Verfassungsschutz: „Feststellbare, kontinuierliche Ausbreitung“ der Muslimbruderschaft in Deutschland

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Demonstration der jordanischen Muslimbruderschaft.Foto: KHALIL MAZRAAWI/AFP via Getty Images
Epoch Times16. August 2020

Von den Muslimbrüdern in Deutschland hört man nur selten etwas, obwohl – laut Verfassungsschutz – eine „kontinuierliche Ausbreitung“ von ihnen feststellbar ist. Zunächst zum besseren Verständnis: Auch der türkische Präsident Erdogan und seine Partei AKP sind Anhänger der Muslimbruderschaft.

Er ist ein Freund des gestürzten ägyptischen Präsident Mohammed Mursi, ebenfalls ein Muslimbruder. Dies erklärt das seitdem angespannte Verhältnis beider Staaten. Seit dem Sturz von Mursi stehen sich die Türkei und die ägyptische Militärregierung feindselig gegenüber – ebenso wie Katar, das ebenfalls eine Verbindungen zur Muslimbruderschaft pflegt.

In Ägypten sind daher viele Muslimbrüder im Gefängnis. Wie beispielsweise das am Donnerstag in einem ägyptischen Gefängnis verstorbene hohe Führungsmitglied, Essam el-Erian (66), das einem Herzinfarkt im berüchtigten Tora-Gefängnis in Kairo erlegen sein soll. Dies zumindest berichten ägyptische Sicherheitsquellen. Aufgrund des Verbotes in ihrem Heimatland leben viele ägyptische Muslimbrüder daher im Exil in der Türkei aber auch in Europa.

Mitglieder der verbotenen Muslimbruderschaft in einem Gerichtssaal in Kairo. Foto: Khaled Elfiqi / Archiv/Illustration/dpa

Islamistische Bewegungen versuchen in Deutschland islamkonforme Ordnung durchzusetzen

Doch wie ist die Situation in Deutschland? Nicht-gewaltorientierte Strömungen versuchen in Deutschland, über politische und gesellschaftliche Einflussnahme eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Sie verfolgen ihre jeweiligen Ziele – in der Regel eine langfristige Veränderung des deutschen gesellschaftlichen und politischen Systems – auf Grundlage der hiesigen Gesetze, heißt es auf eine Anfrage der Epoch Times seitens des Verfassungsschutzes zur Muslimbruderschaft in Deutschland.

Die auf lange Sicht ausgerichtete Strategie nicht-gewaltorientierter Bestrebungen birge erhebliches Gefahrenpotenzial, islamistisches Gedankengut in der Gesellschaft zu verankern, heißt es von der Bundesbehörde weiter.

Gruppierungen dieser Art würden sich in Deutschland öffentlich zum Grundgesetz bekennen und „achten zumeist sehr genau darauf, weder durch Handlungen noch durch öffentliche Äußerungen einen justiziablen Fehler zu begehen“. In internen Zirkeln, Schulungsmaßnahmen und Fortbildungsveranstaltungen würde jedoch eine islamische Rechts-, Gesellschafts- und schließlich auch Staatsordnung propagiert, die mit wesentlichen Aspekten des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren sei, führt der Verfassungsschutz weiter aus.

Tatsächliche Absichten für Außenstehende kaum zu erkennen

Laut der Sicherheitsbehörde wäre es Außenstehenden kaum möglich, die tatsächlichen Absichten nicht-gewaltorientierter islamistischer Gruppierungen zu erkennen. „Vielmehr verfügen insbesondere die öffentlichen Kontaktpersonen dieser Organisationen oftmals über eine charismatische Ausstrahlung und gute rhetorische Fähigkeiten“, weshalb sie sowohl für die Politik und die Verwaltung als auch für soziale Partner wie die Kirchen einen angemessenen Ansprechpartner darstellen würden, erklärt die Behörde weiter.

Im Kern, so erklärt der Verfassungsschutz verfolge die Muslimbruderschaft (MB) entsprechend ihrer langfristigen Strategie auch in Deutschland eine Durchdringung der Gesellschaft mit dem Ziel einer perspektivischen Errichtung eines auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Systems.

Muslimbruderschaft in Deutschland seit 1950er Jahre aktiv

In Deutschland, erklärt der Verfassungsschutz trete die MB seit Mitte der 1950er Jahre in Erscheinung. Zu diesem Zeitpunkt übernahm Said Ramadan, der persönliche Sekretär und Schwiegersohn Hassan al-Bannas, des Gründers der MB, in München (Bayern) die Leitung des dortigen Moscheebauvereins, den er zur „Islamischen Gemeinschaft in Süddeutschland e.V.“ umwandelte. Diese entwickelte sich später zur bundesweit agierenden „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD) und zugleich zur wichtigsten Organisation der MB in Deutschland. 2018 erfolgte die Änderung des Vereinsnamens in „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.“ (DMG).

