Sanierungsstau in Milliardenhöhe: Polizei fordert landeseigene Baufirma gegen „Flickschusterei“ in Berlin

„Selbstverständlich gibt es auch in Berlin Dienststellen der Polizei, bei denen wir wenig bis gar nichts zu beanstanden haben“, erklärte Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei gegenüber Epoch Times. Es gebe aber diverse Liegenschaften, die nicht nur in die Jahre gekommen seien, sondern die auch „Spuren jahrzehntelangen Nichtsanierens“ aufwiesen.
Titelbild
Kaputte Toilette in einer Berliner Polizeistation.Foto: GdP Berlin
Von 12. Juni 2020

„Wir haben Dienststellen, auf denen immer mal wieder Legionellen registriert werden, bei denen Putz bröckelt, bei denen die Sanitäranlagen schimmeln, Heizungen ausfallen, Fenster nicht richtig dicht sind und Wasserrohre platzen“, beschreibt Jendro die Zustände in den Gebäuden. Das seien tägliche Gefahren.

Hinzu kämen auch „langfristige Sachen wie krebserregende Bestandteile“, sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), „im Boden wie zum Beispiel in Schulzendorf oder am Platz der Luftbrücke“. Und: „Vom Thema Sicherheit sprechen wir noch nicht mal“, fügte Jendro hinzu.

Derzeit liege in Berlin der Sanierungsstau bei etwa 1,1 Milliarden Euro. Gut 280 Millionen Euro davon sind der Kategorie 1 – Gefahr für Leib und Leben – zugeordnet.

Allerdings sei Geld nicht alles, erklärte Jendro. „Rot-Rot-Grün hat beschlossen, in der Legislaturperiode fünf Milliarden Euro für die Sanierung beziehungsweise den Neubau von Schulen auszugeben.“ Wenn man aber keine Baufirmen mehr habe, die das umsetzen können, könne niemand das Geld ausgeben.

Aus diesem Grund befürwortet die Gewerkschaft der Polizei neben einem visionären und nachhaltigen Plan für die Gebäude des Öffentlichen Dienstes eine landeseigene Baufirma sowie eine Vereinfachung des Vergaberechts. Ein entsprechender Vorschlag wurde dem Berliner Senat unterbreitet.

Sanierungsstau: 20 Millionen Euro jährlich für Mängelbeseitigung

Die Vermieterin, die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), bekommt zur Sanierung vom Senat 20 Millionen Euro jährlich. Demnach bräuchte man „dezente 14 Jahre“ zur Aufarbeitung der Mängel. Besser würden die Gebäude in der Zwischenzeit allerdings nicht werden, befürchtet Jendro. „Aktuell betreibt man, wenn sich denn Baufirmen ernsthaft auf Aufträge bewerben, eher Flickschusterei.“

Dass die Regierung derzeit großzügig mit Steuergeldern im Rahmen der Corona-Krise umgehe, wollte Jendro mit dem erheblichen Sanierungsstau nicht in Vergleich setzen. Die Bundesregierung müsse diese Sachen finanzieren und „es wird auch in den nächsten Jahren eine finanzielle Mammutaufgabe“. Das habe aber in diesem Sinne eher weniger mit dem Landeshaushalt zur Sanierung von Liegenschaften des Öffentlichen Dienstes zu tun.

„Wir haben nach 2015 gemerkt, dass wir nicht über entsprechende Infrastruktur verfügen, um entsprechend auf Zahlen reagieren zu können, ohne andere Bereiche massiv einzuschränken.“ Der Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei nannte dabei beispielhaft Turnhallen für den Schul- und Vereinssport. Insofern sei es sinnvoll, präventiv zu agieren, „da wir auch in den nächsten Jahren als Land, in dem Wohlstand herrscht, Menschen anziehen und sich viele auf den Weg begeben werden“.

Wer ist zuständig für die Sanierung?

Auf die Frage, wie der Sanierungsstau in Zukunft beseitigt werden soll, verwies ein Sprecher der Innenverwaltung gegenüber Epoch Times auf die Immobiliendienstleister des Landes Berlin. Insoweit sei die BIM für die Liegenschaften der Polizei Berlin zuständig, auch bezüglich der Instandsetzung und Modernisierung.

„Ziel des Senats ist es, den schrittweisen Abbau des Sanierungsstaus bei der Polizei voranzutreiben.“ Seit 2018  würden der BIM im Rahmen des Doppelhaushaltes zusätzlich zum geplanten Bauunterhalt 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Hinzu kämen für kleinere Reparaturen und Havarien rund sieben Millionen Euro.

