Streit um Verbrennerverbot: Harte Kritik an Weigerung der Ampel
Vertreter verschiedener europäischer Länder haben die deutsche Bundesregierung scharf kritisiert. Anlass ist die kurzfristige, aber anhaltende Weigerung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), die jahrelang ausgearbeitete EU-Gesetzesvorlage für ein Verkaufsverbot von Verbrenner-Neuwagen ab 2035 mitzutragen. Er favorisiert eine Lösung, bei der zumindest E-Fuel-betriebene Fahrzeuge noch eine Zukunft hätten.
Wissings Nein zur EU-weiten Neuregelung der CO₂-Flottengrenzwerte hatte ebenso wie der Widerstand aus Italien, Polen und Bulgarien dafür gesorgt, dass der als „Formalie“ gedachte finale Beschluss nicht schon am 7. März getroffen werden konnte, wie es ursprünglich geplant war.
Ein neuer Termin für die Abstimmung wurde nach Agenturangaben immer noch nicht gefunden.
Viele EU-Länder sauer auf deutsche Ampel
Die spanische Vize-Regierungschefin Teresa Ribera gab sich nach Informationen der Zeitung „Welt“ äußerst unzufrieden: Es dürfe nicht sein, dass irgendwann andere EU-Staaten Wissings Praxis folgten und Gesetze noch kurz vor einer entscheidenden Abstimmung blockierten.
Clément Beaune, der beigeordnete französische Verkehrsminister, warnte laut „Welt“ davor, im Ehrgeiz für ein Verbrennerautoverbot zu erlahmen: „Andernfalls werden wir ökologisch und industriell weggefegt“, so der Franzose.
Ein namentlich nicht genannter EU-Diplomat erinnerte die Bundesregierung an ihre „besondere Verantwortung“ innerhalb Europas. Ein solches Verhalten wie jetzt habe man sich vielleicht von der ungarischen Regierung Viktor Orbáns, nicht aber aus Deutschland erwartet. Es sei allerdings nicht das erste Mal, dass die Ampelregierung innerhalb der EU als „zerstritten“ wahrgenommen werde: Ähnliches habe man bereits bei den Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter erlebt.
Berlin könne es sich bei der aktuellen Weltlage jedenfalls nicht leisten, einen „engstirnigen nationalen Ansatz in der EU zu verfolgen“, so der Diplomat. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe es anders als seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) wohl nicht verstanden, dass es gerade im Interesse Deutschlands als größtem Mitglied und der größten Volkswirtschaft der Europäischen Union sei, eine „gut funktionierende“ EU zu haben, kritisierte der anonyme Diplomat.
Eine weitere Diplomatin der EU habe gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) von einem „Vertrauensbruch“ gesprochen. Immerhin seien die Verhandlungen in gewohnter Manier abgelaufen und die deutschen Bedenken seien dabei berücksichtigt worden. Hätte Deutschland auf EU-Ebene noch Einwände vorzubringen gehabt, so hätte dies früher geschehen können, habe die Diplomatin getadelt. Nun werde man sich innerhalb der EU stets fragen, „was ein Abkommen mit Deutschland überhaupt noch wert“ sei. All das sei „höchst bedenklich.“ Die Diplomatin habe „koalitionsinterne Streitigkeiten“ als Hintergrund von Wissings Veto vermutet.
Auch andere EU-Vertreter hatten Wissings Ablehnung bereits kurz nach Bekanntwerden kritisiert.
Grüne Umweltministerin hofft auf Gespräche
Auch innerhalb der Ampelregierung gibt es Unmut über Wissings Weigerung, den EU-Beschlüssen widerstandslos zuzustimmen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erinnerte den liberalen Verkehrsminister im Einklang mit den EU-Kritikerstimmen daran, dass Deutschland „im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben“ solle. Das berichtet unter anderem der „Bayerische Rundfunk“ unter Berufung auf das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Die geplante Neuregelung sei „ein großer Fortschritt für den europäischen Klimaschutz – wir dürfen sie nicht in letzter Minute gefährden“, zitiert die „Welt“ die Ministerin. Derzeit liefen „intensive Gespräche auf allen Ebenen, um eine gute Lösung zu finden“ – und zwar koalitionsintern und im Austausch mit der EU-Kommission.
Wissing, FDP-Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, seine Parteikollegen und Bundeskanzler Olaf Scholz sind der Meinung, dass es die Aufgabe der EU-Kommission sei, nachzubessern. Die Unionsfraktion im Bundestag unterstützt ebenfalls die „Technologieoffenheit bei Antrieben und E-Fuels als alternative Kraftstoffe für Autos mit Verbrennermotoren“.