Nach Aussage des Verfassungsschutz gibt es neben unübersehbaren personellen Verflechtungen enge strukturelle und ideologische Verbindungen der DMG zur MB. „Es ist daher davon auszugehen, dass sie die langfristige Strategie der Muslimbrüder zur Durchdringung der Gesellschaft und zur perspektivischen Errichtung eines auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Systems teilt und diese umzusetzen versucht“, erläutert die Bundesbehörde.

Dabei ist für den Verfassungsschutz auffällig, dass die DMG wiederholt in der Öffentlichkeit jegliche Verbindung zur MB bestritt und sich stattdessen immer wieder zum Grundgesetz und zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt. Dies wäre allerdings Teil ihres konspirativen Vorgehens, erklären die Verfassungsschützer.

Verschiedene islamische Organisationen deutschlandweit mit Muslimbruderschaft verbunden

Doch neben der DMG gibt es eine ganze Reihe weiterer Organisationen, die in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen tätig sind und die klare personelle Verbindungen und Überschneidungen zur DMG und zur internationalen MB aufweisen erläutert die Sicherheitsbehörde weiter. So zähle im Bereich der Erwachsenenbildung das „Europäische Institut für Humanwissenschaften e.V.“, im Bereich der Flüchtlingshilfe die „Sächsische Begegnungsstätte e.V.“ und auf dem Gebiet der Wohlfahrt „Islamic Relief – Humanitäre Organisation in Deutschland e.V.“ dazu.

„Des Weiteren ist davon auszugehen, dass auch der „Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.“ aufgrund einer Vielzahl einschlägiger Mitglieder ebenfalls dem Einfluss der MB in Deutschland unterliegt. Insgesamt kann von einer dreistelligen Anzahl von Organisationen/Moscheen ausgegangen werden, die dem Netzwerk der MB zuzurechnen sind“, führt die Behörde weiter aus.

Dabei betont der Verfassungsschutz, dass nicht jedes einzelne Mitglied einer solchen Institution als ein Anhänger der MB gelten könne. „Es ist jedoch festzustellen, dass in diesen Organisationen Personen, die dem engeren Kreis der MB in Deutschland zuzurechnen sind, Führungspositionen innehaben und somit die grundsätzliche Ausrichtung der jeweiligen Organisation sowie deren wesentliche Entscheidungen maßgeblich beeinflussen oder lenken können.“

Verfassungsschutz: „Feststellbare, kontinuierliche Ausbreitung der MB in Deutschland“

Man beobachte eine feststellbare, kontinuierliche Ausbreitung der MB in Deutschland seitens des Bundesverfassungsschutzes, die man „sehr genau verfolgt“.

Nach Erkenntnissen des BfV ist von etwas mehr als 1.000 Anhängern der MB in Deutschland auszugehen – mit deutlich wachsender Tendenz. Die MB ist seit ihrer Gründung durch Hassan al-Banna im Jahr 1928 als Geheimbund organisiert. In ihren kleinsten Organisationseinheiten, den sogenannten „usra“-Zellen („usra“ ist ein arabisches Wort mit der Bedeutung „Familie“), werden die Mitglieder im Verborgenen geschult und die islamistische Ideologie der MB verbreitet.

Eine offizielle Aufnahme in eine „usra“ und ein Aufstieg innerhalb dieser vor der Öffentlichkeit verborgenen Struktur ist nur nach mehrjährigen Probe- und Bewährungszeiten möglich, erklärt der Verfassungsschutz. „Aufgrund dieser geheimen Vorgehensweise der MB gestaltet es sich schwierig, ihr genaues Personenpotential zu beziffern.“

Muslimbruderschaft in Brüssel aktiv

Laut der Sicherheitsbehörde ist ein wichtiger internationaler MB-Akteur, die in Brüssel ansässige „Federation of Islamic Organisations in Europe“ (FIOE), die von der ägyptischen MB selbst als ihr „europäischer Flügel“ bezeichnet wurde. Die DMG ist personell und strukturell eng mit der FIOE verbunden, deren offizielles Gründungsmitglied sie ist. Sowohl Ibrahim El-Zayat (Präsident der DMG von 2002-2009) als auch Samir Falah (Präsident der DMG von 2009-2017) und auch Khalad Swaid (Präsident der DMG seit 2017) hatten vor bzw. während ihrer DMG-Präsidentschaft hochrangige Funktionen innerhalb der FIOE inne, führt die Bundesbehörde aus.

Samir Falah wurde nach Beendigung seiner DMG-Präsidentschaft zum Präsidenten der FIOE gewählt. Auf der vom 23. bis zum 26. Januar 2020 in Istanbul stattgefundenen FIOE-Generalversammlung, auf der wesentliche organisatorische Änderungen (wie z.B. die Umbenennung der FIOE in „Council of European Muslims“ (CEM)) entschieden wurden, waren neben Samir Falah und Khalad Swaid auch Sabri Shiref (aktueller DMG-Vizepräsident) sowie Ibrahim El-Zayat anwesend, so die Verfassungsschützer. (er/afp)



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