„Super-Gau in Paragrafenform“ – Lauterbach wegen Entbudgetierung in Kritik
Weniger Bürokratie, mehr Geld für notwendige Behandlungen. So könnte man das Ziel der beabsichtigten Entbudgetierung kurz zusammenfassen. Kinderärzte sollten nicht länger über Budgetfragen nachdenken, sondern das tun, was sie für medizinisch richtig hielten. Aktuell geben Krankenkassen einen finanziellen Rahmen für die Arztpraxen vor. Die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Entbudgetierung soll nun Abhilfe schaffen, zumindest im Bereich der Kinderarztpraxen. Doch in der geplanten Gesetzgebung zeigen sich erste Mängel.
Die Behandlung von Kindern solle zukünftig im Vordergrund stehen. „Das ist etwas, was wir den Kindern schulden“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 26. Januar 2023 im Bundestag. „Die Kinder waren die Leidtragenden der Pandemie. Es kann nicht sein, dass wir bei Kinderarzneimitteln Lieferengpässe haben und dass die Kinderärzte die Leistungen nicht bezahlt bekommen.“ Dieses „Unrecht“ müsse beseitigt werden.
Aber hier prallen Theorie und Praxis aufeinander. Wie es in einem Sprichwort heißt: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. „Die Richtung stimmt, aber die Umsetzung ist falsch“, heißt es in einem Brief der Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigungen, über den das „Ärzteblatt“ berichtete.
Verzögerte Vergütung oder Honorarrückforderung
Eine „echte Entbudgetierung“ würde eine Eins-zu-eins-Vergütung der angeforderten Leistungen beinhalten, heißt es von der KBV. Was nun auf dem Tisch liege, sei ein Vorschlag, der für die Kassenärztlichen Vereinigungen einen enormen Berechnungsaufwand bedeutet – und zwar in jedem Quartal neu. Kinderärzte würden hiervon bestenfalls Monate später profitieren. Im schlimmsten Fall könne es sogar zu Honorarrückforderungen der Kassen kommen, erklärte KBV-Chef Andreas Gassen gegenüber dem „Ärzteblatt“. „Das ist keine Entbudgetierung, sondern eine Mogelpackung.“
Der KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister sprach von einem Verfahren, das so komplex sei, dass eine „vollständige Chaotisierung der Honorarzahlungen“ drohe. „Das ist ein Super-Gau in Paragrafenform, der nicht kommen darf.“ Darin waren sich die beiden Vorstände einig.
Budgetierung – der Grund für Versorgungslücken
Grundsätzlich unterstützt der KBV-Chef das Anliegen, die Leistungen der Kinderärzte vollständig zu vergüten. Was sich so selbstverständlich anhöre, sei in weiten Teilen der ambulanten Versorgung eben nicht der Fall. Das ziehe sich durch sämtliche Fachgruppen.
„Entbudgetierung ist ja kein Hexenwerk“, erklärte er. Aber solange der Gesetzgeber Budgets festlege, sei die logische Folge, dass die Leistungen der Ärzte nicht vollständig bezahlt würden. Damit werde in Kauf genommen, dass die ambulante Versorgung sukzessive schlechter werde, da die Praxen langfristig wirtschaftlich nicht tragfähig seien.
„Das ist dann aber nicht schicksalhaft, sondern eine bewusste politische Entscheidung“, so Gassen weiter. „Man sollte dann nur keine Krokodilstränen vergießen, wenn es zunehmend weniger Praxen gibt, die die Menschen in unserem Land versorgen.“
Was am Mittwoch zur ambulanten #Kinderheilkunde beschlossen wurde, ist keine #Entbudgetierung und auch nicht das, was @Karl_Lauterbach angekündigt hatte.
Was der Beschluss für die Kinder- und JugendärztInnen bedeutet, erläutert Dr. Gassen im Video. pic.twitter.com/74cnMztH1e
— Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) (@kbv4u) February 16, 2023
Gassen geht davon aus, dass Lauterbach den Vorschlag nicht im Detail geprüft hat. „Wenn er das macht, wird er natürlich erkennen, dass das keine Entbudgetierung ist, wie er sie versprochen hat.“ Schließlich hatte sich der Minister dafür ausgesprochen, die Entbürokratisierung voranzutreiben. Nun sei das „dramatische Gegenteil“ der Fall.
Spitzenverband kündigt Konsequenzen an
Aus dem Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. hieß es: „Erneut wird deutlich, wie verlässlich die Gesundheitspolitik der Ampelkoalition [ist].“ Im Dezember sei den Kinderärzten öffentlichkeits- und medienwirksam die Entbudgetierung versprochen worden. „Was davon im Kabinettsbeschluss übrig bleibt, sind lediglich Nachschüsse im Fall, dass nicht genügend Geld im Budget ist. Hier hat man offenbar Angst, einen Präzedenzfall zu schaffen.“
Sollte die Gesundheitspolitik den derzeitigen Kurs nicht ändern, würden die Fachärzte ihre Leistungen in Zukunft einschränken müssen. „Dann gibt es eben nur noch die Leistungen, die in vollem Umfang vergütet werden“, so der Verbandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich.
Die Politik müsse die Menschen wieder als Patienten und nicht als reine Fallzahlen betrachten. Das gelte nicht nur im Bereich der Kinderheilkunde, sondern für die gesamte Ärzteschaft.
FDP kritisiert „Mogelpackung“
Kritik an den neuen Plänen gab es auch von der FDP Saar. Der gesundheitspolitische Sprecher Dr. Helmut Isringhaus bezeichnete den vorliegenden Gesetzentwurf als „Mogelpackung“. Die Medaille habe nämlich eine Kehrseite.
„Die resultierenden Mehrkosten sollen in einem komplizierten bürokratischen Verfahren aus den Budgets für alle Kassenärzte finanziert werden. Dies ist aus meiner Sicht ein Trick, um mal wieder unter den verschiedenen Fachgruppen der Ärzte Zwietracht zu sähen (sic)“, sagte Isringhaus.
Es müsse endlich Schluss sein mit Honorarbegrenzung, solange Patienten gleichzeitig unbegrenzt ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen können.
Wann mit einer Abstimmung über den Gesetzentwurf im Bundestag zu rechnen ist, ist noch offen. Zunächst soll der Entwurf im Gesundheitsausschuss beraten werden.
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