Neue Schießanlagen für 55 Millionen Euro

Neben dem jährlichen Bauunterhalt gebe es noch Investitionsmittel für weitere Maßnahmen, beispielsweise für moderne Schießstätten. Die Kosten dieser Baumaßnahmen beliefen sich auf rund 55 Millionen Euro. Die Maßnahmenplanung zum Baubudget erfolge unter anderem anhand des Gebäudescans der BIM sowie durch „Sichtchecks“ beauftragter Firmen. Hieraus ergebe sich eine Sanierungsrangfolge.

Bezüglich des Vorschlages der GdP, eine landeseigene Baufirma zu gründen und das Vergaberecht zu vereinfachen, heißt es vom Sprecher der Innenverwaltung: „Die Berliner Immobilienmanagement GmbH wurde 2003 als eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Landes Berlins gegründet, um die Dienstgebäude des Landes Berlin zentral, ganzheitlich und effizient zu verwalten und damit die Konsolidierung des Landeshaushaltes zu unterstützen.“

Die betroffenen Grundstücke und Gebäude seien im eigens dafür errichteten Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB) zusammengefasst worden. „Damit ist sichergestellt, dass die Landesimmobilien zentral verwaltet werden und so gebündelt stadtentwicklungs-, wirtschafts-, wohnungs- und kulturpolitische Belange Berlins berücksichtigt und umgesetzt werden.“ Im Jahr 2007 wurde das Portfolio der Polizei übernommen.

Polizeidienststellen können nicht im laufenden Betrieb saniert werden

„Gesamtsanierungen bei Dienststellen der Polizei durchzuführen, ist eine sehr komplexe Aufgabe.“ Das wisse auch die Gewerkschaft der Polizei, erklärte BIM-Pressesprecherin Johanna Steinke auf Nachfrage. Das liege vor allem an dem Umstand, dass Dienststellen nicht im laufenden Betrieb saniert werden können.

Konkret bedeute dies, dass solche Maßnahmen einen langen zeitlichen Vorlauf brauchen, weil Ausweichflächen – sogenannte Drehscheiben – geschaffen werden müssen.

Dennoch sei seit dem letzten Jahr einiges passiert und fertiggestellt worden. So wurde eine neue modulare Raumschießanlage in der Charlottenburger Chaussee gebaut, für die eine Schlüsselübergabe nach einem Jahr Bauzeit im vergangenen Monat stattfand und die eine der modernsten Anlagen Deutschlands ist.

Eine weitere neue Raumschießanlage in der Cecilienstraße soll im Herbst fertiggestellt werden. Neben dem Einsatztrainingszentrum in der Gallwitzallee, dessen Richtfest in den kommenden Wochen geplant ist, stehen Projekte zum Abbau des Sanierungsstaus wie die Kruppstraße 2-4. Das Objekt wurde letztes Jahr dem Nutzer nach einer Gesamtsanierung übergeben.

Auch in der Friesenstraße 16 sei einiges passiert. Haus 5 auf dem Gelände wurde für über zwei Millionen Euro in der Zeit von 2015 bis 2018 saniert, in den Häusern 30, 32 und 33 wurden die Sanitäranlagen und Teeküchen komplett erneuert. Auf dem Gelände seien nun noch Strangsanierungen in zwei Häusern und Grundinstandsetzungen von zwei Gebäuden geplant.

Die Politik stellt die Mittel bereit

Alles in allem sei laut BIM „viel passiert“ und mit den steigenden Mitteln für den Abbau des Sanierungsstaus und den zusätzlichen Mitteln aus der Zuführung zum Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA) würden die Baumaßnahmen zunehmen.

„Bei einem Sanierungsstau von 1,1 Milliarden ist es aber natürlich auch ein langer Prozess“, gab Steinke zu bedenken. Durch die gute Zusammenarbeit mit der Polizei und auch mit der GdP sei dies aber definitiv kein aussichtsloser Prozess.

„Wir möchten an dieser Stelle deutlich sagen, dass sich unsere Kritik nicht an die BIM richtet, mit der wir in den letzten zwei Jahren eine gute Gesprächs- und Arbeitsgrundlage aufgebaut haben“, stellt der GdP-Pressesprecher insoweit klar. Die Aussagen aus der Politik zeigten, dass man mit dieser Institution einen Puffer geschaffen habe, der gern als „Sündenbock“ benutzt werde.

Die Bereitstellung der Finanzmittel sowie die grundsätzliche Ausrichtung, worauf sich der Sanierungsfokus richten soll, werde aber von den verantwortlichen Politikern entschieden.



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