Ampelkoalition verschärft Wettbewerbsrecht: Mehr Kontrolle über die Wirtschaft?

Ein schärferes Wettbewerbsrecht soll künftig Vorteilsabschöpfungen und Sektoruntersuchungen erleichtern. Verbände fürchten um rechtsstaatliche Garantien.
Maßnahme gegen die Preisspirale: Seit dem 1. Juni gilt eine abgesenkte Energiesteuer - der sogenannte Tankrabatt greift vorerst bis August.
Trotz des befristeten Tankrabatts im Vorjahr blieben die Preise an den Zapfsäulen hoch. Ein schärferes Wettbewerbsrecht soll nun helfen, Gewinne aus illegalen Absprachen leichter abzuschöpfen.Foto: Melissa Erichsen/dpa
Von 9. April 2023

Die Ampelkoalition hat sich auf ein verschärftes Wettbewerbsrecht geeinigt. Dies berichteten mehrere Medien am Mittwoch, 5. April, unter Berufung auf Regierungskreise. Die anstehende elfte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das Bundeswirtschaftsministerium spricht vom „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“, soll die Position des Kartellamts stärken.

Minister Robert Habeck will mit der Neufassung „den Wettbewerb im Sinne der Verbraucher stärken“. Künftig soll es den Kartellbehörden leichter möglich sein, „Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher“ abzustellen. Weitreichendere Eingriffsrechte soll es geben, wo „die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegensteht“ – etwa wegen weniger Anbieter auf dem Markt oder regelmäßiger paralleler Preisentwicklung.

Bereits im Vorjahr beklagte das Ministerium, es gebe „in einigen Bereichen immer noch verkrustete und durch Machtstrukturen geprägte Märkte“. Dies wirke sich zum Schaden der Verbraucher aus – etwa in Form von Preiserhöhungen an Tankstellen im Umfeld des befristeten Tankrabatts. Nun will man gegensteuern – vor allem durch erleichterte Vorteilsabschöpfungen und niedrigere Hürden bei Sektoruntersuchungen. Ein dritter Bereich betrifft die erleichterte Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Digital Market Act.

Was bedeutet eine Vorteilsabschöpfung im Wettbewerbsrecht?

Eine Vorteilsabschöpfung ist eine im Wettbewerbsrecht vorgesehene Maßnahme, die es ermöglichen soll, durch wettbewerbsrechtliches Verhalten erzielte Gewinne einzuziehen. Der rechtswidrig erlangte Vorteil bemisst sich aus der Höhe des tatsächlich erzielten Gewinns. Dieser ist in Relation zu setzen zu jenem, den das Unternehmen bei wettbewerbskonformem Verhalten erzielt hätte.

Derzeit ist eine Vorteilsabschöpfung aufgrund eines Einschreitens des Kartellamts oder einer Verbandsklage möglich. Sie entfällt, wenn das betroffene Unternehmen bereits Schadensersatz geleistet oder ein Bußgeld entrichtet hat, das auch eine abschöpfende Komponente enthielt. Der einschlägige § 34 GWB enthält auch eine Härteklausel. Aus Sicht der Ampel sind die derzeitigen Hürden für eine Vorteilsabschöpfung zu hoch. Vor allem im Kontext mit kartellrechtlichen Verstößen muss die Behörde dem Unternehmen schuldhaftes Verhalten nachweisen. Außerdem ist der Gewinn exakt zu beziffern.

Künftig soll die Vermutung eines Vorteils aufgrund eines kartellrechtlichen Verstoßes ausreichen, um abschöpfen zu können. Für diese reicht es aus, dass ein Vorteil anzunehmen sei, der schätzungsweise mindestens einem Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens im Inland entspricht. Nicht zu verwechseln sei diese Vorteilsabschöpfung mit der Abschöpfung legal erzielter sogenannter Zufallsgewinne. Bezüglich dieser aus einer Krisensituation erlangten Vorteile arbeite das Ministerium an einem eigenen Mechanismus.

Nach Sektoruntersuchungen sollen auch Maßnahmen ergriffen werden dürfen

Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamts richten sich demgegenüber nicht gegen bestimmte Unternehmen. Sie sollen grundsätzlich dazu dienen, die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in bestimmten Wirtschaftszweigen zu untersuchen und zu analysieren. Ein konkreter Verdachtsfall hinsichtlich eines Kartellverstoßes ist dazu nicht erforderlich.

Bislang hat es Sektoruntersuchungen etwa in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Einzelhandel gegeben. Künftig soll es beispielsweise auch auf den Kraftstoffmärkten zu erleichterten Sektoruntersuchungen kommen können. Die Dauer der Datenerhebung soll auf 18 Monate begrenzt sein.

Anders als heute soll das Kartellamt jedoch auch „Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs“ ergreifen dürfen. Auch dafür soll es 18 Monate Zeit geben. Das Vorgehen könnte etwa in eine Verpflichtung beteiligter Unternehmen münden, alle relevanten Zusammenschlüsse zur Fusionskontrolle anzumelden. Im äußersten Fall könnte die Kartellbehörde jedoch auch eine zwangsweise Entflechtung anordnen. Dies wäre etwa dann denkbar, wenn „eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs“ vorliegt.

UNITI: Kartellrecht wird „zum politisch-ideologischen Kampfinstrument“

Die Bundesregierung rechtfertigt ihr Vorgehen mit der Verpflichtung, Verbraucher vor den Folgen „vermachteter Strukturen“ zu schützen. Dass die Befugnisse der Kartellbehörden erweitert werden, folge dem Beispiel der britischen CMA. Diese hätte heute schon die dargelegten Vollmachten.

Verbände hingegen befürchten, dass die Politik Unternehmen zunehmend zum Sündenbock für die Folgen eigener Fehlentscheidungen machen könnte. Zwar geht noch keiner von ihnen so weit, historische Beispiele dafür anzuführen – etwa die DDR, wo der Tatbestand der „Sabotage“ ein Freibrief war, private wirtschaftliche Strukturen zu zerschlagen.

Der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V. (UNITI) kritisierte in seiner Stellungnahme zum Entwurf jedoch die Abkehr vom Nachweisprinzip. So hieß es vonseiten des Verbandes:

Die innerhalb des Gesetzesentwurfs vorgeschlagenen verstoßunabhängigen Eingriffsinstrumente würden den existenten freien und fairen Wettbewerb in der deutschen Wirtschaft verzerren und würden das Kartellrecht in Deutschland zum politisch-ideologischen Kampfinstrument umstrukturieren.“

Buschmann versichert: Im Wettbewerbsrecht bleiben „rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt“

Der „Mittelstandsverbund“ unterstützt zwar das Anliegen der Bundesregierung, die wettbewerbsrechtliche Durchsetzung effektiver zu gestalten. Allerdings fordert er auch die Definition klarer Eingriffsbefugnisse. Diese sollen dazu dienen, „das unternehmerische Handeln in Deutschland nicht unverhältnismäßig stark zu beschränken und damit die Innovationskraft deutscher Unternehmen zu senken“.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) versicherte unterdessen, man sichere mit der Novelle, „dass rechtsstaatliche Grundsätze beim kartellbehördlichen Einschreiten strikt gewahrt werden“. Rechtsstaatliche Verlässlichkeit und wirtschaftlicher Wettbewerb stärkten „unsere Wirtschaft und unser Land“, so Buschmann.

(Mit Material von dts)



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