem ausgebrannten Wohnwagen im thüringischen Eisenach aufgefunden worden waren und sich die 2018 in erster Instanz verurteilte mutmaßliche Mittäterin Beate Zschäpe selbst bei der Polizei stellte.

Die Polizei hatte das wegen anderer Delikte gesuchte Trio 1998 aus den Augen verloren. In der Zeit zwischen 2000 und 2007 verübte der NSU an unterschiedlichen Orten in Deutschland insgesamt zehn politisch motivierte Morde, denen acht türkische Einwanderer, ein Grieche und eine deutsche Polizeibeamtin zum Opfer fielen.

Viele Fragen rund um den NSU sind immer noch ungeklärt – etwa jene, wie weit Verfassungsschutzbehörden vom Bestehen der Gruppe zumindest Ahnungen gehabt haben mussten. Einige Personen der rechtsextremen Szene, die noch nach deren Abtauchen in den Untergrund Kontakt zu dem Trio gehabt haben sollen, sollen entweder Kontakt zu V-Leuten gehabt haben oder selbst welche gewesen sein. Einige mögliche Zeugen starben in den Jahren nach der Entdeckung des NSU.

Vor allem Einwandererorganisationen warfen jedoch insbesondere der deutschen Polizei vor, eine schnellere Aufklärung der Mordserie durch einseitige Ermittlungsansätze vereitelt zu haben. Man habe vor allem im Umfeld der Opfer selbst ermittelt oder Spuren verfolgt, die ins Milieu von Einwanderern oder Minderheiten führten. Der Möglichkeit, dass die Mordserie einen rassistischen Hintergrund haben könnte, habe man in grob fahrlässiger Weise nicht ins Auge gefasst – auch nicht, als ein FBI-Profiler, der als Berater hinzugezogen wurde, diese Möglichkeit angesprochen hätte. Die Mordserie folgte einem Muster, wie es beispielsweise ein 2002 verstorbener US-amerikanischer Neonazi in einem Buch dargestellt hatte.

Chatprotokolle als Anlass zur Schaffung neuer Institution

Die Ermittler folgten jedoch Einschätzungen, dass die Brutalität bei der Mordserie „atypisch für den deutschen Kulturkreis“ wäre – und fixierten ihre Bemühungen weiter ausschließlich auf Migrantenmilieus. Opferanwälte sind davon überzeugt, dass ein anderer Ermittlungsansatz schneller zu einer Enttarnung des Netzwerks geführt hätte.

In NRW werden derzeit, wie die „Welt“ berichtet, alle 50 Polizeibehörden in NRW künftig mit einem Extremismusbeauftragten ausgestattet, deren Ausbildung Anfang des Monats begonnen hatte. Anlass dafür waren Berichte aus allen Bundesländern über Fälle von Polizeibeamten, die in Chatgruppen durch extremistische oder rassistische Aussagen aufgefallen waren. In Hamm wird Thorsten W., einem Mitarbeiter der Polizeiverwaltung, die Unterstützung einer mutmaßlichen rechtsterroristischen Vereinigung zur Last gelegt.

Die Extremismusbeauftragten sollen künftig die Möglichkeit haben, die Verfassungstreue von Beamten zu überprüfen, wenn Kollegen ihnen zuvor Anhaltspunkte mitgeteilt haben, die Zweifel begründen. Sie sollen nun lernen, zwischen „rechten“ und „rechtsextremen“ Positionen von Kollegen zu unterscheiden.

Verdachtsfälle für Rechtsextremismus in Polizei NRW bei 0,03 Prozent

Auch hier ist es fraglich, inwieweit Einzelfälle wie jene in Hamm verallgemeinert werden können. Michael Frücht, der Direktor des Landesamts der Polizei für Ausbildung und Personalangelegenheiten (LAFP), sprach von 15 Ermittlungsverfahren im bisherigen Verlauf des Jahres 2020, die gegen Polizeibeamte im Land wegen des Verdachts rechtsextremer Äußerungen geführt würden. In den neun Jahren zuvor waren es demnach insgesamt zehn. Die relative Steigerung könne mit einem Anwachsen der Bereitschaft zusammenhängen, Wahrnehmungen zu melden.

Innenminister Herbert Reul bestätigte gegenüber der „Welt“, dass es bislang in diesem Jahr 15 Verdachtsfälle gäbe. Bei rund 50.000 Polizeibeschäftigten entspricht das etwa 0,03 Prozent.

Ob es nur bei Reformbemühungen bleiben soll oder gar, wie in Minnesota, Bestrebungen bestehen, die Polizei zu ersetzen: In jedem Fall liegt es an den Befürwortern solcher Schritte, darzulegen, was an die Stelle der Polizei treten soll, wie sie jetzt organisiert ist. Immerhin sind Polizeibehörden in ihrer jetzigen Form als staatliche Hoheitsträger an Gesetze und Verfassung gebunden.

