Völkerrechtler Schorkopf warnt: „UN-Migrationspakt ist ein beunruhigendes Dokument“

Der Staatsrechtler Prof. Dr. Frank Schorkopf erklärt, dass der UN-Pakt einen gefährlichen Hebel enthält, mit dem die Bundesrepublik künftig noch stärker in die Pflicht genommen werden kann.
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Angela MerkelFoto: FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images
Epoch Times5. Dezember 2018

„Der Spiegel“ interviewte den Völkerrechtler Prof. Dr. Frank Schorkopf (48), der an der Universität Göttingen Staats- und Völkerrecht lehrt, zum UN-Migrationspakt. Für ihn ist das Abkommen ein „beunruhigendes Dokument“, vor allem, weil darüber sehr viel auf Regierungsebene geregelt wird, was eigentlich Sache des Parlaments wäre.

Der UN-Migrationspakt: ein Manifest der Willkommenskultur

Schorkopf dachte nach dem ersten Durchlesen, dass der UN-Pakt „ein Manifest der Willkommenskultur“ sei. Durch das ganze Dokument würde ein progressiv-moralischer Geist atmen, der im Grunde keinen Widerspruch duldet.

Zu der rechtlichen Bindung erklärt der Experte, dass das Abkommen zwar rechtlich nicht bindend sei, aber politisch verpflichtend. Mit dem Verweis auf die fehlende Rechtsbindung würde das nicht juristische Publikum beruhigt werden.

In der internationalen Politik wäre oft schon die politische Bindung entscheidend, die rechtliche würde dieser später häufig nachfolgen. Der Staatsrechtler erklärt dazu: Im Völkerrecht würden oft bewusst statt förmlicher Verträge rechtlich zunächst unverbindliche Vereinbarungen getroffen.

Diese wären schneller und einfacher abzuschließen, ihre Wirkung könnte aber im Ergebnis verbindlichen Abkommen gleichen. Schorkopf sieht in dem UN-Migrationspakt eine gewisse Überheblichkeit durchscheinen. So würde in dem Pakt getan, als wäre jemand, der Migration kritisch sieht, nur unzureichend informiert.

UN-Pakt unterdrückt die offene Diskussion zu Migration

Ihn stört, dass laut dem UN-Abkommen Medien finanziell schlechter gestellt werden sollen, die „Intoleranz“ gegenüber Migranten fördern. Schorkopf findet, man hätte auf den 34 Seiten des Paktes den Aspekt, welche Gefahren sich aus der Migration für die öffentliche Sicherheit in den Zielländern ergeben, schon etwas stärker gewichten können.

Schorkopf meint, wer in Duisburg oder Berlin-Neukölln wohnt, habe auch Rechte. Wenn dort die Kriminalität steigt, wenn es weniger bezahlbaren Wohnraum gibt, weil die Kommunen den für Flüchtlinge benötigen, oder wenn in den Grundschulen kaum noch Kinder sind, die Deutsch als Muttersprache beherrschen, dann hätte das auch Gewicht.

Der UN-Migrationspakt werde Deutschland verändern, denn sein Inhalt definiert worüber diskutiert werden könne oder dürfe. Alles was ihm zuwiderlaufen würde, gelte von vornherein als „ungehörig und nicht erwünscht“.

So würden die politischen Pflichten, die aus dem UN-Abkommen für die Staaten hervorgehen, Standpunkte zu Migrationsfragen entziehen, die bislang in politischen Debatten kontrovers gewesen wären. Behörden und Gerichte könnten solches „Soft Law“, wie es auch im UN-Migrationspakt enthalten ist, schon jetzt heranziehen, um geltendes Recht auszulegen.

UN-Pakt könnte sich auf Urteile der Arbeitsgerichte auswirken

Über das EU-Recht könnte sich dieser Effekt noch verstärken, wenn die EU-Kommission darauf Empfehlungen stützt, mit denen sich nationale Gerichte und Gesetzgeber auseinandersetzen müssen. So könnte sich der UN-Pakt auf Urteile der Arbeitsgerichte auswirken, führt der Staatsrechtler aus.

Denn der UN-Migrationspakt enthält die Pflicht, Bewerbungsverfahren „diskriminierungsfrei“ zu gestalten. Migranten können dann aufgrund einer gescheiterten Bewerbung Inhalte des UN-Abkommens heranziehen und vor dem Arbeitsgericht klagen.

