Schuldenbremse: FDP gegen den Rest der Ampel

Die finalen Haushaltsberatungen des Bundes rücken näher – und mit ihnen wird der Streit um Geld für die einzelnen Ampelressorts lauter. Während SPD und Grüne die Schuldenbremse infrage stellen, will die FDP unbedingt daran festhalten.
Laut Statistisches Bundesamt sind die Schulden 26 Mal so hoch wie das monatliche Nettoeinkommen.
Symbolbild: Einige Euroscheine.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 1. November 2023

Zwischen den Ampelparteien droht neuer Streit ums liebe Geld. Konkret geht es um die Frage, ob die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse im Steuerjahr 2024 wieder gelten soll oder nicht. Die Debatte dürfte auch einen großen Teil der Haushaltsberatungen beherrschen, die sich höchstwahrscheinlich noch bis zum 1. Dezember hinstrecken werden.

SPD-Parteichefin Saskia Esken sieht jedenfalls einen größeren Finanzbedarf, als ihn der aktuelle Bundeshaushalt hergeben würde: „Ich bin davon überzeugt, dass wir erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremsen-Regelung benötigen“, sagte Esken im Gespräch mit der „Rheinischen Post“.

Als Grund nannte sie die „anhaltenden Krisen“ im Allgemeinen und die Kriege in der Ukraine und in Israel im Besonderen. Dadurch hätten sich „Herausforderungen“ ergeben, „die wir nicht aus einem Normalhaushalt stemmen können, ohne dabei andere Aufgaben zu vernachlässigen“. Und vernachlässigen wolle die SPD eben nichts, was mit der „sozialen Infrastruktur“, der „Demokratieförderung“ oder der „Integration“ zu tun habe. Etwas anderes sei mit der SPD „nicht zu machen“.

Schuldenbremse Investitions- und Innovationsbremse?

Überhaupt scheint Esken nicht mehr viel von dem Grundsatz zu halten, nur soviel auszugeben, wie auch eingenommen wird. Um beispielsweise „den Nachholbedarf bei den Investitionen“ zu befriedigen, die die Bereiche Verkehr, Energie, Digitales, Gesundheitswesen oder Bildung angingen, sei „die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Ausgestaltung“ nicht geeignet.

Esken gab zu bedenken, dass Deutschland „viel zu lange von der Substanz gelebt“ habe. Wenn sich nun herausstelle, dass die Schuldenbremse als „Investitions- und als Innovationsbremse“ wirke, müssten „wir diese Regelung kippen“, zitiert sie die „Rheinische Post“.

Die SPD hatte in den vergangenen 25 Jahren insgesamt 21 Jahre lang die Regierungsverantwortung im Bund mitgetragen.

Mützenich stellt GG-Regelung zur Schuldenbremse infrage

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ dafür starkgemacht, über ein nochmaliges Aussetzen der Schuldenbremse per Ausnahmeregelung nachzudenken. „Mittelfristig müssen wir aber auch über die Neugestaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz reden“, verlangte der 64-Jährige.

Angesichts der aktuellen Lage kündigte Mützenich an, die anstehenden Ausgaben zusammen „mit den Koalitionspartnern“ umzuschichten. Dafür müsse man auch neue Prioritäten und Schwerpunkte setzen, erklärte er im Einklang mit dem SPD-Haushaltsexperten Dennis Rohde. Beide schlugen vor, beispielsweise durch den Abbau von „Subventionen, die das Klima schädigen“, Geld zu sparen.

Mützenich gab sich zuversichtlich, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) den SPD-Ideen nicht im Wege stehen werde:

Olaf Scholz handelt pragmatisch und angemessen. Genau dafür braucht es jetzt erhebliche Investitionen und kein stures Festhalten an Instrumenten, die für bessere Zeiten ihren Sinn haben.“

Grüne: An Polizei und Bundeswehr denken

Auch bei den Grünen löst die Aussicht auf eine Deckelung des finanziellen Spielraums ab 2024 keine Begeisterung aus. Der grüne Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour hatte nach Informationen des „Bayerischen Rundfunks“ bereits mehr Geld für die Sicherheitsbehörden in Deutschland gefordert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock hätten die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form schon infrage gestellt.

Habeck hatte sich in einem „Strategiepapier“ dafür ausgesprochen, bisherige finanzpolitische Spielregeln wie die Schuldenbremse demnächst zu überdenken, wie die „Zeit“ berichtete: Industrie- und Haushaltspolitik müssten per „Richtungsentscheidung“ in Einklang gebracht werden.

Laut BR habe der Wirtschaftsminister zudem auf die künftige Finanzierung der Bundeswehr verwiesen. Zudem hatte er sich immer wieder für einen subventionierten Industriestrompreis („Brückenstrompreis“) eingesetzt – doch den lehnt der Kanzler entgegen früherer Wahlkampfversprechen inzwischen ab.

FDP will an Haushaltsdeckelung festhalten

Trotz all der Forderungen aus Parteien und Ressorts will die FDP weiter an der Schuldenbremse festhalten. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte, dass er „eine solide Finanzpolitik“ als „die Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum“ betrachte und eine Lockerung ablehne:

Wir brauchen solide und generationengerechte Finanzen, um gezielte steuerliche Entlastungen, Anreize für private Investitionen sowie Innovationen und die Modernisierung unserer Infrastruktur zu ermöglichen.“

Die aktuelle Debatte um eine Aushebelung der Bremse erinnere ihn an den Spielfilm „Täglich grüßt das Murmeltier“.

