Sachsens Ministerpräsident: Tracking-App wird bald alltäglich – und zwar „freiwillig“

"Wir haben das bei der Gesundheitskarte erlebt: Als der Staat darauf Gesundheitsdaten speichern wollte, war der Aufschrei der Datenschützer groß. Kurze Zeit später gab es einen großen Run auf entsprechende Anwendungen bei Google und Facebook", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Epoch Times4. April 2020

Über die Auswertung von Handy-Daten zur Eindämmung der Pandemie wird in Deutschland aus datenschutzrechtlichen Gründen derzeit kontrovers diskutiert. Bislang müssen die deutschen Behörden anhand von Gesprächen herausfinden, mit wem ein Corona-Erkrankter Kontakt hatte, was sehr zeitaufwändig ist.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geht davon aus, dass eine Corona-Tracking-App schon bald zum Alltag gehört. „Wir werden solche Apps in absehbarer Zeit alle nutzen – und zwar freiwillig“, sagte Kretschmer dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). „Auf diese Weise können wir die Einschränkungen reduzieren, die wir brauchen, bis Impfstoffe und Medikamente da sind.“

Die Akzeptanz werde es dafür geben, wenn die App nicht vom Staat vorgeschrieben werde, sondern die Möglichkeit einfach technisch da sei.

„Wir haben das bei der Gesundheitskarte erlebt: Als der Staat darauf Gesundheitsdaten speichern wollte, war der Aufschrei der Datenschützer groß. Kurze Zeit später gab es einen großen Run auf entsprechende Anwendungen bei Google und Facebook“, sagte Kretschmer.

Bundesdatenschutzbeauftragter warnt vor Handy-Zugriff

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat vor einem Zugriff auf Handy-Daten gewarnt, um Corona-Infizierte aufzuspüren. Bei der Pandemie-Bekämpfung dürften „nicht Grundrechte über den Haufen geworfen werden“, sagte Kelber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgabe).

In Deutschland sei die Infrastruktur zur Erfassung von Mobilfunkdaten ohnehin „viel zu ungenau, um einen Rückschluss auf den Aufenthaltsort von Infizierten oder ihren Kontaktpersonen zuzulassen“, sagte Kelber. „Wenn ein Vorhaben ungeeignet ist, muss man sich über mögliche Eingriffe in die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten.“

Der Datenschutzbeauftragte empfahl stattdessen „freiwillige Maßnahmen“, um die Kontaktsperren so schnell wie möglich wieder aufheben zu können.

Als Vorbild nannte er Singapur: Eine App zeichne auf dem Gerät des Nutzers auf, wo dieser sich gerade aufhalte. Über Technologien wie Bluetooth lasse sich ermitteln, wie nahe man anderen Nutzern der App komme. „Und wenn man feststellt, dass man sich infiziert hat, kann man sein Bewegungsprofil teilen und Kontakte informieren“, sagte Kelber. Im Umfeld des Robert Koch-Instituts werde an einer solchen App gearbeitet.

Gesundheitsbehörden arbeiten noch per Fax

Kelber kritisierte in diesem Zusammenhang die Infrastruktur der deutschen Behörden zur Corona-Bekämpfung als rückständig. „Das System, in dem Bund und Länder zusammenarbeiten, ist sicher nicht auf der Höhe der Zeit“, sagte er. „Deutschland hat Schwierigkeiten im digitalen Bereich. Das betrifft Datensammlungen und die Kommunikation untereinander. Das funktioniert alles nicht gut genug.“ Dies müsse sich schnell ändern.

Darauf angesprochen, dass Gesundheitsämter ihre Corona-Daten teilweise noch per Fax an das Robert-Koch-Institut übermittelten, sagte er: „Als Staatsbürger wundere ich mich schon, wie weit zurück Teile der öffentlichen Verwaltung in ihren Möglichkeiten noch sind. Das muss sich schnell ändern.“ Er könne sich gut weitere digitale Hilfestellungen bei der Pandemiebekämpfung vorstellen, so Kelber. „Dem steht der Datenschutz nicht entgegen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder wollen nach Ostern beraten, ob und wie die Einschränkungen wegen der Coronakrise fortgesetzt werden.(dts/sua)



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