Scholz: Die Hamas verbieten, Antisemitismus bestrafen, Geldleistungen einfrieren

Die Hamas und ihr nahestehende Vereine sollen in Deutschland verboten werden. Geldleistungen sollen auf den Prüfstand und Antisemitismus soll nicht mehr länger geduldet werden. Das hat Bundeskanzler Scholz im Rahmen seiner Regierungserklärung angekündigt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 12. Oktober bei seiner Regierungserklärung zur Lage in Israel
„Liebe Freundinnen und Freunde in Israel, wir trauern und wir bangen mit euch“: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung zur Lage in Israel.Foto: Bildschirmfoto/Bundesregierung.de
Von 12. Oktober 2023

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am 12. Oktober im Bundestag seine Regierungserklärung zum Krieg in Israel abgegeben: „Liebe Freundinnen und Freunde in Israel, wir trauern und wir bangen mit euch“, sagte Scholz, nachdem er einige jener Gräueltaten geschildert hatte, die seit dem 7. Oktober vonseiten der Hamas verübt wurden.

Es gebe nichts, was „den Terror der Hamas“ rechtfertigen könne, sagte Scholz in Anwesenheit des israelischen Botschafters Ron Prosor: „Da gibt es auch nichts zu relativieren.“ Israel habe „das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich und seine Bürgerinnen und Bürger gegen diesen barbarischen Angriff zu verteidigen und die Sicherheit in und für Israel wiederherzustellen.“ Die deutsche Regierung habe Israel deshalb ihre Unterstützung angeboten:

In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz: den Platz an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.“

Scholz versprach, auch „mit diplomatischen Mitteln“ für eine friedliche Zukunft Israels zu „ringen“. Deutschlands Solidarität werde sich aber nicht nur in Worten erschöpfen. Vor Ort werde man beispielsweise bei der Versorgung verwundeter Menschen helfen. „Aber auch andere Unterstützungsbitten Israels werden wir unverzüglich prüfen.“

Die Hamas verbieten, Antisemitismus bestrafen

Scholz kündigte an, Betätigungsverbote für die Hamas und Hamas-nahe Vereine aussprechen zu lassen. Auch das palästinensische Netzwerk Samidoun wolle er verbieten lassen. „Unser Vereinsrecht ist ein scharfes Schwert“, so Scholz.

Die Regierung werde „Hass und Hetze“ gegen Israel nicht tatenlos hinnehmen, kündigte Scholz an. Man werde vielmehr nach der Devise „Null Toleranz gegen Antisemiten“ handeln. Es gelte, „jeden zur Rechenschaft ziehen“, der dagegen verstoße, und zwar „mit allen Mitteln, die unser wehrhafter Rechtsstaat bietet“, sagte Scholz. Die Sicherheitsbehörden würden all das „mit aller Konsequenz durchsetzen“. (Video auf „Bundesregierung.de“)

Der israelische Botschafter Ron Prosor (r.) auf der Ehrentribüne des Plenarsaals.

Der israelische Botschafter Ron Prosor (r.) auf der Ehrentribüne des Plenarsaals. Foto: Bildschirmfoto/Bundesregierung.de

Geldleistungen auf Eis gelegt

Scharfe Worte richtete Scholz auch gegen die palästinensische Autonomiebehörde und ihren Präsidenten Mahmud Abbas: „Wo bleibt die Verurteilung der Gewalt?“, fragte Scholz und nannte das Schweigen „beschämend“. Was die Geldleistungen für die Entwicklungszusammenarbeit angehe, müsse nun „alles auf den Prüfstand“. Bis die Überprüfungen abgeschlossen seien, würden „keine neuen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit“ mehr bereitgestellt.

Auch für die Menschen in den Palästinensergebieten, insbesondere im Gazastreifen, hatte Scholz eine Botschaft parat: „Die Hamas bietet Ihnen nichts als Armut und Leid“, rief Scholz ihnen zu. Eine Zusammenfassung der Regierungserklärung finden Sie auf der Webseite der Bundesregierung.

