Windkraftanlagen sind grün – aber nicht recycelbar

20 Jahre nach Inbetriebnahme endet in den nächsten Jahren die Förderung unzähliger Windkraftanlagen. Bis heute gibt es jedoch kein industrielles Verfahren zum Recycling der Rotorblätter. In den USA stapeln sie sich deshalb auf Mülldeponien – in Europa müssen sie verbrannt werden.
Von 3. Juli 2020

Große Teile, große Probleme: Während viele „innere Werte“ von Windkraftanlagen wieder oder weiter verwendet werden können, ist nach 20 Jahren EEG immer noch unklar, was beispielsweise mit ausgedienten Rotorblättern geschehen soll.

Bis heute gibt es kein industrielles Verfahren zum Recycling von faserverstärkten Verbundwerkstoffen wie Fiberglas oder GFK/CFK, sodass Zehntausende Rotorblätter nach dem Ende ihrer grünen Laufbahn in der Landschaft vergraben werden und auf Friedhöfen für Windkraftanlagen ihre letzte Ruhe finden.

7.000 Jahre Windkraftnutzung

Um mögliche Klimaveränderungen durch die Verbrennung fossiler Energieträger abzuschwächen, haben sich sowohl Unternehmen als auch Regierungen zu Klimamaßnahmen verpflichtet. Während einige ihre Prozesse effektiver gestalten wollen, möchten andere ihre Energie ausschließlich aus regenerativen Quellen beziehen. Windenergie ist dafür – zumindest in der Anschaffung – einer der günstigen Möglichkeiten.

Die ersten „Windkraftanlagen“ existierten lange vor der Debatte um die Klimarettung. Der früheste Nachweis befindet sich auf einer Totenurne aus Luxor aus dem Jahr 5.000 v. Chr. Aus den ersten primitiven Tüchern entwickelten sich nach und nach Segel, wie wir sie heute kennen. Segeltuch bespannte dabei auch Windmühlenflügel im Mittelalter.

Obwohl Segelschiffe und (Holländer-)Windmühlen ebenfalls die Kraft des Windes nutzen, erfüllt erst das 1854 entwickelte Westernwindrad die anfänglichen Anforderungen moderner Windkraftanlagen. Aufgrund ihrer Bauweise drehen sich die Westernräder eher langsam, können mit ihrem verhältnismäßig hohen Drehmoment jedoch Pumpen für Bergwerke oder zur Bewässerung autark betreiben. Windfahnen und -klappen sorgen zudem dafür, dass sich die Anlagen selbstständig in den Wind drehen und ab etwa Windstärke 7 „abschalten“.

Windkraftanlagen sind grün, aber nicht recycelbar.

Ein Western-Windrad in Haßloch, Deutschland. Foto: Georg Slickers / Wikimedia Commons

Erste moderne Windkraftanlagen entstanden ab 1973, als ein arabisches Ölembargo westliche Regierungen zwang, andere Energiequellen zu finden. Die ersten Windparks folgten 1980 in New Hampshire (USA), 1982 auf Kythnos (Griechenland) und 1987 an der deutschen Nordseeküste. Seit der Jahrtausendwende erobern Windkraftanlagen zunehmend die Meere und werden immer größer.

12.000-fache Leistungssteigerung in den letzten 150 Jahren

Wind ist die Ausgleichsbewegung der Luft zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten und seine Nutzung emissionsfrei. Herstellung, Montage und Entsorgung von Windkraftanlagen erfordern jedoch Energie. Über die Lebensdauer der Anlage hinweg erwirtschaften Windkraftanlagen ein Vielfaches der ursprünglich aufgewendeten Energie. Zudem können laut „Bloomberg“ etwa 85 Prozent der Turbinenkomponenten, wieder- oder weiterverwendet werden. Während Stahl, Kupferdraht, Elektronik und Getriebe nahezu verlustfrei recycelt werden, ist die Zukunft der Flügel ungewiss.

Nach Angaben des Bundesverbands Windenergie (BWE) standen Ende 2019 auf dem Festland 29.456 Anlagen sowie 1.469 Windkraftanlagen in deutschen Gewässern. Die installierte Gesamtleistung beträgt 53.912 MW an Land und 7.369 MW auf See. Damit könnten – rechnerisch – knapp 50 Millionen Haushalte versorgt werden.

Mit über 100 Meter Rotorlänge erreichen die aktuell größten Einzelanlagen 12 MW elektrische Leistung und können etwa 10.000 Haushalte mit Strom versorgen. Noch größere Anlagen befinden sich in der Entwicklung. Im Vergleich dazu wirken Western-Windräder mit 20 Meter Höhe, drei bis fünf Meter Rotordurchmesser und 1 kW Leistung geradezu winzig.

20 Jahre nach Inbetriebnahme endet in den nächsten Jahren die EEG-Förderung unzähliger deutscher Windkraftanlagen. Zu diesem Zeitpunkt haben Betreiber grundsätzlich drei Möglichkeiten:

1. Ohne Förderung weiter betreiben.

2. Die alte Anlage am selben Standort durch eine neue, leistungsstärkere ersetzen.

3. Abbauen und entsorgen.

4. Verkaufen.

Windkraftanlage für 1 Euro zu verkaufen

Den geringsten Aufwand erfordert zunächst die erste Lösung. Aufgrund des aktuellen Börsenstrompreises ist der Verkauf des Stroms ohne Förderung jedoch nicht rentabel. Zudem erhöhen sich mit zunehmendem Alter der Anlage die Wartungskosten. Um die Anlage kostenneutral zu betreiben, sind etwa 4 ct/kWh erforderlich, der aktuelle Börsenpreis liegt bei ungefähr 1 ct/kWh. Eine weiterführende Förderung wurde laut „Die Zeit“ bisher nicht beschlossen.