Lange Vorgeschichte
Das Verkaufsverbot von Neuwagen mit direktem CO₂-Ausstoß ab 2035 war bereits im Juli 2021 auf die Tagesordnung in Brüssel gesetzt und danach immer wieder diskutiert worden.
Schon im Juni 2022 hatte die Bundesregierung auf Betreiben des FDP-Koalitionspartners die EU-Kommission darauf gedrängt, einen Vorschlag zu erarbeiten, der auch E-Fuel-betriebene Neufahrzeuge berücksichtigen sollte, weil auch diese synthetisch hergestellten Kraftstoffe als „klimaneutral“ betrachtet werden könnten. Die Kommission schlug einen entsprechenden Passus vor – doch der umfasste nach Agenturangaben keine Privat-PKW, sondern lediglich Sonderfahrzeuge wie etwa Feuerwehrautos.
Im Oktober 2022 einigte sich das Europaparlament mit anderen Vertretern der jeweiligen EU-Länder trotzdem auf einen Gesetzentwurf. Im November 2022 sollen sich nach „Spiegel“-Recherchen auch weitere deutsche Ministerien für dessen Annahme ausgesprochen haben. Am 14. Februar 2023 übersprang der Text dann erneut die Hürde des EU-Parlaments.
Somit war lediglich noch ein formales Hindernis zu bewältigen, das die verbindliche Gesetzeskraft für alle EU-Staaten verhinderte: Der abschließende EU-Beschluss sollte am 7. März 2023 bei einem Treffen der EU-Bildungsminister in Brüssel über die Bühne gehen.
Wissings plötzliches Veto
Dass es vor rund einer Woche nicht dazu kam, lag hauptsächlich an Wissings plötzlichem Nein, das er erst kurz vor der Abstimmung Ende Februar 2022 angekündigt hatte. Als Begründung nannte Wissing, dass man sich für eine „klimaneutrale Mobilität […] alle technologischen Optionen“ offenhalten müsse. Dazu gehörten eben auch nach Wissings Meinung nicht nur synthetische Kraftstoffe, selbst wenn diese relativ viel Energie bei ihrer Herstellung verschlingen.
Man könne es sich aber gar nicht erlauben, auf E-Fuels zu verzichten, denn für den Flugverkehr, für Seeschifffahrt und für die Bestandsflotte gebe es keine Alternative, sagte Wissing nach einem Bericht des Onlinemagazins „automobil-industrie.vogel.de“. E-Fuels eigneten sich dauerhaft dafür, Verbrennungsmotoren zu betreiben, „ohne das Klima zu gefährden.“
„Wir wollen eine Flottengrenzwertregulierung, die technologieoffen ist“, bekräftigte Wissing seine Forderung jüngst am 11. März gegenüber der dpa, wie das Onlinemagazin „Heise.de“ berichtete. „Die EU-Kommission ist am Zug, das hat die Bundesregierung deutlich gemacht“. Trotz Zusage der EU liege noch immer kein akzeptabler Vorschlag zum Thema E-Fuels vor. „Deswegen ist die Sache für uns nicht zustimmungsreif.“
Wissing weiter: „Wir haben die EU-Kommission ja schon Ende vergangenen Jahres gebeten, einen Vorschlag zu machen und haben gesagt, wir halten das nicht auf, bis der Vorschlag auf dem Tisch liegt“. Seitdem seien „ein paar Monate vergangen“, aber noch nicht entsprechend reagiert worden. „Jetzt stehen wir so ein bisschen am Anfang, diesen Vorschlag zu erarbeiten, und deswegen können wir uns nicht unter Zeitdruck setzen, aber ich bin der Meinung, es sollte bald ein Ergebnis vorliegen.“ Sobald die EU-Kommission ihre Zusage erfüllt habe, sehe er „keine Schwierigkeiten“ mehr.
Ampel ließ E-Fuels erst vor Kurzem zu
Die Ampelparteien hatten sich erst vor wenigen Wochen auf die Zulassung von synthetischen Kraftstoffen für Verbrenner in Deutschland geeinigt. Bis dahin war das Tanken von E-Fuels, die unter Einsatz von Strom meist aus Wasser und CO₂ hergestellt werden, in Reinform rechtlich nicht möglich gewesen. Die AfD setzt sich schon länger für die Technik ein.
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