Ansage an Iran und Libanon

Mit Blick auf den gesamten Nahen Osten, insbesondere auf den Libanon, stellte der Kanzler klar, dass es „ein unverzeihlicher Fehler“ sei, „Israel anzugreifen“. Die „Führung in Teheran“ habe bereits „ohne Scham ihr wahres Gesicht“ gezeigt. „Handfeste Belege“ dafür, ob der Iran die Hamas-Angriffe „konkret und operativ unterstützt“ habe, lägen zwar noch nicht vor. „Ohne iranische Unterstützung über die letzten Jahre“ aber „wäre die Hamas zu diesen präzedenzlosen Angriffen auf israelisches Territorium nicht fähig gewesen“, meinte Scholz.

Klar sei für ihn auch, dass die anti-israelische Hisbollah-Organisation im Süden des Libanon „nicht in die Kämpfe eingreifen“ dürfe. Ansonsten drohe „ein verheerender Flächenbrand mit Auswirkungen nach Nordafrika und den Jemen“.

„Alle Kontakte nutzen“

Forderungen, nach denen er sein Treffen mit dem Hamas-freundlichen Emir von Katar am Mittag hätte absagen müssen, erteilte Scholz eine Absage: „Es wäre unverantwortlich, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen können. Wir tun das in enger Abstimmung mit Israel.“ Aus dem gleichen Grund werde er in der nächsten Woche auch den jordanischen König empfangen. Außerdem werde er noch mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan sprechen. Zum ägyptischen Staatschef al-Sisi stehe er bereits in Kontakt.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion Michael Kruse hatte im „Zeit“-Interview verlangt, die erst 2022 unter Robert Habeck (Grüne) beschlossene Energiepartnerschaft mit Katar unverzüglich auf Eis zu legen: „Mit dieser indirekten Terrorfinanzierung muss Schluss sein.“ Als Alternative solle man lieber die eigene Gas- und Ölförderung in Deutschland ausweiten.

Alle Abgeordneten „fest an der Seite Israels“

Während der anschließenden Aussprache im nicht vollständig besetzten Plenum herrschte eine sonst selten zu beobachtende Einigkeit unter fast allen Rednern: Abgeordnete aller Fraktionen verurteilten die Angriffe der Hamas und antisemitische Töne aufs Schärfste, versicherten Israel ihrer Freundschaft und Solidarität und betonten dessen „Recht auf Selbstverteidigung“.

Ein entsprechender „Entschließungsantrag“ (BT-Drucksache 20/8736, PDF), den die Fraktionen von SPD, Union, Grünen und FDP gemeinsam eingereicht hatten, wurde im Anschluss einstimmig angenommen – auch mit den Stimmen der Linken und der AfD. Die Bundesregierung steht damit in der Pflicht, Israel die „volle Solidarität und jedwede Unterstützung zu gewähren“.

Merz will hart durchgreifen

Als erster Redner nach dem Kanzler trat der CDU-Parteichef und Oppositionsführer Friedrich Merz ans Pult. Er schlug vor, anti-israelische Demonstrationen zu verbieten und das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) zu schließen. Außerdem müsse der Geldhahn für bestimmte Menschen oder Gruppen konsequent abgedreht werden: „Wer Israel vernichten will oder den Holocaust verharmlost, der darf kein deutsches Steuergeld erhalten.“

Armin Laschet (CDU) sprach gar von einer neuen „Zeitenwende“: Nun müsse „alles auf den Prüfstand“, was die deutsche Palästinenserpolitik bislang ausgemacht habe. Das „Gastrecht für die Führung der Hamas“ müsse jedenfalls beendet werden.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU) deutete eine Abschiebeoffensive an: „Wer den Hamasterror befeuert und Gast in diesem Land ist, der hat in diesem Land nichts mehr verloren.“ Denn jemand, der hierzulande für die Hamas sympathisiere, sei „kein Aktivist, sondern ein Terrorunterstützer“. Und „wer die Israel-Flagge zerstört und verbrennt“, der wolle „in Wahrheit den Staat Israel zerstören“.

