„Jetzt geht’s ans Butterbrot“ – Özdemir plant striktes Werbeverbot für „ungesunde Lebensmittel“

Der Werbebranche und der Lebensmittelindustrie stehen harte Zeiten bevor. Was demnächst ungesund ist und was nicht, wird anhand von Richtlinien der WHO entschieden.
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Mit der Begründung „zum Schutz der Kinder“ soll in Kürze ein Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel greifen.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 14. Juni 2023

Fett, Zucker, Zuckerzusatz, Süßungsmittel und Salz. Anhand der Inhaltsstoffe unserer Lebensmittel soll zukünftig darüber entschieden werden, ob dieses als „ungesundes Lebensmittel“ eingestuft wird und damit ein Werbeverbot für Kinder bis zum Alter von 14 Jahren zum Tragen kommt.

Obwohl das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Website für „gläserne Gesetze“ und Transparenz wirbt, bleibt der Gesetzentwurf zum geplanten Werbeverbot vorerst unter Verschluss. Auf eine Anfrage der Epoch Times vom 13. Juni berief sich eine Ministeriumssprecherin darauf, dass der Gesetzesentwurf nicht öffentlich sei.

Laut „Bild“ enthält ein aktueller Entwurf vom 12. Juni auch Werbeverbot für fast alle Molkereiprodukte. Bei Butter gilt der Höchstwert von 21 Gramm an gesättigten Fettsäuren. 100 Gramm Käse dürfen nur noch 17 Gramm Fett enthalten. Damit falle selbst der Bio-Gouda mit 27 Gramm Fett durchs Raster.

„Milch, Käse, Joghurt oder Quark gehören zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Es ist schlichtweg grotesk, wenn man solch wertvolle Nahrungsmittel mit Verboten überzieht“, kritisierte Bauernpräsident Joachim Rukwied. „So langsam reicht es mit der Ernährungsbevormundung!“

„Jetzt geht’s ans Butterbrot“, erklärte Gitta Connemann (59, CDU), Chefin der Mittelstandsunion. „Nun soll sogar die Werbung für Käse und Butter verboten werden. Verbraucher werden wie unmündige Kinder behandelt. Dabei gibt es kaum Besseres als eine Stulle mit heimischen Produkten.“

WHO gibt Regeln vor

Im Vorfeld hatte Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, den Gesetzentwurf mit den Worten begründet: „Kinder sind das Wertvollste, was wir haben – sie zu schützen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und auch die Verantwortung des Staates.“ Neben ausreichend Bewegung und entsprechenden Angeboten brauche es eine möglichst gesunde Ernährungsumgebung – mit „klaren Regeln“.

Was demnächst als „ungesundes Lebensmittel“ gelten soll, wird auf der Basis des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschieden. Schon im Juli 2013 hatten sich die Gesundheitsminister der WHO-Mitgliedstaaten verpflichtet, „mit entschlossenen Maßnahmen“ gegen Lebensmittelwerbung für Nahrung mit zu hohem Gehalt an Energie, gesättigten Fettsäuren, Transfettsäuren, freiem Zucker oder Salz vorzugehen.

Einen Modellversuch gab es seit 2015 in 13 Ländern: Belgien, Kroatien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Lettland, Portugal, Serbien, Slowenien, Spanien und Rumänien. Die analysierten Daten umfassten 108.578 Produkte.

Das neue Modell 2023 deckt laut WHO „alle Lebensmittel und alkoholfreien Getränke ab, die an oder für Kinder ab 36 Monaten vermarktet werden“. Ausgeschlossen sind Getränke, bei denen mehr als 0,5 Prozent der Gesamtenergie in Form von Alkohol vorliegt sowie Muttermilchersatzprodukte und im Handel erhältliche Beikost für Säuglinge und Kleinkinder. Auch Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel fallen nicht in die Bewertung.

„Da alle Schwellenwerte für zugesetzten Zucker auf 0 festgelegt sind, muss nur festgestellt werden, ob ein Produkt zugesetzten Zucker enthält, und nicht eine bestimmte Menge, um zu entscheiden, ob es für die Vermarktung an Kinder geeignet ist“, heißt es von der WHO.

