EU-Finanzminister: Entscheid über Corona-Bonds vertagt – mit Zwischenlösung

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die EU-Finanzminister auf ein Hilfspaket in der Corona-Krise verständigt. Mit einer halben Billion Euro sollen Mitgliedstaaten, Unternehmen und Arbeitnehmer unterstützt werden. Gleichzeitig vereinbarten sie Arbeiten an einem „Wiederaufbaufonds“ für die Zeit nach der Krise, allerdings ohne Finanzierung und Umfang zu regeln.
Von 10. April 2020

Am Donnerstagabend (09.04.) einigten sich die EU-Finanzminister in einer Videokonferenz auf ein Corona-Hilfspaket von 500 Milliarden Euro. Zuvor am Mittwochmorgen wurden die Verhandlungen nach einer 16-stündigen Verhandlung zunächst unterbrochen.

Uneinig waren sich die EU-Finanzminister bislang über das Wie des Hilfspaketes. Einige Staaten, unter anderem Italien und Frankreich, forderten Corona-Bonds. Außerdem war Italien mit den strengen Bedingungen des Euro-Rettungsfonds ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) nicht einverstanden. Deutschland, Frankreich und Spanien hatten deswegen am Donnerstag (09.04.) mit Italien und den Niederlanden über Stunden einen Kompromisstext ausgearbeitet. Noch nicht alle Punkte sind geklärt.

Vorsorgliche Kreditlinien über 240 Milliarden Euro

Insgesamt umfasst das Krisenpaket drei Teile: Neben Kreditzusagen des ESM von bis zu 240 Milliarden Euro gehören dazu Darlehen der Europäischen Investitionsbank für Firmen von bis zu 200 Milliarden Euro sowie weitere 100 Milliarden Euro zur Förderung von Kurzarbeit, um Entlassungen in der Krise zu verhindern.

Jedes Land der Währungsunion kann auf zinsgünstige Darlehen des ESM von bis zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung zurückgreifen. Italien und Spanien dürfte dies besonders nützlich sein, denn die beiden Staaten sind nach Angaben von „Gisandata“ (Stand 10.04., 8:19 Uhr) am zweit- und drittstärksten von der Corona-Pandemie betroffen und zudem hoch verschuldet. Im Falle von Italien wären dies 36 Milliarden Euro (AFP) beziehungsweise 39 Milliarden („Reuters“) und 25 Milliarden Euro für Spanien.

Die Gelder sollen Eurogruppen-Chef Mario Centeno zufolge schon in zwei Wochen zur Verfügung gestellt werden können, berichtete „Reuters“. Derzeit sei nicht bekannt, wie viele Staaten davon Gebrauch machen werden.

Der Kompromiss der EU-Finanzminister sieht nunmehr als einzige Voraussetzung vor, dass die Gelder für das Gesundheitssystem eingesetzt werden, nämlich nur für die „Finanzierung der direkten und indirekten Kosten für Gesundheitsversorgung, Heilung und Prävention“ im Zusammenhang mit der Pandemie.

Garantiefonds für Unternehmenskredite

Ähnlich wie die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau soll die Europäische Investitionsbank (EIB) Firmen in der Krise mit zusätzlichen Krediten von bis zu 200 Milliarden Euro unterstützen. Im Fokus sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen stehen.

Nötig dafür sind Garantien der Mitgliedstaaten von 25 Milliarden Euro, damit die EIB das Geld an den Finanzmärkten aufnehmen kann. Vorteil sind auch hier günstige Kreditkonditionen für die Unternehmen. Denn die EIB kann wie der ESM wegen eines Top-Ratings günstig Geld beschaffen.

Europäisches Kurzarbeitergeld „Sure“

Ein bis zu 100 Milliarden Euro schweres Programm soll Kurzarbeit unterstützen und Selbstständigen helfen. Damit sollen Massenentlassungen und Firmenpleiten verhindert werden. Zur Finanzierung des „Sure“ getauften Programms will die EU-Kommission selbst an den Finanzmärkten Geld aufnehmen, die dann als günstige Kredite weitergegeben werden.

Dafür sollen die Mitgliedstaaten Garantien über 25 Milliarden Euro geben. Die Finanzminister stellten Garantien in Aussicht, legten sich bei der Höhe aber nicht fest. Sie betonten gleichzeitig, dass das Programm „so weit wie möglich“ aus dem EU-Haushalt finanziert werden soll.

Wiederaufbaufonds in Form von Corona-Bonds?

Italien und weitere Befürworter der Corona-Bonds könnten indes nun doch noch weiter auf deren Kommen hoffen. Denn die EU-Finanzminister haben sich auch auf ein „Wiederaufbauprogramm“ für nach der Krise geeinigt, wobei Volumen und Finanzierung noch offen sind. Es könnten aber ebenfalls 500 Milliarden Euro werden, sagte der Französische Finanzminister Bruno Le Maire, wie „Reuters“ berichtete.

Ob es sich dabei um Corona-Bonds handle oder nicht, legen die Staaten laut „Reuters“ unterschiedlich aus. Im Text der EU-Finanzminister heißt es: Auch „innovative finanzielle Instrumente“ seien nicht ausgeschlossen, sofern diese „im Einklang mit den EU-Verträgen stehen“.

Le Maire zufolge seien „innovative Finanzinstrumente“ als „gemeinsame Schulden“ zu betrachten. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel widersprach Le Maire: Eine „Hintertür für Corona-Bonds“ dürfe es wie „derzeit genannt“ nicht geben. Ebenso äußerte sich der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra. Die Befürchtung ist, dass die Staaten eine gesamtschuldnerische Haftung treffe, so Reuters weiter.

Eine gesamtschuldnerische Haftung, wie sie bei Corona-Bonds der Fall wäre, würde laut dem Wirtschaftsweisen Lars Feld bedeuten: „Gesamtschuldnerisch heißt, für die volle Summe einer so gegebenen Anleihe muss ein einzelner Schuldner für den Gläubiger einstehen“, sagte Feld im Interview mit dem „Bayerischen Rundfunk“. Und weiter:

Und dann muss er sehen, wie er sich intern die Mittel zurückholt von den anderen Mitgliedsstaaten.“

Italien und acht andere Länder hatten bislang Corona-Bonds vorgeschlagen. Deutschland und die Niederlande lehnen solche Bonds ab. Zur Frage des Wiederaufbaufonds sollen die EU-Staats- und Regierungschefs demnächst einen weiteren Gipfel per Videokonferenz abhalten.

(mit Material von AFP)



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