Soros kritisiert Bundesverfassungsgericht für EZB-Urteil: „Politische Bombe, die EU zerfetzen könne“
Der bekannte US-Milliardär und selbsternannte „Philanthrop“ George Soros nimmt Anstoß am jüngsten Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zur Frage der EZB-Anleihen. Im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ erklärt der ursprünglich aus Ungarn stammende Verfechter einer umfassenden politischen Union in Europa, das Urteil sei „eine politische Bombe, die die ganze EU zerfetzen könne“.
Supranationale „Rechtsfortbildung“ als Kernanliegen
Soros nimmt vor allem daran Anstoß, dass sich mit dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erstmals ein nationales Gericht über ein Urteil des EuGH hinweggesetzt hatte.
Der Investor und linksliberale Aktivist finanziert weltweit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – auch mit dem Ziel, dass diese über Klagen vor supranationalen Gerichten Urteile erwirken, die nationale Gesetzgeber unter Zugzwang setzen und damit „Rechtsfortbildung“ erzwingen. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang hingegen von „richterlichem Aktivismus“, der darauf abziele, Nationalstaaten Rechtsauffassungen aufzuzwingen, für die es dort keine demokratischen Mehrheiten gäbe.
Erst jüngst hatte das European Centre for Law and Justice (ECLJ) eine Studie veröffentlicht, wonach etwa ein Zehntel der permanenten Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zuvor für NGOs tätig war, die den „Open Society Foundations“ von Soros zuzurechnen sind.
Dass das deutsche Höchstgericht nun im Zusammenhang mit den EZB-Anleihen den Vorrang europäischer Rechtsprechung gegenüber dem nationalen Recht infrage gestellt habe, hält Soros für ein fatales Signal. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen wirft der 89-Jährige die Frage auf: „Wenn das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes offen anzweifeln kann, werden sich dann andere Länder genau das auch trauen?“
Soros sieht Polen und Ungarn gestärkt
Er befürchtet, dass vor allem osteuropäische Länder wie Polen, dessen Gerichte er „regierungskontrolliert“ nennt, oder Ungarn, wo Premierminister Viktor Orban „die Corona-Krise genutzt [habe], um sich zu einer Art Diktator zu ernennen“, sich dadurch in ihrer widerspenstigen Haltung gegenüber europäischen Institutionen bestärkt fühlen könnten. Soros warnt:
„Wenn diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die EU daran hindert, auf so etwas angemessen zu reagieren, ist bald von der Idee eines demokratischen und rechtsstaatlichen Europa nichts mehr übrig.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil ausgeführt, dass das Gebaren der EZB potenziell erhebliche Auswirkungen auf die Budgethoheit und den haushaltspolitischen Spielraum des deutschen Gesetzgebers habe und auf diese Weise potenziell die Budgetsouveränität der Mitgliedstaaten unterhöhlen könnte. Dies sei aber nicht Bestandteil europäischer Verträge.
EU ist kein Bundesstaat
Aus diesem trug das Karlsruher Gericht der EZB auf, binnen dreier Monate zu begründen, warum ihr Anleiheprogramm dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche – während der Bundesregierung und dem Bundestag aufgetragen wurde, das Gebaren der EZB stärker zu kontrollieren. Da die EZB nicht gewählt sei und es keinen europäischen Bundesstaat gebe, der eine demokratische Kontrolle ihrer Politik gewährleisten könne, müsse der Bundestag dieser die demokratische Legitimation sicherstellen.
Andernfalls gäbe es keine Grundlage mehr für die Beteiligung der Deutschen Bundesbank an der Politik der „Quantitativen Lockerung“ – was einem faktischen Ende des Vorhabens insgesamt gleichkäme.
Bundesverfassungsgericht fordert demokratische Legitimation und Kontrolle für EZB
Das Bundesverfassungsgericht machte in seinem Urteil deutlich, dass es nicht zum Dauerzustand werden könne, über Umwegkonstruktionen wie EZB-Politik oder Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Rettungs- und Erhaltungsmaßnahmen zugunsten des Euro an den Parlamenten vorbei zu betreiben, obwohl diese potenziell deren Budgethoheit berühren.
Wer eine dauerhafte Stabilisierung des Euro durch diese Konstruktionen erreichen möchte, müsse die europäischen Verträge in diesem Sinne ergänzen und dafür die Zustimmung des Souveräns suchen.
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