Egal ob Schokolade, Müsli, Kuchen, Brot, Nudeln, Käse, Joghurt, Eis, Fleisch und Ähnliches, für all das könnte demnach in Zukunft das Werbeverbot greifen.

Ähnlich verhält es sich bei zuckerfreien Süßungsmitteln. Hier ist nicht eine bestimmte Menge entscheidend, sondern ob das Produkt Süßungsmittel enthält. Darunter fallen auch kalorienarme Süßungsmittel wie Xylitol, aber auch der künstliche Süßstoff Aspartam, der wegen seiner schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit längst in Kritik geraten ist.

Rechtsexperte: Werbeverbot ist verfassungs- und europarechtswidrig

Professor Dr. Martin Burgi, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat im Auftrag des Lebensmittelverbands und des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft im April 2023 ein Gutachten zu dem ihm vorliegenden Referentenentwurf des Ministeriums vom 14. Februar erstellt. Sein Urteil ist vernichtend: „Der Gesetzentwurf zu Werbeverboten ist verfassungs- und europarechtswidrig.“

Der Gesetzentwurf vom 14. Februar enthalte ein komplexes System von Verboten, „das die Werbung für ca. 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel erfassen würde“.

Es umfasse ein sehr weitreichendes Teilverbot, das auch Werbemaßnahmen gegenüber Erwachsenen betreffe, etwa im Zusammenhang mit Sportereignissen sowie allen Fernsehsendungen bis 23 Uhr.

Verwaltungsbehörden werden zur „Meinungspolizei“

Für den Wissenschaftler geht das geplante Werbeverbot zu weit und schieße auch über den im Koalitionsvertrag festgelegten Rahmen hinaus. Er sieht die „Gefahr eines Dammbruchs“, da das Verbot einen erheblichen Eingriff in die Wirtschaftsgrundrechte der Werbeunternehmen und Hersteller sowie Vertreiber von Lebensmitteln bewirke.

Rein monetär ausgedrückt, stehe ein Volumen der Bruttowerbeinvestitionen im Umfang von rund 3,3 Milliarden Euro infrage. „Bislang als vollkommen unproblematisch als Teil der Alltagskultur wahrgenommene Äußerungen wären mit Inkrafttreten des Verbotssystems untersagt und mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen belegt“, stellt Burgi klar. Die zuständigen Verwaltungsbehörden würden unweigerlich zu einer Art „Meinungspolizei“.

Verbot trotz mangelnder Datenlage

Aus Sicht des Professors gibt es mehrere mindestens ebenso geeignete alternative Lösungsansätze, darunter konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der zahlreichen belegten Ursachenfaktoren für Übergewicht und Adipositas, vor allem „in den unmittelbar staatlich beherrschten Aktionsräumen, in denen sich Kinder heute bewegen“. Er kritisierte zudem, dass es an belastbaren Studien über die Auswirkungen eines solchen Werbeverbots mangelt.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beruft sich insoweit auf Aussagen des Max Rubner-Instituts. „Robuste wissenschaftliche Übersichtsarbeiten“ seien zu dem Schluss gekommen, dass Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt eine unausgewogene Ernährung bei Kindern und Jugendlichen begünstigen.

„Umgekehrt sei der Nachweis, dass Verbote solcher Werbung zu einem ausgewogeneren Ernährungsverhalten führen, zwar schwierig, da die Ernährung von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst wird. Nichtsdestotrotz konnten wissenschaftliche Studien günstige Effekte von Werbeverboten für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt im Sinne einer ausgewogeneren Ernährung von Kindern und Jugendlichen zeigen“, so das Ministerium.

Ohne Details zu nennen, würde die wissenschaftliche Literatur bestätigen, dass für eine bestmögliche Wirksamkeit entsprechende Werbeverbote Kinder und Jugendliche möglichst umfassend schützen sollten.

Laut Ministerium wird der Gesetzentwurf zunächst mit den anderen Ressorts der Regierung abgestimmt, sodann mit den Ländern und Verbänden konsultiert und anhand der eingereichten Stellungnahmen ausgewertet, bevor er der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt wird. Erst wenn der Bundestag den Entwurf verabschiedet, kann er in Kraft treten.



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