Lindner sieht Sozialstaat Deutschland als „Magnet“ für Migranten

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betont ohnehin seit Monaten, dass einer erneuten Aufweichung der Bremse der Artikel 109 des Grundgesetzes im Wege stehe. Auch von Steuererhöhungen hält FDP-Parteichef Lindner nichts. Deshalb habe er „seinen Ministerkollegen bereits im Frühjahr einen harten Sparkurs verordnet“, wie die „Wirtschaftswoche“ erinnerte. Sein Ziel bleibe ganz klar die Haushaltskonsolidierung.

Bereits am vergangenen Sonntag hatte Lindner in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ auch die hohen Kosten für die Massenmigration zur Debatte gestellt. Der Sozialstaat Deutschland wirke „mit seinem im europäischen Vergleich sehr hohen Leistungen […] wie ein Magnet“, erklärte Lindner und verlangte, dass dieser Umstand „abgeschaltet werden“ müsse.

Härterer Kurs gegen unehrliche Asylbewerber

Lindners Argumentation erinnerte an vieles, wofür AfD-Politiker noch vor wenigen Monaten gescholten worden wären.

Denn der FDP-Minister sprach von „Asylbewerbern“, die nicht wegen Bürgerkriegen oder Naturkatastrophen, sondern „aus wirtschaftlichen Gründen zu uns“ kämen. „Und die haben eigentlich kein Aufenthaltsrecht“, stellte Lindner fest. Manche dieser Menschen wollten „in Deutschland möglicherweise auch gar nicht arbeiten, sondern unseren Sozialstaat nutzen – und das muss unterbunden werden“, verlangte der Chef der Liberalen. Hier sehe er auch die Bundesländer in der Pflicht: Diese müssten „Verantwortung dafür übernehmen, die Zahlen zu reduzieren“.

„Zu viel Verteilung, zu viel Sozialpolitik“

Für nicht mehr angemessen hält Lindner offenbar auch den generellen Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt: „Es ist zu viel Verteilung, es ist zu viel Sozialpolitik, da müssen wir ran“, zitiert ihn das Portal „Finanznachrichten.de“. Er könne den permanenten Ruf einiger Politiker nicht teilen, nach dem der Staat noch mehr öffentliches Geld einsetzen müsse.

Zudem warte er gespannt auf einen Bericht des Bundesarbeitsministeriums zum Lohnabstandsgebot, denn Arbeiten müsse sich gegenüber dem Nichtarbeiten in jedem Fall lohnen, so Lindner: „Wir haben dringenden Anlass, unsere Systeme einer Kontrolle zu unterziehen“. Insbesondere Menschen, die vor einem Einstiegsjob stünden, stellten sich die „Sinnfrage“, ob es sich angesichts teils „zu hoher Sozialleistungen“ für sie überhaupt noch lohne, „40 Stunden an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten“.

Keine großen Mehreinnahmen zu erwarten

Bereits seit einigen Tagen ist klar, dass im Bundeshaushalt 2024 keine signifikanten Mehreinnahmen zu erwarten sind: Nach Informationen des BR dürften nur 3,8 Milliarden Euro mehr als noch im Mai von den Steuerschätzern vorausgesagt in der Kasse des Bundes klingeln. Für das laufende Jahr 2023 liegt die aktuelle Prognose sogar 4,5 Milliarden Euro unter der letzten Schätzung.

Wegen bereits verplanter Haushaltsposten könnten 2024 maximal 2,3 Milliarden zusätzlich verteilt werden. Finanzminister Lindner sieht die Grenze des Bundesbudgets deshalb immer noch bei 445,7 Milliarden Euro: „Neue Verteilungsspielräume, die gibt es nicht.“

Die Neuverschuldung soll 2024 nach Lindners Entwurf bei 16,6 Milliarden Euro liegen, das wären rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. „Wenn im parlamentarischen Verfahren neue Ausgaben beschlossen werden sollen, dann muss an anderer Stelle gespart werden“, so Lindners Ansage an seine Kritiker.

Der Fahrplan zum Haushalt

Mitte November ist die sogenannte „Bereinigungssitzung“ des Bundestags-Haushaltsausschusses geplant. Dort kann es erfahrungsgemäß noch zu teils großen Veränderungen am Entwurf kommen.

Ab dem 28. November stehen die zweite und dritte Lesung im Bundestag auf dem Terminkalender. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums (BMF) soll der Haushalt 2024 spätestens am 1. Dezember im Bundestag beschlossen werden. Zwei Wochen später soll der Bundesrat die Kalkulation final absegnen.

Stichwort Schuldenbremse

Die Schuldenbremse war Anfang des Jahres 2009 von der Regierung Merkel I beschlossen und vom Bundestag ins Grundgesetz aufgenommen worden. Sie erlaubt eine Nettokreditaufnahme in einem nur sehr begrenzten Umfang. Lediglich bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen dürfen zusätzliche Kredite in Höhe von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung im Haushaltsjahr aufgenommen werden.

Wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges hatte der Bundestag die Schuldenbremse in den Jahren 2020, 2021 und 2022 bereits ausgesetzt, wie die „Welt“ berichtete.

Ein Servicetipp am Rande: Das Bundesfinanzministerium hat auf seiner Netzseite das Onlinewerkzeug „Bundeshaushalt digital“ eingerichtet. Es enthält eine Reihe von interaktiven Optionen, mit denen sich die Steuerzahler ein Bild über die Ausgabe- und Einnahmesituation der vergangenen Jahre verschaffen können.



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