Anlageexperte: „Die KI-Blase wird bald platzen“

Mit ChatGPT und ähnlichen Programmen entstand um die Künstliche Intelligenz ein regelrechter Hype – auch in der Wirtschaftswelt. Ein Anlageexperte prognostiziert jedoch für die nächsten Monate einen deutlichen Einbruch. Wie sieht es mittel- und langfristig für die KI aus?
Anlageexperte: „Die KI-Blase wird bald platzen“
Ein Roboter ist oft ein Symbol für eine Künstliche Intelligenz (KI). Ist hier ein Hype entstanden?Foto: iStock
Von 29. August 2023


Besonders die US-Technologiebörse Nasdaq hat in den vergangenen Monaten mit zahlreichen starken Kursgewinnen glänzen können. Hier werden Unternehmen gehandelt, die mit KI ihr Geschäft machen. Vermögensverwalter David Wehner warnt vor einer Blase: „Dort hat sich eine Hysterie rund um die Künstliche Intelligenz ausgebildet, und es ist eine Kursblase entstanden. Diese KI-Blase wird bald platzen.“

David Wehner ist Anlageexperte und verwaltet unter anderem das Dornier-Vermögen. Die Dornier-Werke GmbH war ein deutscher Flugzeughersteller, der 1985 von Daimler-Benz übernommen wurde. Wehner kennt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) gut aus. Diese Technologie-Sparte hat sich inzwischen längst in der Börsenwelt etabliert – scheinbar. Im Interview mit der „Welt“ verrät der Fachmann, warum hier ein Hype entstanden ist.

Ein großer Technologiesprung

Der Vermögensverwalter erklärt damit aber die KI nicht für komplett beendet – im Gegenteil. „Alle großen Technologiesprünge haben zunächst mit einem Hype begonnen“, schilderte Wehner. Etwas später brach es erst mal wieder in sich zusammen. Bei „Aktionär TV“ sprach Wehner von einem „Realitätscheck“ nach dem Hype. Mittel- bis langfristig hätten sich die Technologien dann aber durchgesetzt.

„Das war bei der Erfindung der Dampfmaschine so, am Beginn des Eisenbahnzeitalters oder zur Jahrtausendwende bei der Internetblase“, sagte Wehner. Solche Hypes seien förderlich für die Innovation, es komme aber nach dem anfänglichen Börsen-Hoch erst zur Ernüchterung und zu einem Kurssturz.

Für die KI erwarte Wehner deswegen nichts anderes. Doch: „Langfristig hat dieses Thema eine große Zukunft, KI wird in vielen Bereichen nützliche Anwendungen finden, von der Medizin über die Finanzbranche bis zu den Medien.“ Darüber hinaus werde die KI wahrscheinlich auch einen gewissen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Doch derzeit haben nach seiner Beobachtung die Marktteilnehmer noch Erwartungen, die kurz- bis mittelfristig nicht erfüllbar sind.

Was sind die Merkmale für einen Hype?

Ein deutliches Indiz für einen Hype sei es, wenn sich etwa Unternehmen umbenennen. „Sie ergänzen ihren Namen um das Kürzel AI für ‚artificial intelligence‘ – und schon steigt der Kurs“, erklärte Wehner.

Doch es soll weitere Hinweise geben. Wenn manche Unternehmen eher schwache Zahlen von ihrer Bilanz präsentieren müssen, komme es vor, dass die Firmenchefs im Gespräch mit den Analysten immer wieder das Wort AI verwenden – plötzlich steigt der Kurs wieder. Das sei alles nicht gesund.

Als ganz konkretes Beispiel nannte Wehner das Unternehmen Microsoft. Dieses hätte angekündigt, bei seinen Office-Paketen zusätzlich einen „Co-Piloten“ auf KI-Basis anzubieten. „Das soll 30 Dollar im Monat zusätzlich kosten, und direkt nach der Ankündigung stieg der Marktwert von Microsoft um 180 Milliarden Dollar“, erwähnte der Fachmann. „Das sind eine Menge Vorschusslorbeeren, und jetzt muss sich erst mal zeigen, ob wirklich so viele Anwender bereit sind, für eine erweiterte Hilfefunktion 30 Dollar im Monat je Lizenz zu bezahlen.“ Wehner bezweifelt dies.

KI-Boom bei Nvidia

Einer der größten Profiteure des KI-Hypes ist das Unternehmen Nvidia, einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und inzwischen führendes Unternehmen im Bereich KI-Computing. Der Halbleiterhersteller hat beim Nasdaq seit Jahresbeginn eine Wertsteigerung von 230 Prozent hingelegt, wie „Heise“ berichtet. Dadurch ist Nvidia nach Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon zum fünften Technologieunternehmen der Welt aufgestiegen. Sein Börsenwert liegt derzeit bei 1,17 Billionen Dollar (rund 1,08 Billionen Euro).

Der Grund für die Kursexplosion liegt aber nicht in der aktuellen Geschäftsentwicklung. Die im Mai veröffentlichte Bilanz für das erste Quartal von 2023 offenbarte gar einen Umsatzrückgang von 13 Prozent, während die Nettogewinne lediglich um 26 Prozent stiegen.

Der Erfolg ist den Erwartungen zuzuschreiben, die auf die Zukunft gerichtet sind. Da soll Nvidia mit seinen Datacentern und Prozessoren beziehungsweise mit der Programmierschnittstelle CUDA die technologische Kerninfrastruktur der KI-Nutzung liefern. Bestseller sind etwa die Grafikprozessoren A100 und H100, die als KI-Beschleuniger Anwendungen wie ChatGPT antreiben.

Für Nvidia-CEO Jensen Huang erscheint der Hype angemessen: „Tatsächlich beginnt ein neues Computerzeitalter.“ Weiter sagte der 60-jährige taiwanisch-amerikanische Gründer von Nvidia kürzlich in einem Interview: „Bei der Künstlichen Intelligenz handelt es sich um das größte Instrument zur Datenverarbeitung, das die Welt je gesehen hat. Die Chance, aus KI etwas wirklich Wertvolles herauszuholen, ist enorm.“

Mögliche Vorteile durch KI

Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre werde der Technologiesektor überwiegend von der KI profitieren, schätzt Wehner. Diese Technologie bringt unter anderem eine Automatisierung mit sich.

Zudem werde sie „eine inflationsdämpfende Maßnahme“ sein, „denn gewisse stoische, sich wiederholende Aufgaben können dann von der KI abgearbeitet werden.“ Die mögliche Gefahr, dass der Mensch komplett von der KI ersetzt werden könnte, sieht der Fachmann nicht. „Die Innovationskraft, die der Mensch seit der Industrialisierung verursacht hat, wird auch weiterhin in unseren Händen sein.“

Der Mensch könne sich aber wichtigeren Problemen widmen, die eben diese Innovationskraft benötigt. Das kann eine KI wahrscheinlich nicht lösen.



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