Sowohl Neu- als auch Abbau erfordern die kostenintensive Entsorgung. Weltweit gibt es nur eine Handvoll Firmen, die faserverstärkte Kunststoffe verwerten und beispielsweise neue Formteile herstellen können. Die Größe der Rotorblätter macht Langstreckentransporte jedoch extrem teuer, sodass Energieversorger andere Wege suchen.

Die vierte Möglichkeit: Verkaufen. Viele europäische Windkraftanlagen sind gut gewartet und können Schätzungen zufolge noch zehn bis 20 Jahre grünen Strom erzeugen – in Polen, Weißrussland, Rumänien, Bulgarien oder Chile. In diesem Zusammenhang berichtet „Die Zeit“ von einer Windkraftanlage, die für einen Euro verkauft wurde. Der Käufer, ein Unternehmen aus Litauen, kümmert sich um Abbau und „Entsorgung“ – in diesem Fall den Transport nach Italien. Dort wird die Anlage wieder aufgebaut.

In Ermangelung einer wirtschaftlichen Alternative – oder geringer Nachfrage nach alten, kleinen Windkraftanlagen – entscheiden sich jedoch viele Betreiber für die Entsorgung. Tendenz steigend.

10.000 Rotorblätter. In Deutschland. Pro Jahr.

Nach der Jahrtausendwende erlebte die Windenergie einen enormen Zuwachs. Binnen weniger Jahre entstanden an Land etwa 7.500 neue Windkraftanlagen, deren Zukunft nach Auslaufen der EEG-Förderung fraglich ist. Einschließlich älterer Offshore-Anlagen rechnet Bloomberg mit etwa 3.800 Windkraftanlagen, die außer Betrieb gehen. Pro Jahr. Für die Entsorgung heißt das, etwa 10.400 Rotorblätter fallen pro Jahr an. In den USA kommen in den nächsten vier Jahren jeweils etwa 8.000 Anlagen in das kritische Alter von 20 Jahren.

Die Abfallvorschriften der EU regeln strikt, welche Stoffe wie entsorgt werden müssen. Weil Rotorblätter – anders als in den USA – nicht auf Mülldeponien vergraben werden dürfen, werden einige Blätter in Öfen zur Zementherstellung oder in Kraftwerken verbrannt. Ihr Energiegehalt ist jedoch gering und ungleichmäßig. Zudem entstehen bei der Verbrennung gifte Gase. Bestehen die Rotoren noch dazu aus Carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) entfällt die mögliche Verwertung in Zementöfen.

Da die Blätter so gebaut sind, dass sie Orkanwinden widerstehen, lassen sie sich nicht leicht zerkleinern. Dennoch hat Veolia versucht, die Reste zu Staub zu zermahlen. „Wir hatten einige verrückte Ideen“, sagte Bob Cappadona, Veolia Chief Operating Officer für Nordamerika. „Wir wollen daraus ein nachhaltiges Geschäft machen. Das Interesse daran ist groß“. Andere Unternehmen wie das amerikanische Start-up Global Fiberglass Solutions pressen – mit Diamantwerkzeugen gehäckselte – Windkraftanlagen zu Pellets und Faserplatten für Bodenbeläge und Wandverkleidungen.

„Wir können 99,9 % einer Klinge verarbeiten und etwa 6.000 bis 7.000 Klingen pro Jahr und Anlage handhaben“, sagte Chief Executive Officer Don Lilly gegenüber „Bloomberg“. So viele Rotorblätter hat das Unternehmen auf Lager. Bei steigender Nachfrage könnten diese zerkleinert und recycelt werden, so Lilly. „Wir bereiten uns nur vor.“

USA: Mülldeponien werden zu Friedhöfen Zehntausender Windkraftanlagen

Wo es keine Verwertung gibt, landen alte Rotorblätter in riesigen Zwischenlagern. Der amerikanische Verband der Windenergie (AWEA) sieht vor, die riesigen Bauteile zu deponieren:  „Windturbinenblätter sind am Ende ihrer Betriebszeit im Gegensatz zu den Abfällen aus einigen anderen Energiequellen deponiefähig […]“ heißt es in einer AWEA-Presseerklärung. Demnach belaufen sich die Rotorblätter auf lediglich 0,015 Prozent der gesamten Siedlungsabfälle. Zum Vergleich: 2018 produzierten die USA 625.000 Tonnen Müll. Pro Tag. Das heißt, täglich landen 94 Tonnen alte Rotorblätter auf Mülldeponien.

Die inerten – nicht abbaubaren – Abfälle sind ein gutes Geschäft für die Deponiebetreiber. Große Teile, die keine Schadstoffe abgeben, bedürfen keiner besonderen Maßnahmen und füllen die Deponie schnell. Je nach Blattgröße kostet die Entsorgung auf unbestimmte Zeit in den USA etwa 800 Euro. Schreddern und verwerten kostet in Europa bis 3.000 Euro pro Rotorblatt.



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