„Spaziergänge“ gegen Corona-Maßnahmen in Sachsen – Protest-Partei will 100.000 Mitglieder haben

Der Unmut in Teilen der Bevölkerung gegen die Corona-Maßnahmen wächst. In Sachsen fanden am Montag in mehr als 20 Städten „Spaziergänge“ gegen die Einschränkungen statt. Die Anti-Corona-Protestpartei „Widerstand2020“ gibt an, schon 100.000 Mitglieder zu haben.
Von 6. Mai 2020

Obwohl Bund und Länder mit Beginn der Woche ersten Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen im Zeichen der Corona-Krise zugestimmt hatten, wächst in Teilen der Bevölkerung der Unmut über die nunmehr bereits seit mehr als sechs Wochen andauernden Einschränkungen.

Einer der Schwerpunkte des Protests ist Sachsen. Hier haben sich am Montag (4.5.) mehrere hundert Menschen in mehr als 20 Städten zu Versammlungen, Menschenketten oder „Spaziergängen“ versammelt.

Spaziergänge mit teilweise hunderten Teilnehmern in mehreren Teilen Sachsens

Die Kundgebungen richteten sich gegen die Corona-Maßnahmen im Allgemeinen und gegen die mittlerweile ad acta gelegten Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, für Personen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, einen Immunitätsausweis einzuführen.

Die meisten Teilnehmer zählte eine Protestversammlung in Annaberg-Buchholz, wo 400 Personen zusammengekommen waren, ehe die Polizei die Zusammenkunft als nicht angemeldete Versammlung einstufte und die Auflösung verfügte. Anschließend zogen mehrere Dutzend Teilnehmer noch durch die Innenstadt. In Olbernhau kamen 300 Menschen zu einem „Spaziergang“ zusammen. Auch hier ging die Polizei von einer nicht angemeldeten Versammlung aus – zudem wurden Reden gehalten. Derzeit wird wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt.

Weitere Zusammenkünfte oder Spaziergänge gab es in Neugersdorf, Demitz-Thumitz und Freiberg, dort wurden diese auch angemeldet. In Chemnitz nahmen insgesamt etwa 250 Menschen an zwei „Spaziergängen“ rund um das Rathaus teil, in Leipzig wurden Grundgesetze und Schilder gezeigt, ehe sich die Menge auf einen Spaziergang durch die Innenstadt begab. Auch in Städten wie Plauen, Markneukirchen, Zschopau, Meißen, Großenhain, Freital, Heidenau, Pirna oder Wilsdruff kamen Einwohner zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen zusammen.

Protest gegen Corona-Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Parlaments

Wie die Polizei dem Sender „MDR Sachsen“ mitteilte, waren nur wenige der Zusammenkünfte angemeldet. Auch gaben sich regelmäßig keine Teilnehmer als Versammlungsleiter zu erkennen und die wenigsten Anwesenden trugen eine Mund- und Nasenschutzmaske. In vielen Fällen wurden Abstandsvorschriften nicht eingehalten.

Wo Beamte von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ausgingen, nahmen sie die Personalien von Teilnehmern oder – wo vorhanden – mutmaßlicher Versammlungsleiter auf. Dies geschah unter anderem in mehreren Fällen, in denen sich Teilnehmer entgegen polizeilicher Anordnungen nicht zerstreuten. Insgesamt blieb es jedoch friedlich, die Polizei berichtet von keinen größeren Zwischenfällen. Die meisten Zusammenkünfte waren nach maximal einer Stunde zu Ende.

Mittlerweile scheint sich der Protest gegen die Corona-Maßnahmen auch politisch in einer neuen Plattform zu organisieren. Während AfD und Teile der FDP auf parlamentarischer Ebene ein Ende des Lockdowns fordern, haben sich nach Angaben der Gründer bereits mehr als 100.000 Personen als Mitglieder in einer Partei angemeldet, die sich „Widerstand2020“ nennt. Damit wäre die politische Kraft, die erst am 21. April beim Bundeswahlleiter ihre Satzung hinterlegt hatte, bereits jetzt eine der mitgliederstärksten Parteien des Landes.

Wie langlebig wird „Widerstand2020“?

Allerdings reicht, ähnlich wie im Fall der vor zwei Jahren von der früheren Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht initiierte Bewegung „Aufstehen!“, das Ausfüllen eines Online-Formulars, um als Mitglied zu gelten. Andere Parteien sehen ein reguläres Aufnahmeverfahren für Mitgliedschaftswerber vor.

Als Gründer der Partei stellen sich der Sinsheimer HNO-Arzt Bodo Schiffmann, der Rechtsanwalt Ralf Ludwig und die Psychologin Victoria Hamm vor. Schiffmann hat in den vergangenen Wochen auf seinem YouTube-Kanal mit mittlerweile 133.000 Abonnenten kritische Statements zur Pandemiepolitik der Bundesregierung veröffentlicht.

Ob sich die neue politische Kraft, die bis dato unter dem Banner der Kritik an den Lockdown-Maßnahmen ein sehr heterogenes Publikum anspricht, festigen kann oder wie das Wagenknecht-Projekt oder die ähnlich kurzlebige Online-Protestplattform „Fridays for Hubraum“ wieder aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwinden wird, ist unklar.



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