In Minneapolis will man nun ein „neues, transformatives Modell schaffen, um Sicherheit in Minneapolis zu kultivieren“. Ein gemeinsames Konzept kann die neunköpfige Gruppe im Stadtrat bis dato noch nicht präsentieren. Es bleibt bislang bei einem Sammelsurium an Einzelmeinungen. Einige schlagen vor, Spezialisten für geistige Gesundheit oder Sozialarbeiter zu engagieren, um auf bestimmte Notfälle zu reagieren. Andere plädieren dafür, dass die betroffenen Communitys selbst Wege entwickeln, um die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten.

„Community-orientierter“ Ansatz: DDR-ABV, „Volxgerichte“, Scharia-Polizisten

„Wenn es um unsere Sicherheit ging, haben wir uns nie an die Polizei gewandt“, erklärte Kandace Montgomery, die Sprecherin von Black Visions. Die Gruppe sprach von einer „historischen“ Entscheidung und quittierte die Ankündigung im Powerhorn-Park mit stehenden Ovationen.

Bürgermeister Grey hatte in einem Interview am Sonntag erklärt, auch er unterstütze ein „neues, transformatives Modell“ für die Polizei. Das MPD werde aber weiterhin gebraucht: „Menschen werden weiterhin Dienste in vielfältiger Form von unseren öffentlichen Sicherheitsorganen nachfragen, etwa im Bereich der häuslichen Gewalt oder der Hilfeleistung unter besonders schlimmen Bedingungen.“

Tatsächlich laufen sowohl das Modell von Minneapolis als auch jenes von Berlin darauf hinaus, dass Angehörige bestimmter identitätspolitisch definierter Communitys das Recht haben sollen, nur von ihresgleichen auf die Einhaltung der Gesetze verpflichtet und für Verstöße sanktioniert zu werden. Denn in letzter Konsequenz könnte jeder Angehörige einer solchen Community nur dann darauf vertrauen, nicht „diskriminiert“ zu werden, wenn das Gesetz von Seinesgleichen behauptet würde.

Von der Nachbarschaftswacht und dem „Abschnittsbevollmächtigten“ (ABV) nach DDR-Vorbild über „Volxgerichte“ der „Antifa“, wie sie in illegaler Weise in den 1980er Jahren in der Hamburger Hafenstraße bestanden hatten, bis hin zu Scharia-Polizeien und Scharia-Gerichten könnte dieser „Community-orientierte“ Ansatz am Ende ganz unterschiedliche Ausformungen aufweisen.

Möglicherweise würde die Rechtspflege damit vom Territorialitätsprinzip, wonach Gesetze für alle auf einem bestimmten Territorium lebenden Personen gelten, zum Personalitätsprinzip zurückkehren, wie es das Lehenswesen in Mittelalter und Neuzeit oder das Millet-System des Osmanischen Reiches kannte.

Ob damit tatsächlich ein Zuwachs an Vertrauen in den Rechtsstaat verbunden wäre, bleibt dementsprechend offen.




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„Widerstand gegen Faschismus“ ist eigentlich eine linksradikale Gruppe, die vom Präsidenten der Revolutionären Kommunistischen Partei der USA gegründet wurde. Sie steckte hinter vielen großen Protestveranstaltungen, die darauf abzielten, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2016 zu kippen.

Unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung arbeiten diese Gruppen unermüdlich daran, alle möglichen Konflikte in der westlichen Gesellschaft zu schüren. Um ihr eigentliches Ziel zu verstehen, braucht man nur einen Blick auf die Richtlinie der Kommunistischen Partei der USA an ihre Mitglieder zu werfen, wie sie im Kongressbericht von 1956 formuliert wurde:

„Mitglieder und Frontorganisationen müssen unsere Kritiker ständig in Verlegenheit bringen, diskreditieren und herabsetzen [...] Wenn Gegner unserer Sache zu irritierend werden, brandmarkt sie als Faschisten oder Nazis oder Antisemiten. [...] Bringt diejenigen, die sich uns widersetzen, ständig mit Namen in Verbindung, die bereits einen schlechten Ruf haben. Diese Verbindung wird nach ausreichender Wiederholung in der Öffentlichkeit zur ‚Tatsache‘ werden.“ Hier weitere Informationen und Leseproben.

ISBN Band 1: 978-3-9810462-1-2, Band 2: 978-3-9810462-2-9, Band 3: 978-3-9810462-3-6, Drei Bände 1-3: 978-3-9810462-6-7. Einzeln kostet jeder Band 19,90 Euro (zzgl. 2,70 Euro Versandkosten), alle drei Bände gemeinsam sind im Moment noch zum Sonderpreis von 50,50 Euro (kostenloser Versand innerhalb Deutschlands) zu erwerben. Das Buch hat insgesamt 1008 Seiten und über 1200 Stichworte im Indexverzeichnis.

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