Auch Sozialleistungen an Migranten müssten die Staaten laut dem UN-Abkommen „diskriminierungsfrei“ erbringen. Eine unterschiedliche Behandlung zu Einheimischen soll „verhältnismäßig“ sein, das würde wohl über bisherige Maßstäbe hinausgehen, so Schorkopf.

Es dürfte den Ländern und Kommunen außerdem schwerer fallen, die aufwendige und kostenintensive Betreuung minderjähriger Migranten gegenüber dem jetzigen Zustand zurückzufahren, ergänzt der Völkerrechtler.

Regierung hat Bringschuld, was das Informieren des Bundestages betrifft

Durch die politische Bindung an den UN-Migrationspakt nach seiner Unterzeichnung durch die Bundesregierung könnten Dinge, die mit dem Thema Migration zu tun haben, nicht mehr einfach geändert werden, selbst wenn sich hier die politischen Auffassungen dazu ändern sollten, erklärt Schorkopf.

Das führe zu einer Versteinerung politischer Gestaltungsmöglichkeiten und sei auch ein demokratisches Problem. Nachfolgende Parlamente können dann nichts mehr ändern, was eventuell als Fehler erkannt wurde. Das wiege umso schwerer, als es die Bundesregierung versäumt hätte, den Bundestag angemessen zu beteiligen, äußert der Rechtsgelehrte.

Zu der Aussage des Auswärtigen Amtes, dass sich Abgeordnete informieren und einbringen hätten können, meint Schorkopf, bestünde keine Holschuld bei den Abgeordneten, sondern eine Bringschuld der Regierung. Das heißt, die Bundesregierung hätte von sich aus den Bundestag möglichst umfassend informieren und beteiligen sollen, Stellungnahmen berücksichtigen und auch Bundestagsabgeordnete in die Verhandlungen aktiv miteinbeziehen.

„Der Pakt enthält einen gefährlichen Hebel, den selbst Juristen kaum beachten“

Zu der Entschließung der Regierungsfraktion meint der Völkerrechtler, dass dies immerhin ein Anfang sei, damit der Bundestag gegenüber der Bundesregierung stärker ins Spiel käme. Der Pakt enthielte allerdings einen gefährlichen Hebel, mit dem die Bundesrepublik künftig noch stärker in die Pflicht genommen werden könnte. Selbst Juristen hätten den kaum beachtet.

So bemühe der Pakt an mehreren Stellen eine sogenannte Shared Responsibility, eine gemeinsame Verantwortung. Das sei mehr als eine Floskel, dahinter stecke ein internationales Konzept, das gerade im akademisch-sozialpolitischen Werden sei und dessen Bedeutung weitgehend übersehen worden sei. Alle Staaten, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und internationalen Organisationen wären danach in der Pflicht, ein bestimmtes Problem gemeinsam zu lösen. Damit würde Deutschland in einem ganz anderen Rechtfertigungsrahmen stehen.

Wenn das einmal akzeptiert sei, käme man nur schwer wieder heraus. Verschiedene Akteure könnten daraus Pflichten entwickeln, die sehr weitreichend wären. Das könnte sein: Einwanderungskontingente auszuweiten, Herkunfts- und Transitländer finanziell zu unterstützen oder auch illegalen Immigranten einen legalen Status zu eröffnen. Nach dem Pakt wären alle Staaten dieser Erde zugleich Herkunfts-, Transit- und Zielländer von Migration. Es wäre ein Eine-Welt-Ansatz, der nicht das Empfinden eines Landes wie Deutschland trifft, das weit mehr Zielland als Herkunfts- oder Transitland für Migration sei.

Illegale Migration wird weitgehend ausgeblendet

Und Schrokopf erklärt: Die illegale Migration würde im UN-Migrationspakt weitgehend ausgeblendet werden – das ist wie der Elefant im Raum, über den keiner zu reden wagt. Aber das Ganze sei in einem größeren Zusammenhang internationaler Entwicklungspolitik zu sehen. Im Migrationspakt heißt es, er sei ein „Meilenstein“, aber nicht der „Endpunkt“.

Nach Meinung des Staatsrechtlers werden weitere Schritte folgen, vermutlich würden diese schon irgendwo vorbereitet. (er)



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