FDP will neuen Umgang mit dem „Mullahregime im Iran“

Eine ähnlich klare Botschaft schickte auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dörr in Richtung jener Menschen, die die Angriffe der Hamas gefeiert hatten: „Wer zu uns nach Deutschland kommt, um auf den Straßen gegen jüdisches Leben zu hetzen, ist in unserem Land nicht willkommen“. Auch von den „muslimischen Verbänden“ erwarte er eine „klare Haltung und Distanzierung von der Gewalt der Hamas“.

Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FDP, schlug vor, die Geldzahlungen für palästinensische Organisationen zu prüfen und gegebenenfalls einzustellen: Geld dürfe nur dann fließen, wenn das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werde. Außerdem plädierte Djir-Sarai für einen neuen Umgang „mit dem Mullahregime im Iran“. Deutschland und die EU sollten sich dafür einsetzen, dass die „islamistischen Revolutionswächter“ auf der Terrorliste der EU auftauchten.

Bartsch: „Kein Freiheitskampf, sondern Barbarei“

Auch Dietmar Bartsch von den Linken prangerte den Jubel, der sich nach den Terrorattacken unter anderem im Berliner Stadtteil Neukölln, in Katar und Tunesien erhoben hatte, als „furchtbare Beispiele dieses Judenhasses“ an. Die Aktionen der Hamas, so Bartsch, bedeuteten keinen „Freiheitskampf, sondern Barbarei“.

Im Gazastreifen, wo die Mehrheit aus Kindern und älteren Menschen bestehe, würde die Hamas diese Leute „als Schutzschilde“ missbrauchen.

SPD: Erst prüfen, dann kürzen

Gabriela Heinrich (SPD), die Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, schloss sich dem Kanzlergedanken an, erst zu prüfen, ob es bei den Geldleistungen für palästinensische Gebiete eine Zweckentfremdung gebe. Erst danach solle man entscheiden, was gekürzt werden könne. Heinrich gab zu bedenken, dass „viele Palästinenser“ auf die Hilfsgelder angewiesen seien. Lars Klingbeil (SPD) schloss daran an: Man müsse auch jenen Menschen Schutz geben, die auf palästinensischer Seite von der Hamas bedroht seien. Generell gehe es der Hamas ums Erzielen von „Hass und Leid“.

Klingbeils Parteikollege Rolf Mützenich erklärte sein Vertrauen in die Fähigkeit Israels, „eigene Versäumnisse und Fehler aufzurechnen“. Deutschland werde gerne seinen Beitrag leisten, wenn es um Geiselverhandlungen gehe und diplomatische Hilfe gefragt sei.

Nouripour glaubt an Iran als Strippenzieher

Omid Nouripour, der Co-Parteichef der Grünen, sprach von einer „internationalen Verschwörung“, die gerade gegen Israel laufe. Er habe den Verdacht, „dass der Iran das alles koordiniert – von Jemen bis Afghanistan“. Es gebe „keine Äquidistanz zu niemandem“ betonte Nouripour, „wir stehen nur an der Seite Israels“. Leuten, die nun „Hass und Hetze“ betrieben, rufe er zu: „Lang lebe Israel!“ Agnieszka Brugger (Grüne) sprach sich dafür aus, dass jene Menschen „die vollste Härte unseres Rechtsstaats treffen“ solle, die das Existenzrecht Israels infrage stellten.

AfD will Gelder sofort streichen

Alexander Gauland von der AfD-Fraktion forderte, sämtliche deutsche Zahlungen an Palästinenserorganisationen sofort einzustellen. Es sei schon ein „Skandal“, dass womöglich „ein Teil der Raketen von deutschem Steuerzahler“ bezahlt worden sei. Es sei „naiv“, zu glauben, dass die Geldleistungen „ausschließlich in humanitäre Projekte“ flössen, sagte Gauland in Richtung von Außenministerin Baerbock.

Gaulands Parteikollege Jürgen Braun kritisierte die Regierung dafür, dass sie Antisemiten „ungestört“ nach Deutschland habe „einreisen lassen“. Matthias Moosdorf (AfD) erinnerte unter anderem daran, dass die SPD-Jugendorganisation „Jusos“ die palästinensische Fatah-Jugend zu ihrer „Schwesterorganisation“ erklärt hatte.



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