Studie zeigt: Plastikflut nimmt stetig zu und „wird häufig direkt ins Meer gekippt“

Eine vom WWF und dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) vorgestellte Studie beleuchtet das dramatische Ausmaß der globalen Plastikkrise und fasst Erkenntnisse über die Auswirkungen der Verschmutzung auf die Arten und Ökosysteme des Ozeans zusammen. Diese bisher umfassendste Meta-Studie verdeutlicht, dass ein weltweites Handeln erforderlich ist, um die unwiderrufliche Vermüllung der Weltmeere zu stoppen.
Plastikmüll - das Problem unserer Zeit
Eine Plastiktüte auf einem Korallenriff in Malaysia.Foto: WWF/dpa
Von 8. Februar 2022

Nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts gelangen etwa 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr vom Land in die Gewässer der Welt. Dies entspricht fast zwei LKW-Ladungen pro Minute. Die Plastikverschmutzung des Ozeans wächst exponentiell und werde auch in Zukunft weiter zunehmen. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten Meeresgebiete von der zweieinhalbfachen Fläche Grönlands ökologisch riskante Schwellenwerte der Mikroplastikkonzentration überschreiten.

Diese Prognose beruht auf einer Kettenreaktion: Die Kunststoffproduktion wird sich bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. In der Folge vervierfacht sich das größere Makroplastik im Ozean in den kommenden 30 Jahren. Dieses zersetzt sich mit der Zeit in immer kleinere Teile bis hin zum Mikro- und Nanoplastik. In einigen Brennpunktregionen wie dem Mittelmeer, dem Ostchinesischen Meer und dem Meereis der Arktis habe die Mikroplastikkonzentration den ökologisch kritischen Schwellenwert bereits überschritten.

„Die Durchdringung des Ozeans mit Plastik ist unumkehrbar. Einmal im Meer verteilt, lässt sich Kunststoffmüll kaum zurückholen. Er zerfällt stetig, sodass die Konzentration von Mikro- und Nanoplastik noch jahrzehntelang ansteigen wird. Die Ursachen der Plastikverschmutzung im Keim zu bekämpfen, ist viel effektiver, als die Folgen im Nachhinein zu beseitigen. Wenn Regierungen, Industrie und Gesellschaft jetzt geschlossen handeln, können sie die Plastikkrise noch eindämmen“, sagt Heike Vesper, Leiterin des Fachbereiches Meeresschutz beim WWF Deutschland.

Plastikmüll schadet Leben

Mit Blick auf Arten und Ökosysteme offenbart die aktuelle Studie eine ernste und sich rasch verschlimmernde Situation. „Plastikmüll durchringt das gesamte System des Ozeans – vom Plankton bis zum Pottwal. Für fast alle Artengruppen des Meeres sind bereits negative Auswirkungen von Kunststoffmüll nachweisbar“, so Vesper weiter. Das Ausmaß der Kunststoffverschmutzung variiert regional stark und auch die Auswirkungen auf marine Arten sind sehr unterschiedlich.

Bislang konnten Wissenschaftler nur bei wenigen Arten diese schädlichen Effekte gezielt erforschen. Die Tendenz ist jedoch deutlich: Bei fast 90 Prozent der untersuchten marinen Arten wurden negative Auswirkungen von Plastik festgestellt. Fest steht: Mit fortschreitender Plastikverschmutzung werden die nachgewiesenen schädlichen Auswirkungen zunehmen. Außerdem bestehe die reale Gefahr, dass dadurch die Schwellenwerte für viele weitere Teilpopulationen, Arten und Ökosysteme überschritten werden.

Müll wird häufig direkt ins Meer gekippt

Besonders in Gebieten, in denen sich Plastikverschmutzung mit anderen Bedrohungen wie Überfischung überschneiden, werden die negativen Auswirkungen noch verstärkt. Für die wenigen verbleibenden Exemplare bereits stark gefährdeter Arten wie Mönchsrobben oder Pottwale im Mittelmeer, die in solchen Hotspots leben, könnte sich die Plastikkrise als Zünglein an der Waage erweisen werden.

Nach wissenschaftlichen Schätzungen verschlucken schon heute bis zu 90 Prozent aller Seevögel und 52 Prozent aller Meeresschildkröten Plastik. Doch nicht nur das Verschlucken ist eine Gefahr, sondern auch das Risiko, sich zu verfangen und zu ersticken oder die Anreicherung von chemischen Weichmachern im Blut. Die Folgen für Fortbewegung, Wachstum, Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Verhalten und Lebensspanne seien enorm. So erlitten Meerestiere häufig innere und äußere Verletzungen, teilweise mit Todesfolge. Häufig sind dabei Robben, Meeresschildkröten und Vögel davon betroffen. Letzteres beobachteten Forscher bei Basstölpeln auf Helgoland, die ihre Nester aus Plastikmüll bauten.

Das Problem ist, Abfall werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült. Einwegplastik mache 60 bis 95 Prozent der Verschmutzung aus. Laut der Studie haben sich zwischen 86 und 150 Millionen Tonnen Kunststoff im Ozean angereichert. Mikroplastik gelange auch über das Abwasser in die Meere. Zwar hielten moderne Klärwerke 97 bis 90 Prozent der Partikel zurück, aber in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg bedeute ein Prozent immer noch eine große Menge, erklärt Dr. Melanie Bergmann, Meeresbiologin vom Alfred-Wegener-Institut.

Auch Windkraftanlagen und Corona tragen zur Verschmutzung bei

Laut Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik sind die Hauptquellen für Mikroplastik-Eintragungen in Deutschland der Abrieb von Reifen und Bitumen im Asphalt sowie die Freisetzung bei der Abfallentsorgung. Auf Platz 7 der Rangliste des Instituts steht der Abrieb von Schuhsohlen – noch vor dem häufig genannten Faserabrieb bei der Textilwäsche (Rang 10) und Partikeln in der Kosmetik (Rang 17).

Auch Windkraftanlagen tragen zur Verschmutzung der Meere bei, wie Bergmann bestätigte. Die Lacke würden durch Wind abgetrieben. Allerdings könne man diese Menge noch nicht beziffern, ebenso wenig wie den zunehmenden Müll durch Masken und andere Corona-Schutzeinrichtungen. Erst kürzlich verkündete die WHO, dass sich weltweit mehr als 200.000 Tonnen Corona-Müll seit Beginn der Pandemie angehäuft haben. Darunter fallen beispielsweise Einweghandschuhe, Kittel und Testkits – jedoch keine Schutzmasken.

Der WWF forderte deshalb die Ende Februar in Nairobi tagende Umweltversammlung der Vereinten Nationen (Unea) auf, ein rechtsverbindliches globales Abkommen gegen den Plastikeintrag in die Meere zu beschließen. In der EU wurden bereits vor einiger Zeit bestimmte Einwegplastikverpackungen verboten – doch dies reiche nicht aus.

Forscher der California State Polytechnic University berichtete kürzlich in ihrer Studie über die Erfindung, Plastikmüll in nachhaltigen Brennstoff zu verwandeln.

(Mit Material des Alfred-Wegener-Institut und dpa)



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